7.03 Uhr:
[Berlin, Küchentisch.]
Aber sowas von verschlafen, ‚tricky‘ verschlafen, sozusagen: denn ich erinnere mich, daß ich heute nacht, als ich lange v o r dem Wecker um halb fünf erwachte, im Mobilchen eine weitere Weckzeit auf halb sieben stellte… wobei es gut sein kann, daß bereits dieses „lange v o r dem Wecker“ Traum war. Offenbar will der Körper Schlaf nachholen und bedient sich als Agenten dazu des Geistes – ich meine ja sowieso, daß d i e s e Hierarchie die eigentliche ist und nicht etwa die umgekehrte, die aber der Geist gern so hätte, weshalb er so tut, als w ä r e sie.
Auch hier unterdessen, in der Väter-WG, sieht‘s aus wie Kraut und Rüben; ich werd den Vormittag damit verbringen, Zeug von hier in die Arbeitswohnung zu schleppen, um wenigstens ein w e n i g Zug in das alles zu bekommen. Für ab zwölf ist jemand von der Telekom in der Arbeitswohnung angekündigt, der das Telefon wieder zugänglich machen soll; gleich danach werd ich >>>> Strato informieren, meinen DSL-Zugang bitte von Bamberg auf Berlin zu switchen. Ich schätze mal, daß die Arbeitswohnung dann spätestens nächste Woche auch für die Netzarbeit wieder bereit sein wird.
Während ich auf diesen Telekom-Mitarbeiter warte, werd ich an die Vierte Elegie gehen; außerdem ist endlich die ganze Post zu öffnen, um zu sehen, welche Brecher n o c h da schon mitten im Rollvorgang befindlich, und ich surf sie, ohne daß ich‘s schon wüßte. Außerdem juckt mich ein Text über „unsere Ironiker“ – etwa solche, wie >>>> stulli sind, dem ich hiermit gern n o c h ein paar Leser hinüberschicke, >>>> nachdem er sie aus Der Dschungel schon selbst zu sich zu locken versucht hat. Daß er sich „Contra“ nennt, zeigt übrigens g l e i c h, worum‘s geht, während ich ganz entschieden – und zwar, je älter ich werde – das „Pro“ favorisiere, also das halb v o l l e Glas Wein – die Leute mit dem halb leeren haben immer diesen Geruch eines Schweißes, der aus der Anstrengung rührt, n i c h t s zu erschaffen… man käm ja sonst selbst in Gefahr… „einer Generation“, heißt es sinngemäß bei Godard in >>>> Prenom Carmen, „die sich schon zu Anfang erschöpft hat“, das aber selbstverständlich nicht aushält – es ist ja w i r k l i c h inhuman – und deshalb auf alles draufschlägt, das für gefühlte Werte steht… aber man schlägt so, daß man nicht versehentlich selbst in den Haken gerät… also uneigentlich. Und damit keiner zurückschlägt, wird alles Witz. Das gibt diesen Ironikern das Aussehen älterer Dämchen, die sich derart verkneifen, daß ihnen selbst das Kaffeekränzchen zu einer Einklemmung wird, aus der nur noch der kleine Finger halberigiert hinausragt. Gewissermaßen haben sie sich mit ebender Entfremdung korsettiert, gegen die sie – in ihrer politischen Spielart – doch antreten möchten. Man kann das auch als einen Ausdruck von Tragik sehen… wenn man menschlich ist, d. h. derart zur Sentimentalität neigt wie ich.
Nein, ich will das anti-ironische Pulver nicht h i e r schon verschießen und wart mal selbst auf den Text. Guten Morgen, Leser. Bin zurück in der literarischen Heimat.
11.02 Uhr:
[Arbeitswohnung. Jarrett, London 1991.]
Den ersten vollgepropften Rucksack herübergebracht, den ich gleich auspacken und dessen Inhalt ich zuordnen werde. Und ganz im Nebenbei drei Zeilen an der Vierten metrisiert, noch am Küchentisch. Mußte mich losreißen. Geht ja nicht anders. So erwart ich denn den Telekom/isten….
13.02 Uhr:
[Monteverdi, Marienvesper/Combattimento.]
So, das Telefon geht wieder. Zwar ist meine alte, schöne Nummer verloren, aber die neue ist irre leicht zu merken. Und sowieso telefoniere ich unterdessen meist über Skype, vor allem ins Ausland. Und es bleibt zu hoffen, daß Strato fix mit der DSL-Umstellung von Bamberg nach hier ist. Danach erst ist die volle Arbeitsfähigkeit dieser Wohnung wiederhergestellt.
Jetzt wird eine Kleinigkeit gegessen, dann der Mittagsschlaf zelebriert; danach geht‘s wieder rüber in die Väter-WG fürs Netz und eine nächste Fuhre. Links neben mir liegt – und m ö c h t e gern – das Notizbücherl mit der Skizze zu diesem Gedicht, das den für mich ziemlich erstaunlichen Titel „Nach Süden bei Paolo Conte“ trägt.
18.02 Uhr:
[Stuart MacRae, Violinkonzert.]
Nächste Fuhre. Und das Finanzamt hat mein Postscheckkonto gepfändet; auch nett, zumal eh nix drauf ist und in absehbarer Zeit auch nichts draufkommen wird. Momentan bin ich ganz gelassen, ein wenig wie medikamentös sediert. Von meinen alten Börsenverhältnissen aus gesehen, geht‘s um nicht viel Geld: sowas um 1500 Euro. Die ich auch nicht ganz durchblicke, da ich eigentlich auch eine Steuerrückzahlung bekommen sollte, die ich mit der nachzuzahlenden Umsatzsteuer zu verrechnen vorhatte. Na egal. Jetzt richte ich erst einmal meinen Arbeitsplatz ein.
Mit Strato telefoniert; bis DSL steht, könne es einzwei Wochen dauern – das liege aber an der DSL-Freischaltung durch die Telekom. Leser, ich brauch jetzt wahrscheinlich bald jemanden, die mir Telefon und DSL sponsorn, sonst wird es irgendwann auch mit Der Dschungel eng.
Gut, ich pack mal weiter aus. ( S c h ö n e s Konzert, übrigens, meines jetzt ehemaligen Mitstipendiaten.)
21.53 Uhr:
[Berlin, Küchentisch.]
Wenn es tatsächlich noch zwei Wochen dauern sollte, bis DSL in der Arbeitswohnung steht, werde ich noch bis dahin immer wieder hierherradeln, um meine Netzarbeit zu erledigen – wobei sie sich heute tatsächlich nur auf dieses, sagen wir, Protokoll beschränkt, sowie darauf, daß ich immer mal wieder Post beantworten muß und will. Und auch immer mal wieder die seltsame Hoffnung habe, es schaue sich irgendwie Geld herbei. Aber auch Jelinek soll, hörte ich, in der Zeit, in der sie an der Übersetzung von Gravity‘s Rainbow arbeitete, Telegramme zu Rowohlt gesendet haben: „Bitte schicken Sie 100 Mark“ (oder so) „, wir haben nichts mehr zu essen.“ D a s nun hat bei mir, der Kinder halber, ausgeschlossen zu sein. Nein, wirklich: mal sehen, was sich ergibt. Gleich seh ich vielleicht noch den Profi, der mir wahrscheinlich wegen der Finanzamts-Kontopfändung die Glatze waschen wird. Ich will aber vorher noch ein paar Zeilen an der Vierten Elegie tun. Damit ich vom Tag wenigstens sagen kann: es sei etwas geschafft.