Arbeitsjournal. Montag, der 9. Juli 2007.

5.17 Uhr:
Bin einen Moment später dran, da drüben noch dringend die Küche zu machen war; ich war aus unerfindlichem Grund derart müde gestern abend, daß ich bereits um 22.30 Uhr schlafen ging, obwohl ich eigentlich den Profi noch hatte sehen wollen. Kann sein, daß dieses „unerfindlich“ von einer Verdrängungsleistung rührt, die Arbeitskraft auf die literarische Arbeit, nicht etwa auf die ökonomische Misere focussiert hält, und auf die Familie. Es fällt mir momentan schwer, selbst nahe Freunde anzurufen, die sich telefonisch meldeten; die werden, mit Recht, schon sauer sein. W a s ich kann, ist, ihnen zu schreiben, wenigstens kurze Nachrichten, daß ich wohlauf sei usw. Ansonsten blockiert mein Unbewußtes alles, was nicht ins Unmittelbare, also zur direkten Familie, und was nicht zur Arbeit gehört. Es wird heißen, daß dies auf bereits mittlere Sicht selbstschädigend ist; ich kann darauf nur antworten, das sei wahrscheinlich richtig; andererseits garantiert sich (nur?) so die Fertigstellung der laufenden poetischen Projekte. Der Vorwurf liegt natürlich auf der Hand: Du verdienst ja kein Geld damit. Aber das war, von der kurzen Phase bei Rowohlt abgesehen, eigentlich nie anders.
Bon, an die BAMBERGER ELEGIEN. Von >>>> Dielmann noch nichts Weiteres zu AEOLIA gehört, auch nicht von den Jesses. Also laß ich das Dingerl erst mal ruhen. Auch von Zenke, DLF, noch nichts gehört. Da müßte ich dringend anrufen, um Bescheid zu wissen wegen des Hörstücks. Anzurufen wäre auch beim WDR wegen der alten >>>> Marianne-Fritz-Arbeit, die da immer noch unproduziert herumliegt. Aber, wie gesagt, ich scheue derzeit Telefonate.
Heute morgen wird hier, obendrein, Unruhe sein; ein Handwerker kommt, um den defekten Wasserboiler auszutauschen, der, wenn ich dusche, immer wieder das Sicherheitsventil knallen läßt und dann in der Küche herumspritzt. (Ich drehe derzeit, wenn ich die Arbeitswohnung verlasse, sicherheitshalber immer den Haupthahn der Wasserzufuhr zu.)

6.11 Uhr:
Hab grad gesehen, daß noch alte Korrekturen der Elegien zu übertragen sind; das hole ich eben nach und stelle dann, soweit die Hexametrisierungen gediehen sind, einen entsprechenden neuen Ausdruck her, einfach, um alles auf Papier sicherzuhaben, und zwar je o h n e und m i t den rhythmischen Zuweisungen. Das wird später die Kontrolle erleichtern, auch die Entscheidungen, ob und wo ich dann jeweils um der Schönheit des Deutsc hen willen die Strenge lockern, vielleicht cuh diese Inseln einbauen werde, von denen ich bereits mehrfach sprach – dafür ist AEOLIA ja nun die beste Vorübung gewesen.

18.40 Uhr:
Nun ist auch meine geliebte Armbanduhr hinüber (ich war neulich mit ihr in einen Regen geraten, der wie ein dichter Wasserfall war und minutenlang so anhielt). So gehen die Dinge dahin, man merkt sie richtiggehend sterben – nach dem DAT-Recorder, dem guten CD-Spieler, dem Laptop, einigen Anzügen, soeben auch meiner Jeans… man merkt es, wenn man das Geld nicht hat, sie ersetzen oder reparieren zu lassen. Ich schau mir das an. Wie auch mein Telefon jetzt abgestellt worden ist, seit heute vormittag; aber man kann ja noch angerufen werden, und DSL funktioniert, weil eine Mäzenin es zahlt, weiter. Das i s t was. Und daß hier jetzt in der Arbeitswohnung tatsächlich ein neuer Boiler eingebaut ist, sogar die Armaturen in dem kleinen Duschbad funktionieren; wenn ich derzeit auch keinen Überblick habe, wie‘s um die Mietzahlung steht. Hab ja kein Konto mehr. Weiß nicht, wer wo was überwiesen hat. Hab auch keine Lust nachzuforschen. Aber eines meiner Bücher werd ich verpacken und der Hausverwaltung als Danke hinüberschicken. Jedenfalls beiß ich die Zähne zusammen, die auch noch nicht beim Zahnarzt gewesen sind und von sich aus mit den Schmerzattacken aufgehört haben; ich bin zäher als sie, das haben sie wohl gemerkt (ohne irgend ein Medikament, das macht s c h o n stolz: wahrscheinlich fühlen sich Fakire so). Witzigerweise fiel mir eben auf dem Fahrrad ein – es gab Zuhaus einen kurzen Baby-Alarm -, daß meine Haltung auch was von Hungerstreikern hat… nicht unterkriegen lassen. Zumal ist für Flucht, welcherart auch immer, überhaupt keine Luft; da ist zu vieles fertigzustellen: die AEOLIA-Endfassung sowie die Fassung (hoffentlich) für den Funk; die BAMBERGER ELEGIEN, ARGO, darüber hinaus die Herstellung einer Typoskriptlage Zweiter Hand für die Vor-Bücher THETIS und B.A., um von den ‚nebenher‘ entstehenden Gedichten mal zu schweigen. Die Frage ist einfach, wie lange man durchhält und wie viel, bis man kollabiert, zuwegegebracht ist. Immerhin, von dem maroden Zahn abgesehen, bin ich nach wie vor – ja, ich wähle das Wort mit Bedacht – strunzgesund.

Die Elegien streng durchzuhexametrisieren, ist ein harter, mindestens so zäher Prozeß, wie ich selbst als Person bin. Momentan rechne ich bei zwölf Stunden Arbeit täglich etwa eine Seite. Es mag aber sein, daß ich mich „steigere“, je mehr ich wieder hineinfinde. Indes bin ich mit den Fortschritten durchaus nicht unzufrieden.

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