5.29 Uhr:
…und ich brach dann, tief frustriert, ja angeödet von den Versen der BAMBERGER ELEGIEN, die Arbeit kurzerhand ab um halb sechs und ging mit der Geliebten, die angerufen hatte, und mit den Babies spazieren, die Einwände dauernd im Kopf drehend, die gegen die Hexametrisierung sich aufgelaufen hatten, das Wort „Zuchtrute“, dann, das „gerade“ Gegenteil: biedermeierlich, dann Oberländers „Wozu denn?“, das Wort „neokonservativ“ und meine eigene Empfindlichkeit gegenüber Gestelztem, nicht-Elegantem, nachts erreicht mich noch eine Mail, die den Prozeß (sehr schlüssig) psychologisch interpretierte – aber als ich dann, nach gemeinsamen Betrachten eines Spielfilms (>>>> The Good German, ob d e r gelungen ist, weiß ich auch nicht), in die Elegien sah, jetzt sogar die allererste Fassung der Ersten mit der Zweiten, die Dritte dann, immer alles nur anlesend, mit der Zweiten Fassung, schließlich der streng hexametrisierten Zeiten Fassung verglich, kam mir gerade diese s o schlecht nun auch wieder nicht vor. Dazu, auf dem Heimweg von der Videothek zurück, ein Anruf des Profis, der mir einmal mehr freundschaftlich den Kopf wusch… ich spräche immer von Feinden, und ob das nicht zu großem Teil nur eine self-fulfilling prophecy sei, die sich eben deshalb erfüllte, weil ich schon mit dieser Haltung in den Betrieb ginge, und wenn einer von anderen ständig sage, daß sie Arschlöcher seien, benähmen sie sich schließlich auch so – allein, weil sie das nerve… usw. – wieso ich eigentlich nicht bei Fragen wie den Elegien autark entschiede, weshalb ich mich so einließe auf Kritik, weshalb sie mich überhaupt so treffe, „laß die Leute doch reden, du machst d e i n Ding, es i s t deines, nicht das der anderen… und wieso, wann immer jemand was gegen deine Arbeit sagt oder schreibt, bist du auf Tage betroffen… warum hast du so wenig Selbstbewußtsein? – vernünftig übrigens, daß du die Arbeit vorhin hast fahren lassen…“ – Und um zehn etwa abends rief noch LH an, um mit mir über die Elegien zu sprechen, ich mochte aber nicht sprechen und würgte ihn – der Film lief gerade an – ziemlich brutal ab. Er war aber sehr engagiert, ja emotional hoch beteiligt, und brachte durchs Telefon noch den in mir ständig weiterrumorenden Satz an: „Ja, du arbeitest die Elegien formal jetzt perfekt aus, du formst sie, aber dahinter geht ihr Anliegen verloren.“ Was dieses Anliegen anbelangt, so wollte ich in der Nacht noch >>>> auf Terpsichore antworten, weil das genau in den Konnex gehört, aber ich war zu müde um zwölf und hab mir das auf gleich aufgespart… vielleicht krieg ich aber die Verve nicht mehr hin; es gehört in den modellierten Geruch, den meine Poetik mittlerweile normativ annimmt, d.h. der Geruch „schmeckt vor“, und sein „Sinn“ wendet sich mehr mehr als minder radikal gegen die Meinung, Kunst habe etwas mit ihrem Anliegen, also ihrem Inhalt, zu tun – insofern, als das Anliegen immer ein subjektiv-psychologisch fundiertes und keines der Kunst ist; als solches völlig berechtigt, selbstverständlich, wie das zu ihm gehörende „Gefühl“, aber nimmer ein Kriterium für gelungene Kunst. Ich beziehe da zunehmend die Position, die Kant für die Moral einnahm (gegen Schiller, also dieser gegen d e n): es muß etwas nicht-Subjektives geben, das Kunst definiert, sonst wäre Kunst ein Begriff völliger Beliebigkeiten.
Jedenfalls war’s gestern k e i n guter Tag, und ich verzichte drauf, den >>>> „Arbeitsfortschritt“ zu protokollieren. Er w a r, aber marode. Es wird, für die Elegien, nichts anderes übrig bleiben, als stur erst mal weiterzumachen, auch gegen die innere Unlust, die ich jetzt mit ihr habe – stur also weitermachen und dann, wenn die hexametrisierte Fassung vollständig ist, alle dann drei Fassungen noch einmal ausdrucken, die Seiten nebeneinanderlegen, sie vergleichen und aus ihnen dann d a s abschreiben, was klingt, was stimmt, was Wert hat – unabhängig von meinen eigenen moralischen oder sonstwelchen Intentionen.
Noch etwas, zum Pop, a u c h aus dem Gespräch mit dem Profi; er sagte: „Du reagierst wie traumatisiert“ und traf damit den Nagel n icht nur auf dem Kopf, sondern ihn-als-Ganzes schlug er ins Brett. „Mein Verhältnis zum Pop“, sagte ich, „entspricht dem Verhältnis Israels zu Richard Wagner“ – wobei das Bonmot wiederum nicht Inhalte meint (Schwere und Berechtigtsein der Traumatisierung , bewahre!), sondern eine strukturelle Identität: Pop war die Musik derer (Lehrer und Schüler gemeinsam), die den weichen weinerlichen Jungen, der ich zur Schulzeit gewesen bin, permanent und mit sadistischer Freude gequält haben. Ich werde die Verbindung von Lust an der tonal-sentimentalen Banalität des Pops und der Lust ihrer zur Masse verschweißten Hörer, Schwächere zu verhöhnen, nicht wieder los. Dagegen hilft auch die analytische Position >>>> Heinfeldners nicht, mit dem ich in Augsburg darüber diskutierte und der die Position vertrat, der Pop sei zum ersten Mal eine Kunstform, die nicht elitär, sondern allgemein sei, für jeden – die klingende Utopie von Gleichheit. Woran wohl was ist, nur daß ich eben auch an Gleichheit nicht glaube. Ich glaube an Geheimnisse, nicht ans Profane. – Und da ich schon mal bei dem Thema Musik b i n: Vielleicht fällt mir die Arbeit an den Elegien auch deshalb so schwer, vielleicht fällt es so schwer, diese Krise, in die sie nun geraten ist, durchzustehen, weil ich „meine“ Musik dabei nicht hören oder nur mit Mühen hören kann – da ja s i e den Rhythmus vorgibt, wenn man sich einläßt, da ja i h r Rhythmus einen über die Probleme hinwegträgt – jedenfalls bei Prosa; hier, im rhythmisierten Text, ist das anders. Da s t ö r t ihr Rhythmus den Text. Deshalb ist mir diese Form der Befreiung oder doch Milderung momentan versagt.
9.30 Uhr:
Jetzt bin ich wieder vollkommen drin! Wenn ich so weiterarbeite (muß allerdings für die Babies und ihre Impfung kurz unterbrechen), hab ich bis heute abend die Siebte fertig – und werd sie dann, anders als bislang, komplett und ohne die rhythmischen Auszeichnungen in Die Dschungel stellen – dann können Sie selbst lesen, ob die Einwände stimmen oder sich, was ich jetzt glaube, restlos zerblasen.
Es geht mir grad sehr gut. So schnell wie jetzt bin ich seit Wochen nicht vorangekommen! Zum Beispiel d a s, die letzten drei Verse sind völlig neu:
fragt es konkret – und für den Sohn? – und er legt die Pistole
auf einen Tisch, und du mußt dich entscheiden – sofort, will die Regnitz –
dann nur entscheidet es sich, wer du bist, und es täuscht nicht und lügt nicht.
Wahrheit liegt nur im Extremen, im Existentiellen. Woanders
fläzt sie sich breit im Behaupteten rum, und gerührt von der Rührung
rührt sie im Teig ihrer Anständigkeit, übersüßt sie und
18.03 Uhr:
Sò! Fertig. Jetzt gegenlesen, letzte Kontrolle, dann umformatieren und einstellen. (Und für den Hefter zweifach ausdrucken: einmal ohne die rhythmische Auszeichnung, einmal mit ihr). Danach geht’s heim.
