Arbeitsjournal. Donnerstag, der 1. Februar 2007. Der Tag des Offenbarungseides.

4.56 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]
Vor elf Minuten hochgekommen, noch ungeduscht an den Schreibtisch – ich weiß aber auch gar nicht, ob ich eigentlich duschen und mich rasieren w i l l. Ungepflegtheit als körperlicher Ausdruck für Erniedrigtsein, hier aber ganz bewußt; denn es stellt sich auch die Frage: Was zieh ich nachher an zu dem Termin des Offenbarungseides um 8.45 Uhr? Früher hätte ich – „früher“! – ganz unbedingt erst recht darauf geachtet, nur in bestem Zwirn zu erscheinen, mit Hemd und Krawatte, ausgesucht; das hatte ich mir früher ja nicht nehmen lassen. (Weshalb immer wieder geraunt worden ist: ‚Der Herbst kann sich das auch leisten, solche Texte zu schreiben, der hat ja auch Geld, der m u ß sich nicht anpassen‘ – in der Tat ist dieses Gerücht seit meiner Brokerzeit im Literaturbetrieb immer wieder uimgelaufen). Aber es i s t nicht mehr früher; mit der Trennung vor knapp fünf Jahren hab ich diese Haltung ja abgelegt, den Dandy abgelegt und mit Bewußtheit, zugleich ist es aber auch Kraftlosigkeit gewesen, der Verwahrlosung die Haustür aufgemacht. Wovon ich bis heute die Folgen spüre, vor allem in Sachen Organisation des formalen Alltags. Wirklich auf die Reihe bekommen habe ich mein Zeug seither nicht mehr. Ausgenommen davon ist alleine die literarische Arbeit und ist mein Sohn.
Aber vielleicht sollte dieser OE-Termin nachher der Anlaß sein, sich ein wenig Aristokratie zurückzunehmen? Zwar habe ich keine Krawatte in Bamberg (mir ist plötzlich nach einer), Anzüge aber sehr wohl, auch wenn es keinen mehr gibt, dessen Taschen nicht Löcher hätten. Aber das wird der Gerichtsvollzieher, der melancholische Herr M., kaum bemerken. Der zweite Termin, den ich umittelbar hernach wahrnehmen muß, beim Bamberger Stadtkämmerer, wegen einer Gewerbesteuerschuld aus 1987 oder ‘88, jedenfalls von so um den Dreh, ist übrigens nicht nur Zwangsvollstreckungsandrohung, sondern zugleich auch Beugehaft-Androhung; das habe ich aber gestern nacht erst bemerkt. Jetzt wird mir auch klar, weshalb es der Mann, Herr K., so dringend gemacht hat – auch er eigentlich ein Netter; er hat während meiner Abwesenheit vor zwei Wochen gleich drei Nachrichten für mich dagelassen – eine persönlich eingeworfene, zwei per Post geschickte -, daß ich mich doch unbedingt bei ihm melden möchte. Ich hab ihn nach meiner Rückkehr angerufen, er war sehr freundlich und bereit, mit seiner Zwangsvollstreckung noch auf die heutige Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu warten und mich nicht sofort in Haft nehmen zu lassen; ich möchte nur bitte nach dem Termin gleich bei ihm am Maximiliansplatz vorbeiradeln und eine Kopie mitbringen. Das werde ich also nachher ebenfalls tun.
Hm, schade eigentlich, das mit der Krawatte.

[Produktionsverhältnisse 3.
Produktionsverhältnisse 2 <<<<]


Na, bon, ‘s ist nur ein verschmutzter Rahmen um die Arbeit, den man auswechseln kann. Ich werde gleich damit anfangen, die revidierten MEERE-Seiten der persischen Fassung nach dem Layout des Buches Seite für Seite durchzugehen und auf die Buchseiten anzupassen, so daß ich sie ausdrucken und in die entsprechenden Buchseiten einkleben kann. Vielleicht stelle ich auf diese Weise ein Exemplar her, daß meinem Sohn eines Tages die Ausbildungskosten sichert; es ist ja dann wirklich ein Unikat. Das wird den heutigen Tag n a c h den Zwangsvollstreckungsgängen bestimmen. An ARGO komm ich dann wohl erst wieder >>>> nach dem Symposion. So werde ich, ist wiederum d a s abeschlossen und die Erstkorrektur von EF zur ZF fertig, schätzungsweise erst in der letzten Februarwoche an die Überarbeitung der BAMBERGER ELEGIEN gehen können. Das entspricht einem Zeitverzug von drei Wochen gegnüber der Arbeitsplanung. Irgendwie renne ich momentan mir selbst hinterher. Das hat aber objektiv mit den Babies zu tun und ist insofern kein Grund, mich zu grämen oder auch nur nervös zu werden.
Guten Morgen, mir geneigte und mir böse Leserinnen und Leser.

Nach >>>> Blogcounter hatten Die Dschungel, sehe ich gerade, im Monat Januar 15.264 Besucher. Das ist neues Hoch. Dem stehen >>>> auf der fiktionären Website 35.648 Downloads literarischer und kunsttheoretischer Texte zu Seite, gemessen seit dem 22. 9. 2004. Das dürfte mich ‚werberelevant‘ machen; vielleicht versuche ich mal, damit für einen neuen Laptop einen Sponsor zu finden.

11.32 Uhr:
Alles abgegeben und jetzt auch schon >>>> den Bericht formuliert. Ich mag ihn noch ein wenig korrigieren, aber dann leg ich mich zum Mittagsschlaf. Derart viele Ereignisse! Und so fruchtbar denn d o c h. Wobei s c h o n die Frage bleibt: wieso w i r d jemand so etwas? Das ist bei Ergreifen dieses Berufes doch absehbar, daß man nur und nur das Elend zu sehen bekommt und dem Elend dann noch das Wenige nimmt, das dieses Elend h a t. Ich verstehe, wenn einer Arzt werden will, wenn einer Forscher werden will, wenn einer Lehrer werden will: aber zum Beispiel Schließer, wie kann jemand freiwillig s o etwas werden? Oder Ordner? Oder, überhaupt, Vollstrecker? Selbst Polizist läßt sich noch irgendwie rechtfertigen, wenn etwa jemand schützen möchte. Aber >>>> Gerichtsvollzieher?

NACHTRAG.

[Die Persische Fassung zusammenkleben.]

3 thoughts on “Arbeitsjournal. Donnerstag, der 1. Februar 2007. Der Tag des Offenbarungseides.

  1. „Wieso w i r d jemand so etwas?“ Fragen Sie den Herrn doch mal. Die Antwort würde mich auch interessieren. Anteilnehmend, a.

    1. Sie haben recht, liebe a. Nur wäre diese Frage gerade in d e r Situation ein psychischer Übertritt gewesen. So wohlgelaunt, wie ich dasaß, war ich ganz sicher schon Skandal und Schmerz genug. Eine andere Leserin, die mir eben privat schrieb, hat vielleicht recht, wenn sie meint: „Es kann sein, daß der Mann gerade Ihnen diesen OE überhaupt nicht gerne abgenommen hat.“

      Vielleicht treff ich Herrn *. ja mal wieder, in einer Kneipe vielleicht; Bamberg ist ja sehr klein. Dann werde ich ihn fragen.

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