19.00
Vorhin klingelte es an der Tür, aber bevor ich antworte und eventuell aufmache (den Zeugen Jehovas aber nicht), muß ich mir derzeit immer erst den Oberkörper bedecken, also vergehen einige Sekunden. Als ich dann fragte nach dem „Wer“, kam schon keine Antwort mehr. Durch die Ritzen des Rollos vorm Schlafzimmerfenster, das auf die Straße geht, sah ich nur zwei alte Herren die Straße entlang gehen, kurz jemanden vorm nächsten Haus grüßend. Kann auch sein, sie haben sich in der Klingel geirrt. Denn wenn’s Ortsansässige sind, kann das nur heißen: Irgendein Rundgang, um zu irgendeinem Gemeinschaftsessen einzuladen (wie’s zuvor immer zum hl. Antonius (nicht der von Padua, sondern Sant’Antonio Abbate, der für die Tiere zuständig ist und wohl auch manchmal ein Schwein im Arm hält, und somit auch für die Schlachtereien im Januar/Februar) geschah: Die Männer („Familienväter“, nannten sie’s) bei einem Essen unter sich). Oder es ging um sonst irgend etwas halb Klerikal-, halb Soziales. Gewartet haben sie jedenfalls nicht. Nun sitz’ ich hier und fürchte, sie könnten noch mal klingeln. Das T-Shirt habe ich anbehalten, aber es ist mir unangenehm. Drum hab’ ich’s zur Brust hochgekrempelt. Ansonsten der übliche Tag mit Ausflug zum Supermarkt. Habe aber dabei doch auch endlich meinen „Gesundheitsausweis“ aktualisieren lassen. Mit Porto Recanati wird nun bis nach Mitte September nichts. Sie, D., muß sich um den alten Vater kümmern, weil die dafür angestellte Rumänin (bei meinem Schwiegervater war’s damals eine Ukrainerin (woraus man sieht, woher hier solche Hilfskräfte kommen, auch hier im Ort bemerkte ich viel slawisches Sprechen, und alles immer Frauen, möglicherweise sogar ausgebildete Krankenschwestern, die Ukrainerin jedenfalls war’s)) ihren Urlaub antritt. Und habe weitergemacht mit dem Zusammenstellen der italienischen Texte. Und bin dabei wieder voll im Ablauf der letzten beiden Jahre. All die „möcht’ ich aber kann nich’“. Ein bißchen auch im Hinblick auf die Poesieveranstaltung, um vielleicht noch anderes vorlesen zu können, falls ich es schaff’, mich da vorn hinzustellen. Aber einmal hab ich’s doch schon geschafft. Vor Jahren im römischen Viertel San Lorenzo. Merkwürdig schon, wie die Leute schweigen, wenn man etwas vorliest, man ist so plötzlich ganz auf sich gestellt und folgt einem inneren Ohr. Ungewohnt dennoch das alles. Aber genauso ging’s mir eigentlich, als ich anfing, Gruppen von Angestellten im Deutschen zu unterrichten, einst, in Rom. Damals half mir der Trick mit der Krawatte. Sonst trage ich ja nun wirklich keine. Und seitdem auch nicht wieder. (Halt doch, einmal, wir waren zu Silvester allein, da band ich mir eine um, zum Spaß: das fand sie gut, sie aber nun im Ernst.)