Nur zum Duschen bin ich nicht gekommen und dürfte sehr nach Zigarre riechen. Ich hab sogar, nebenbei, noch ein Gedicht skizziert, da „Gerne altes Brot essen“ heißt. Das mach ich vielleicht heute nacht noch fertig – wenn ich schon einmal wieder so im Fluß bin.
Wahrheit Dieser Satz: „Wahrheit liegt nur im Extremen, im Existentiellen.“ in Verbindung mit der Kugel beschäftigt mich.
Was soll denn dabei an Wissen über das Existenzielle herauskommen? In Zwangslagen beherrschen uns entweder Herz oder Vertstand – oder beides und was davon überwiegt, muss nicht unbedingt als Ergebnis die Grundanlagen einer Person wiederspiegeln. Wenn die Zeit knapp ist, wird man entweder chaotisch oder überaus rational und ich denke, das wechselt in Abhängigkeit von Tages- und momentaner Grundverfassung.
Man könnte vielleicht ein eindeutigeres Ergebnis bekommen, wenn man ähnliche Situationen mehrfach durchleben muss. Nur käme dann zwangsläufig auch heraus, dass man etwas bereut, weil jede Entscheidung falsch gewesen wäre und handelt dann vielleicht vor diesem Hintergrund gegenläufig. Ob das dann etwas mit Erkennen von Grundanlagen eines Menschen zu tun hat, ob man daraus etwas Schlaues (ein grundlegendes Verhaltensmuster, grundlegende Charakterzüge) schlussfolgern könnte…? Ich bezweifle dies. Das geschieht vielleicht eher anhand von „normalen“ Entscheidungsfindungsprozessen, die nicht gleich mit Leben oder Tod zu tun haben, in mittelschweren Notsituationen (Verlust von Arbeitsplatz, Finanzen etc.).
Vielleicht haben Sie ja noch andere Bsp., die dies verdeutlichen könnten.
„Es kommt heraus, was wir s i n d“ – bedarf eben keiner weiteren Beispiele – weil herauskommt, was wir j e t z t sind, und nicht, was wir eventuell w ü r d e n, vorausgesetzt, wie hätten mehrere Chancen; meistens haben wir ja g a r keine. Und Sie sagen es selbst: „In Zwangslagen beherrschen uns entweder Herz oder Verstand“, wobei auch b e i d e s uns beherrschen könnte, oder, umgekehrt: wir beides w ä r e n – und vor allem: w a s es bedeutet, wenn einen das Herz (oder der Verstand) beherrscht. Die Herzen sind verschiedene, das ist es ja gerade, und manche reagieren unmittelbar feige, andere, von denen das oft niemand gedacht hätte, mit extremem, sogar aufopferndem Mut. Das meine ich ja genau mit dem, was einer sei. Auch der Verstand ist ein anderer; bei manchen, bei allen Korrupten, ist er gewiß zumindest pfiffig und auf die Selbsterhaltung angelegt; aber auch Widerstandskämpfer, die die eigene Existenz riskieren, sind deswegen nicht notgedrungenermaßen unintelligent; nur sind die Zentren ihrer Bedeutungen ganz anderswo gelagert, als sich ein durchschnittlicher Mensch das vorstellen kann.
Die Frage und die Aussage sind theoretisch allerdings kaum zu beantworten: Ich weiß von mir selbst n i c h t, wie ich im Hitlerregime reagiert hätte, ob ich denn Manns genug gewesen wäre, den jüdischen Nachbarn retten zu wollen und dann auch tatsächlich etwas für ihn zu unternehmen… keiner von uns, der nicht in der Situation war, kann das von sich wissen; er kann höchstens glauben. Aber herausgestellt h ä t t e es sich in der Situation – und eben n i c h t im nicht-extremen Alltag der mäßigen und mäßigenden Wohlstandsgesellschaft.
was ist so eine wahrheit wert, wenn sie für den erkenntnisgewinn nur bringt, dass wir aus zwangslagen und extremfällen nur momentane entscheidungsergebnisse ablesen können?
