Arbeitsjournal. Montag, der 7. Mai 2007. Mit Thomas Hettche und Adolf Endler bei ihrer Abwesenheit.

8.10 Uhr:
[Arbeitswohnung. Bartók, Der holzgeschnitzte Prinz.]
Der Sonntag verstrich fast ganz mit dem Wiederaufbau des Musikcomputers, wenngleich eigentlich geplant war, daß mein Junge neben mir ein wenig online-Computerspiele spielen wollte, während ich arbeitete. Es fand sich aber nichts Richtiges, vor allem nicht dort, >>>> wo er hinwollte; wir wechselten zu den >>>> Bionicles, wurden aber auch dort nicht fündig, fanden statt dessen den Hinweis auf den freien Download einer Demo-Version des letzten Bionicle-Computerspiels… „oh Papa, bitte!“ – Und das war’s dann. 6 (in Worten mit Ausrufezeichen: s e c h s !) Viren fingen wir uns ein, der Computer wurde extrem langsam… es half nichts, das Antivirenprogramm mußte den Computer durchforsten. Die Intensivsuche dauerte Stunden… und letztlich ging das dann d o c h auf die Arbeit. Nun läuft wieder alles.
Immerhin hab ich erstmals ARGO auf Szenen durchgeschaut, die sich am Samstag beim Döblin-Preislesen möglicherweise vortragen lassen; ich muß in jedem Fall ein paar Szenen aus ihren unmittelbaren Zusammenhängen herauslösen und kompilieren. Werde heute aber nicht viel schaffen, weil mittags der Zahnarzt ans Eingemachte geht (eine Brücke zersägen, zum Beispiel) und weil ich die für morgen in der Väter-WG angedrohte Stromsperre abwenden, das heißt, durch die Gegend radeln muß, um bar zu begleichen. Ein nicht-gepfändetes Konto hab ich ja eh nicht mehr. Und ein Gedicht fiel mir ein, als ich heute früh um sechs, den Kumb Kaffee in der Hand, hinunter auf die Schönhauser ging, um die Morgenzigarette zu rauchen. Das h a t übrigens was, aus der Haustür auf eine sich allmählich belebende Straße zu treten, dabei Kaffee zu trinken und in den Morgen zu blinzeln… es hat etwas von Beheimatung des Außen(s). {Grammatik-Problemchen: des Außen i s t, des Außens k l i n g t falsch…). Zu dem Gedicht später mehr; vielleicht bekomm ich’s heute ganz zuwege.
Und mit >>>> Strato ist zu telefonieren wegen nicht ganz einsichtiger Abbuchungen vom Konto einer Mäzenin. Eine mir ein bißchen peinliche Angelegenheit. Es sind weitere Rechnungen/Mahnungen aufgelaufen, die ich deshalb noch nicht völlig durchschaue, weil sie aus abgelehnten Einzugsvollmachten auf das gepfändete Konto resultieren. Ich fasse alles unter administrativen Tätigkeiten zusammen, weil das so hübsch autonom klingt. Das Gedicht heißt „Das böse Kind als alter Mann“.

Noch ein Wort zur Musik: Mir fiel eben auf, daß meine Neigung, klassizistisch Gedichte zu schreiben mit meiner Neigung zu freitonaler Musik zusammenhängt; der Kopf ist von atonaler Musik berührt, der Leib indes von einer Musik, die Tonalität und A-Tonalität verschleift. Hier mag auch ein Grund für meinen speziellen Ansatz einer Postmoderne, bzw. ‚Nach-Postmoderne‘ (Ralf Schnell) zu finden sein, der weder die Erzählung aufgeben, noch sie traditionell-narrativ („realistisch“) gestalten mag, ja davor intensiv zurückscheut, weil es nicht stimmte. Und wieder, was mein Psychoanalytiker des öfteren gesagt hat: „Sie wollen das Unvereinbare vereinen.“ Ich halte es nicht für unvereinbar, bin mir aber des Umstands bewußt, daß sich zwar das A-Tonale (mit Adorno: „Negative“) von menschlichen Bedürfnissen entfernt, doch das Tonale wirft sich ihm mit allen fettropfenden Seiten entgegen. Freie Tonalität hingegen vereint… tatsächlich denke ich, wenn ich schreibe, in Kategorien der Tonalität, bzw. ihrer Aufhebung und n i c h t solchen der Literatur. Hieraus ist, neben persönlichen Faktoren, die meine Erscheinung begründet, einige Irritation und Abwehr zu erklären, die meine Arbeit in ihrer Rezeption provoziert.

[Poetologie.]


Mittags/nachmittags:

Stilleben mit ausgesägter Krone.
Danach was kläglich Lustiges im Berliner Senat, Abteilung Literatur. Als ich nämlich das ARGO-Typoskript abholen wollte, für das man mir >>>> angedroht hatte, es dem Müll zuzuführen, würde es nicht persönlich abgeholt. Ich bin mir über Hintergründe noch unklar, sonst würd ich das Geschehen bereits jetzt kommentieren; aber ich brauch erst ein paar Informationen. Das sei aber schon gesagt: Es hat mit Thomas Hettche und Adolf Endler zu tun; aus einem mit deren Namen besonders gekennzeichneten Umzugskarton, der neben mit anderen Namen gekennzeichneten sehr ähnlichen Kartons stand, hat man ARGO nämlich im Senat hervorholen müssen. Und auch das gelang nur, weil der zuständige Herr in Urlaub und seine Vertreterin nicht mehr anwesend war. Die Dame wiederum, der das Nachsuchen aufgetragen wurde, sagte zu allem Anfang zu mir: „Ich kenne Sie nicht“, was sie aber nicht davon abhielt, mir die im Hettche- und Endler-Karton aufgefundenen knapp 1000 Seiten auszuhändigen, ohne daß ich mich hätte ausweisen müssen.

22.22 Uhr:
Wenn es stimmt, daß der Mairegen es wachsen läßt, dann bin ich heute fünf Zentimeter größer geworden.
Bin, als die Familie schlief, noch mal in die Arbeitswohnung geradelt; hier gibt es Wein, hier kann ich rauchen, ohne jemanden zu belästigen oder gar zu schädigen. Dennoch, am Abendbrotstisch, kurz bevor aufgetragen wurde, bekam ich >>>> das Gedicht fertig. Mag sein, daß noch Kleinigkeiten zu verändern sind, der Rhythmus etwa perfektioniert werden muß, mehr aber wohl nicht. Im übrigen ist mir das Ding unheimlich, ist auf eine so ähnliche und doch andere Art nicht geheuer wie >>>> das Engelgedicht.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .