B.L.’s 29.7. – begraben

18.40
An mir herunterschauen mag ich jetzt im Moment gar nicht: ich war nach der Dusche gezwungen, mir ein kurzes buntes Strandhöschen anzuziehen, weil die andere vom Übersetzen doch etwas schweißfeucht am Bund geworden war, die dunkelgraue mit den wadenhoch gekrempelten Beinen. So daß ich mir jetzt ein bißchen albern vorkomme. Ein Foto werde ich davon nicht einstellen. Überhaupt sollte ich mal wieder ein paar Sachen per Hand waschen: der Vorrat an Sauberem schwindet. Abgesehen von aller Selbstbeobachtung, stelle ich fest, daß meine Kontakte nach auf einmal unbeschwerter sind, weil ich mich in meiner neuen Situation unbefangener sehen kann, ohne daß ein fremd-vorgefaßtes Bild dasjenige überlagert, daß ich eigentlich von mir habe oder hätte haben sollen (il porto sepolto [Ungaretti] – der begrabene Hafen). Und das ein ganz anderes ist. Das sich langsam herausschält. Immer dachte ich – schon vor der Ehe -, Eigenliebe sei etwas mir Fremdes. Mir war damals in Berlin dieses bei Proust oft verwendete Wort aufgefallen, und da stieß ich auch erstmals auf diesen meinen Zweifel, hatte ihn zuvor eben nicht benennen können. Ich bin dabei, mich von einem Trauma zu erholen. Aber auch daß hat seine Ursprünge vor der Ehe. Die Ehe war nur eine verkappte Fortsetzung dieses Traumas. Ich meine den Tod meiner Mutter, als ich 19 war, und den ich nie wirklich verarbeitet habe. Ich bin sicher, meine Frau war die letzte Fortsetzung dieser Narbe. Mein unbewußter Versuch, doch noch die Mutter retten zu können. Da war nur konsequent, daß ich wie ein gescholtener Sohn endete, der immer zurechtgewiesen werden mußte, der nicht so handelte, wie er gesollt hätte. Die Zutaten sind alle da. Nun hat der Sohn endlich das Elternhaus verlassen und steht auf eigenen Füßen. Oder wie ich zu D. sagte, weil mir der Gedanke gerade durch den Kopf schoß: Jetzt habe ich endlich meine Mutter begraben.

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