und wie langweilig fallen die antworten für den personenkreis aus, den ich von vorneherein in eine schublade verfrachtet habe?
ihrem bsp. mit der nazizeit stehe ich mit ähnlicher antwort gegenüber.
da ich täglich viel mit menschen und wechselnden menschengruppen zu tun habe, stelle ich immer wieder fest, dass wir im normalfall nur sehr grobmaschige raster als messgrundlage haben. wir lernen menschen grundsätzlich nur von ganz wenigen seiten kennen, und es geschehen kontinuierlich fehlinterpretationen mit unserer wahrnehmung vom menschen. erst wenn wir ihn in ganz verschiedenen situationen erlebt haben, gestatten wir ihm, seine (eigentlich unsere, ihm zugewiesene) schublade zu verlassen. insofern kann ich mit kategorisierungen von menschengruppen wenig anfangen (ausgenommen behördlichen instanzen, von denen ich immer mehr starre rollenspiele aufgrund politischer verquickungen sehe)
es kommt immer nur das heraus, was wir momentan sind– und was kann ich mit dieser erkenntnis anfangen, wo momentan ja schon vorbei ist, jetzt, wo ich dies ausspreche?
im übrigen bin ich der meinung, dass auch sehr viel wahrheit im nebensächlichen liegt, in dingen, die vom verstand weniger kontrolliert sind. (z.b. anhand dessen, wie jemand isst, läuft, seinen kaffee zubereitet, wie er mir die hand gibt, wie er lacht usw.)
„es kommt immer nur das heraus, was wir momentan sind- und was kann ich mit dieser erkenntnis anfangen, wo momentan ja schon vorbei ist, jetzt, wo ich dies ausspreche?“
– dass die Begegnung immer neu ist – vorrausgesetzt ich lasse sie neu zu.
(klingt mir sehr nach kitsch. Dass muss aber jetzt aufgrund meiner Müdigkeit ausreichen)
Ich halte Ihre Relativierungen für eine kluge, lebenskluge – Rationalisierung. Was mich im Rahmen dieser Elegie aber gar nicht interessiert. Mich interessiert einzig die Frage, ob jemand mich (und genau so ich jemanden) im Falle eines Falles verstecken würde. Oder ob ein Freund – diese Frage umkreist die übernächste, nämlich die Neunte Elegie – im Falle des Falles, daß man im Krankenhaus an Schläuchen liegt und Heilung unabsehbar ist, und der Heilung steht die Gefahr dauernden Siechtums deutlich entgegen, beherzt genug wäre, die Schläuche zu ziehen, gegen das Gesetz, gegen die Sozialität, viemehr allein deshalb, weil wir es einander, als wir beide hell lebenstauglich waren, in die Hand versprochen haben, uns in solchen Fällen die Würde zu erhalten. Da spielt es keine Rolle, mit welchen rührenden Gesten jemand seinen Kaffee trinkt… oder mit welcherart Charme sie und/oder er aufzublicken vermögen. Um es polemisch anzuspitzen: Mich interessiert der Vulkan, nicht ob das Badewasser gut temperiert ist.
das war ganz wunderbar ausgedrückt
relativierung und kontext ja, ich gestehe- ich las den satz gar nicht groß im kontext. er sprang mir einfach als unumstößliche, endgültige wahrheit ins gesicht.
vor ihrem hintergrund, mit ihrem kontext, bin ich vollkommen ihrer meinung.
@menschmaschine: klingt richtig, was sie da sagen.
ein extremfall kann ich schildern, der wenn man so will eine menge mit Wahrheit und Klarheit zu tun hat.
1992 befahl der damalige Befehlsinhaber der Tito Kaserne in Sarajevo, Karadzic auf die Demonstranten zu schiessen die für ein gemeinsames Bosnien demonstrierten.
Ein paar serbische Soldaten weigerten sich zu schiessen und wurden ihrerseits erschossen.
Das ist die Wahrheit in extremsituationen , aber erkennen was Wahrheit ist
kann einem manchmal das Leben rauben, aber vielleicht lohnt es sich, zumindestens für die, die Überleben und sich an solche Menschen erinnern.
