Paul Reichenbachs Sonntag, der 6. Mai 2007. Hinkommen. Entkommen. Ankommen.

In der Mehrzahl der Fälle beginnt die bipolare Störung mit einer depressiven Phase, in der eine gedrückte antriebsarme Stimmung vorherrscht. Von einer manischen Phase wird gesprochen, wenn der Patient mindestens eine Woche lang eine situationsadäquate, anhaltend gehobene Stimmung aufweist, sorglos-heiter bis erregt oder reizbar ist und sich selbst überschätzt. Kennzeichnende Symptome sind vermehrter Rededrang, Größenwahnideen, ein vermindertes Schlafbedürfnis oder erhöhte Sexualität und vermehrte Geldausgabe. Ein bis zwei Prozent aller Menschen leiden im Laufe ihres Lebens einmal an dieser Psychose. Zum Ausbruch kommt sie typischerweise zwischen den 15. und 30.Lebensjahr.
(Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 6.Mai 2007)

So etwa war die psychische Lage vor ungefähr 35 Jahren. Und ähnlich Curt Cobain wurde ich völlig falsch behandelt und mit Psychopharmaka vollgestopft, die die psychotischen Zustände eskalieren ließen. Aufgewachsen in einer Gesellschaft in der nur der Durchschnitt zählt und versehen mit einer extrem dünnen Haut, das zähe Leder muss dem Herrgott bei meiner Geburt gerade ausgegangen sein und geschlagen mit einer Mutter, die Puppen kauft und im eigenen Kind nur den größeren Bruder sieht; ausgestattet mit einem absenten Vater, dessen Anwesenheit sich nur in Worten meiner Großmutter mütterlicherseits zeigt, von denen „slowakischer Hund“ noch das Harmloseste war, bahnte sich in mir , so sehe ich es heute, die Psychose ihren Weg. Die Zeit ist vorbei, ich bin ihr davon gekommen, heil davon gekommen. Literatur und Kunst haben mich gerettet, und vor allem sie, die in den letzten Wochen, trotz eigener Malaise, ihren Humor wiedergefunden hat. Vor Jahren, kurz nach dem Mauerfall, hatte sie ihn irgendwo zwischen Umsatzdruck und Cortison verloren. Und ließ sich nicht helfen.

>>>Das Treffen in W, die gemeinsame Suche nach wunden Punkten, wurde übersonnt von einer herzlichen Nähe, und einer sich sofort einstellenden Vertrautheit, als sei da nie ein Faden gerissen. Das mag vor allem daran gelegen haben, dass wir uns gegenseitig in guten Händen wissen, gleich welcher Alltagszoff in unseren jetzigen Lebensbindungen hier und da mal herrschen mag. Wir waren nicht für einander gemacht und es ist einfach nur Glück zu nennen, dass wir uns entkamen und leben. Trotz alledem, mein Körper erinnerte sich, ohne dass ich selbst darauf Einfluss hatte. Ein Echo schon vergessen geglaubter Lust rollte sprachlos durch die Adern. Die Gänge durch W., Shakespeares wippender Fuß, der Duft der Fliederbüsche, ihre Stimme, die mit den Jahren vom Mezzosopran zum Alt mutierte, der Blick von Belvedere, all dies stimmte mich heiter. Der Abschied fiel schwer. Allerdings, ich gestehe es gern, war ich nach 3 Stunden Autobahn dann doch sehr froh, als vor meiner Windschutzscheibe die Skyline von Frankfurt auftauchte. Ich wurde erwartet.

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