B.L.’s 28.7. – Man soll auch Vergangenheit hervorbringen können

19.51
Immer noch verfolgen ihn (B.L. schreibt heute über mich) die LitLinks, dieser Riesenkatalog von Links zu Online-Texten der deutschsprachigen und der ins Deutsche übersetzten Literatur. Neun Jahre sammelte er für diese Internet-Bibliographie, ab 1998. Etwas völlig Neues im Internet, noch nicht dagewesen, verdienstvoll und alles, was Sie wollen. [LINK] Er machte das neben seiner Arbeit, so wie ich heute lieber nebenbei lese, statt wie er Links zu sammeln. Kann sein, daß auch er heute lieber nebenbei liest. Bis er endlich merkte, daß sich das vernünftigerweise allein nicht fortführen läßt. Immer häufiger lähmten ihn neue und umfangreiche Textsammlungen, die bibliographieren gewesen wären. Und steckte er in der Arbeit, war schon eine neue da. Eine Sisyphusarbeit, die überhaupt nicht mehr befriedigte. Es einfach so unbearbeitet stehenzulassen, mochte redlicher Weise auch nicht. Kurz: nach dem Herausnehmen der LitLinks aus dem Netz hagelte es Anfragen, ob man es weiterführen dürfe. Die letzte kam gestern aus Budapest. Aber mittlerweile geht es ihm so, daß er die LitLinks wie ich meine Ehe als etwas Vergangenes ansieht, mit dem er nicht mehr zu tun haben will. Acqua passata, wie man auf Italienisch sagt. Der Herr aus Budapest wird wahrscheinlich einst alles kopiert haben, denn er wolle es in seine Seiten einbinden und „bearbeiten“ bzw. „weiterpflegen“. Nee, sagt er sich da, die Leute sind alle etwas blauäugig und wissen nicht, was das heißt, die LitLinks zu bearbeiten. Das weiß im Grunde nur er. Er hatte ja immer gehofft, da würde mal ein Geldangebot kommen, Bereitstellung von Mitarbeitern für diesen Riesenkatalog, aber nein. Noch heute denkt er, wenn ihm einer ein entsprechendes Gehalt anbietet, würde er das hauptberuflich wieder aufnehmen. Aber nur so. Er will, wie er sagt, ja auch leben und dichten und trachten. Er wird wohl dem Herrn aus Budapest nicht antworten, wie schon im Mai nicht dem Herrn aus Österreich. Es rührt ihn vielleicht ein bißchen. Aber fern als Selbstbemitleidung. Er hatte ja nur den Schluß aus einer realistischen Einschätzung gezogen. Und ein bißchen Bauchkitzelei schadet ihm mitnichten, drum schreibe ich ja auch all dies zu den defunkten LitLinks. Da kann er wieder wohlig seufzen und sagen: Das habt ihr nun davon! Seht zu, wie ihr ohne mich zurecht kommt! Möglich, daß er dann glaubt, es denen mal wieder gezeigt zu haben. Man soll auch Vergangenheit hervorbringen können.

5 thoughts on “B.L.’s 28.7. – Man soll auch Vergangenheit hervorbringen können

  1. So muss ich denn einigermaßen beschämt gestehen, dass ich von der Existenz dieser ‚LitLinks‘ erst jetzt erfahre…Das hab ich jetzt davon! Übermitteln Sie Herrn Schulze meine Hochachtung, dass er diese ‚Kärrnerarbeit‘ überhaupt so lange geleistet hat! Sie zählt seit 10 Minuten zu meinen ‚Favoriten‘!

  2. Addio del passato? Und alles was übrigbleibt, soll ein kleines Bauchkitzeln sein? So viel Arbeit, so viel Herzblut. Es muss doch eine Lösung geben. Den Zugang kostenpflichtig machen, davon Leute bezahlen? Oder bei Anfrage von denen, die verlinkt werden wollen? Oder die Rechte behalten und es freigeben zur Weiterführung? Natürlich ist das ein Riesenbaby. Aber im Unterschied zu anderen Angeboten ist dieses hier eines mit großer Nachfrage. Ist die realistische Einschätzung wirklich so negativ?

    überlegt und denkt nach
    Terpsichore

    1. Sì, addio al passato. Er erlebte damals die Trennung von den LitLinks wie eine Generalprobe zur anderen. Darum steckt auch eine emotive Komponente dahinter. Und darum müßte schon wirklich viel Zeit vergehen, um da wieder Überlegungen anzustellen. Psychologisch ist er jetzt dazu nicht in der Lage.

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