Und so: ist man beim wahren Pathos angelangt. Der eben nicht fiktiv, der eben nicht erdacht und herbeigezwungen wurde, sondern der in diesem Moment absolut wahr ist und erscheint, sich nicht um Glaubhaftigkeit und psychologische Begründung schert.
letztlich, lieber herbst … sind Sie nicht immer
nur ein toller dichter,
sondern oft ein
brillanter philosoph!
Nein, Rostschleifer. Ein Philosoph bin ich ganz sicher nicht, da mir die Distanz zur Welt fehlt, ich vielmehr immer mitten in ihr drin sein will und dafür auch einiges unternehme. Dem Philisophen steht der Vitalist, der gerne ißt und liebt, strikt entgegen.
Sumuze, die Pickel und ein Phallus, der quakt. Die Diskussion wird, sah ich eben, >>>> auch hier geführt, unter anderem mit >>>> sumuze, auf deren Einlassungen ich >>>> hier repliziert habe. Eigenartig ist dabei freilich der persönlich diffamierende Unterton, den sumuze, ich weiß nicht warum, anschlägt, diese Mischung aus Abwehr und Beleidigung: „phallisches Gequake“. Ich s a h einfach noch nie, geschweige daß ich ihn hörte, einen quakenden Phallus. Man bekommt bei solchen Formulierungen ganz andere Ahnungen, als sumuze sie hat; fast möchte man, in psychoanalytischem Sinn, von einer >>>> Gegenübertragung sprechen.
Und hat dieser Satz nicht viel zu tun mit Ehrlichkeit. Dass sozusagen dass Wahre gezeigt wir durch ehrliches Handeln – „und es täuscht nicht und lügt nicht“. Dass eben in solch existentieller Situation sich nicht geschert wird um den Anzug, oder den Gesichtsausdruck ob diese sitzen, oder die Moral (besser hier das Wort: Anstand, wie auch verwendet), mein Ansehen usw usf.
Und in dem Wort Ehrlichkeit steckt der Begriff Ehre.
Und eben an diesen muss ich denken, wenn ich mir Beispiele solcher Situation vorstellen will – Ich muss denken an „Braveheart“, an „Hero“.
Diese Aussage von ANH, um die es hier geht, ist Bestandteil eines Gesamtkontextes… nämlich dem der Bamberger Elegien, denn in diesen steht er geschrieben!. Wenn man den Entstehungsprozeß der Bamberger Elegien von Beginn an mitverfolgt hat, dann weiß man auch um den Inhalt dieser Aussage.
… das was hier im Augenblick stattfindet, ist ein dem der jeweils eigenen Vorstellung entstammender sprachlich subjektiv produzierter neuer Sinnzusammenhang, dieser erzeugt in der Realität des anderen eine neue ganz andere eigene Vorstellung, die wiederum eigene Strukturen und Interessen zur Grundlage hat. Ganz einfach ausgedrückt: mit dieser Art zu diskutieren kommt man vom Hund auf den Schwanz, wiewohl der Hund noch nicht einmal das Tier ist. Damit meine ich definitiv nicht ANH’s Reaktionen.
Das ist richtig. Nun hat sich dieser Schwanz aber schon abgetrennt, ist zum Zitat geworden, auch in anderen Umgebungen (-mehrschichtig) und wird jetzt an sich betrachtet.
Dies hat nichts mehr mit den BE zu tun und ich gebe zu: dieser Ort ist der falsche, um den Schwanz an sich zu betrachten.
