5.07 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Wegen der Versbildung k e i n e Musik heut früh. Aber Vögel singen vom zweiten Hinterhof herein. Hier liegen, vom Wiederaufbau des Musikcomputers, noch die ganzen CD-ROMs herum. Bis auf zwei momentan entbehrliche Kleinigkeiten läuft jetzt alles; und es liegt viel Datenmüll auf der Betriebssystems-Basis herum, die ich mich nicht zu löschen traue, um nicht irgendwas anderes wieder zu beschädigen. Also l a ß ich’s erst mal so.
Die Überlegungen zur Form und meinem angeblichen Formalismus/Ästhetizismus beschäftigen mich weiter, nicht aus sozialen, d.h. Betriebs- und Akzeptanzgründen oder wegen >>>> solcher Magenau-ereien (und – ereierInnen), sondern weil ich mich frage, was der Rückgriff auf die alten Formen, die ja etwas Verbindliches waren, poetisch eigentlich bedeutet. Daß sie einem Text K r a f t geben, ist unmittelbar spürbar, nur wurden doch diese Formen zu Zeiten entwickelt, die mit der Gegenwart nicht mehr allzu viel zu tun haben; woher beziehen sie dann diese Kraft? Und wie ist sie wieder zu reaktivieren, wenn man die Form v e r l ä ß t, bzw. was m i c h interessiert, durch eine andere ersetzt? Alle „klassizistischen“ lyrischen Arbeiten, incl. Der BAMBERGER ELEGIEN, kommen mir momentan vor wie eine Vor-Arbeit, Zu-Arbeit auf dem Weg dahin. Poetologisch geht das der Entwicklungsbewegung der Prosa zum Kybernetischen Realismus parallel, der ebenfalls das Unternehmen war (und weiterhin ist), eine wirklich zeitgenössische Ästhetik zu entwickeln. Daß man der jetzt vorwirft, ein hermetischer Ästhetizismus zu sein, übersieht die offenen Bezüge in die Gegenwart; sie zu übersehen, setzt Blindheit voraus oder den W i l l e n, sie zu übersehen – dahinter steht der Wille, daß Gegenwart – d i e s e Gegenwart – nicht sei. UF las mir gestern am Abend zweidrei Sätze Döblins aus >>>> „Berge, Meere und Giganten“ vor; man halte Sätze derzeit favorisierter „realistischer“ Autoren dagegen, dann wird einem übel. (Döblin) wird Sie beunruhigen; er wird Ihre Träume beschweren; Sie werden zu schlucken haben; er wird Ihnen nicht schmecken; unverdaulich ist er, auch unbekömmlich. Den Leser wird er ändern. Wer sich selbst genügt, sei vor Döblin gewarnt. Das sagt Grass zu Recht über Döblin. Dagegen die heutigen sogenannten Nachfolger… – so viel Beruhigung, so viel N i c h t s -zu-schlucken-haben, soviel Unbeschwernis – soviel Geschmack! Ist hier >>>> allein die Sozialdemokratie-als-Ausweis, ist ein vermeintlicher Corps“geist“ die Legierung?
17.08 Uhr:
[Verdi, Requiem.]
Jetzt ist mir unversehens die Fabel der >>>> Stromboli-Dichtung klargeworden, und ich muß nur noch f o l g e n. Was gut läuft. Zwischendurch kam M. und tat den ersten Schritt, zwischen meinem maroden Laptop und dem Musikcomputer ein Netzwerk aufzubauen. Einseitig funktioniert der Zugriff sogar schon.