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alle dinge liegen klar in meinem herzen nichts wird
vergessen werden denn der punkt am ende ist nach zwei
der menschlichen seiten offen & nur auf den pfauenaugen
taut der schnee zum mittag restlos
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Sascha Anderson
>>> Die Sängerin.
Morgen ist es soweit. So weit! Wir treffen uns an Feiningers Kirche in G. Den ganzen Tag werden wir Zeit haben, dass vor 35 Jahren abrupt abgebrochne Gespräch wieder aufzunehmen. Worte müssen gesucht und Tränen mühsam zurückgehalten werden. Denn die Erinnerung an mein erstes Leben, es gibt nichts Wahres im Falschem, ist spärlich. Die Wasser des Flüsschens spülten sie hinweg. Und doch tauchen aus dem Grund des Flusses einzelne Bilder und Klänge auf. Das Gartenhaus, das Theater. Mendelsohns Violinkonzert, Dvoraks Rusalka. Ich wusste nicht, damals nicht mehr, wer ich war. Und hielt Möglichkeit für Wirklichkeit. Denn das Reale erschreckte mich. Die allzu dünne Haut, Jahre später wird sie über die Schrecken der Welt wie ein gestresster Frosch an Farbe verlieren, schützte sich vor Berührungen, in dem sie floh. Es war die Zeit, als ich Büchners Novelle Lenz las und von dem Satz – „ So lebte er hin. “ – bis ins innerste Mark getroffen wurde. In jenen Tagen, und das betraf auch meine Liebste, verlor ich die Sprache. Das muss man sich nicht vorstellen, als sei da einer verstummt, eher das Gegenteil war der Fall. Aber es war nicht ich, der da parlierte, sondern ein Anderer, ein Fremder, der aus mir sprach. Alle habe ich damals getäuscht, denn keinem konnte ich sagen, und schon gar nicht ihr, dass ich nicht wirklich sprechen kann und mich verloren glaube. >>>Da war kein Gott, der Brücken baut und keine Seele, die mich hätte sehen, hätte retten können.…
Denn so wie ich mir selbst verborgen blieb, verbarg ich mich vor anderen.
Wie werden wir uns begegnen an der Kirche von G. und wird Nähe entstehen beim Gang durch den Park, am Denkmal Shakespeares? Werden wir Worte finden an den Ufern der Ilm, wo ungerührt die Wasser flossen und fließen?