(Wobei ich bei Schwanz an die quakenden Phallusse denken muss und der Kreis ist geschlossen)
Schwänze. Es ist eine der Eigenheiten und Funtkionsweisen solcher Sätze, sich abzulösen und in anderen Zusammenhängen weiterzuwirken, in jedem Fall zu – wirken. Wobei sie des weiteren die Eigenheit haben, wie Zerrspiegel zu sein, in denen man sich – oder einen Teil von sich – verfremdet wiedersieht; aus dem Bild, da es bestimmte Eigenheiten überhöht (um im Bild zu bleiben: je nachdem, wo der Spiegel gestaucht oder gestreckt ist), reflektieren sich dann ganz andere „Wahrheiten“ oder solche, die mit der des Spiegels nur verwandt sind. Das ist alles nicht schlimm, insofern die Quelle bekannt bleibt, dort läßt sich der ursprüngliche Kontext ja wieder zusammensetzen. Und möglicherweise war die „ursprüngliche“ „Wahrheit“, ein Stimulans, eine den anderen „Wahrheiten“, die sich ergaben, nur nachgeordnete – oder in der Differenz zwischen diesen und jener findet sich eine „eigentliche“ Wahrheit… – wie nun auch immer, der Satz ist d a und bleibt, und zwar auch dann, wenn man ihn nicht mag. Ich kann mir kaum eine wirkkräftigere Struktur eines Satzes vorstellen. Wenn einem so etwas gelingt, dann i s t das schon was, zumal in einem derart komplexen Gefüge wie dem dieser ja eigentlich Trauer-Elegien, die obendrein formal höchst unmodern sind.
zerrspiegel- eigenleben von sätzen das ist auch ein thema, das ich spannend finde.
und sie haben recht damit, dass ein werk (und dessen wert) als ganzes nicht verloren geht, wenn man sein augenmerk zeitweise nur auf eine stelle richtet. es ist ja so, wie bei allen erscheinungen, man unternimmt eine augenreise, eine wahrnehmungsselektion, je nach befindlichkeit. mal klopft man es in einzelheiten ab, mal versucht man sich dem in komplexeren zusammenhängen zu nähern. im endeffekt geht es immer um erkennen, genießen, nachempfinden- oft in einer mischung aus alldem.
ich bin froh über diese diskussion, die zu einem erkenntniszuwachs verhilft. *dankbarkeitandiesensatzzollend* 😉
@svarupa: Widerspruch „Wenn man den Entstehungsprozeß der Bamberger Elegien von Beginn an mitverfolgt hat, dann weiß man auch um den Inhalt dieser Aussage. „
Auch wenn ich das gesamte Konstrukt betrachte, assoziiere ich andere Dinge als Du oder der Autor assoziiert haben will. Es ist immer eine Begegnung von mir als Subjekt, auch mit dem Gesamten.
Auch in der Begegnung mit dem Gesamtkonstrukt ensteht ein „sprachlich subjektiv produzierter neuer Sinnzusammenhang“, weil ich eben ich ist.
Selbstverständlich bin ich dem Inhalt näher, wenn ich den Satz im Zusammenhang betrachte, doch ihn ganz erfassen, so erfasssen, wie er gemeint ist, in WAHR-zunehmen ist unmöglich, meine ich.
Um das ganze ins Kleine zu setzen:
Wenn ich aus einem Satz ein Wort, einen Begriff herausnehme, z.B. „Hund“, mache ich mir eine vorstellung von ihm; ich denke gerade an einen Boxer, mit weißem Fell usw. usf.
Der Satz lautet jetzt aber: „Der Hund, ein stattlicher Dobermann, der …“
Jetzt habe ich den Zusammenhang, ich stelle mir einen Dobermann vor und dennoch: dieser Dobermann wird anders aussehen, als ihn der Autor gesehen hat, oder Du ihn siehst.
Jetzt bin ich zwar nicht mehr vom Dobermann auf den Boxer gekommen, aber trotzdem vom Dobermann auf meinen Dobermannn.
Ich meine der Autor kann froh sein, dass ich überhaupt auf den Hund gekommen bin und nicht auf meinen Arbeitskollegen, diesen miesen Hund.
@Menschmaschine:
Ihr eben subjektives Erkennen läßt Sie meine beiden geschriebenen Ansätze mit unterschiedlichen Inhalten direkt zu einander in Bezug setzen, was Ihr subjektives Recht in Bezug auf diesen subjektiven Tatbestand ist. Ich bin nicht dazu bereit, mit jemandem, der hier an diesem Ort anonym kommentiert, eine neuerliche Diskussion, mit wiederum anderem Inhalt zu führen. Sie können mir gern eine Mail schreiben, die Adresse finden Sie in meinem WebLog.