Arbeitsjournal. Donnerstag, der 16. August 2007. Auf Usedom.

4.57 Uhr:
[Waldschloß Parow, Aufenthaltsraum.]
Ich habe den Netzwerkschlüssel bekommen, kann nun also ohne Mobilchen ins Netz. Was fein ist, da sich nun auf die diversen Netz-Lexika zugreifen läßt und die Ladezeiten signifikant kürzer sind. An der Arbeit hinderte mich anders aber auch nichts, die für die kleinen Ferien bestimmten Arbeitszeiten von etwa drei Stunden morgens genügen; sie genügen, um mir ein gutes Grundgefühl zu schenken und im übrigen ganz für die Familie dasein zu können. Man geht hier früh zu Bett, da auch die Restaurants und Kneipen meist gegen 22 Uhr schließen; ab 23 Uhr schlafe ich, wie die Lieben auch; insofern brauche ich auch den Mittagsschlaf gar nicht; aber ich döse ja eh meist am Strand ein wenig herum, wenn ich nicht gerade, wie gestern, mit dem Jungen und seinen Freundinnen und Freunden einen Vulkan baue:


Unser kleine Stromboli an der Ostsee. Man erkennt auf dem dritten Bild sehr schön die Sciara del fuoco, die mein Sohn angelegt hat, und auf dem dritten und vierten Bild den rauchenden Krater. Die grüne Algenfläche stellt den Ort Stromboli dar, farbverschoben also; real ist er weiß. Das werden wir beim nächsten Vulkanbau mit Muscheln nachstellen.

Im übrigen lese ich im Calasso, mit größerem Genuß als das erste Mal, weil die Namen und antiken Zusammenhänge mir nun nicht nur deutlich werden, sondern ich sie mir nahezu spielerisch merken kann. Ariadne, Tochter der Pasiphae und des Minos, der weiße. bildschöne Stier, in den sich Pasiphae so verliebt, den sie so sehr begehrt, daß sie sich ein Gerüst in Gestalt einer Kuh bauen und auf die Weide schieben läßt, schließlich den Minotaurus gebärend, dem der technische Erfinder der Antike, Ikarus, eine ganz eigene Weide, das Labyrinth nämlich, bauen läßt; die verschiedenen, einander kreuzenden Formen des Verrates dann, Pasiphaes an Minos, Ariadnes am Halbbruder, Theseus‘ an Ariadne, die zuvor von Dionysos verraten wurde, den sie ihrerseits verrät, um dann später von ihm abermals verraten zu sein; ich notierte dazu, selber diesen Zusammenhang eigentlich jetzt erst begreifend, >>>> das. Überraschend wiederum Heras extreme, auf Zeus fixierte erotische Sinnlichkeit, deren Folge logischerweise die Eifersucht ist, die von dieser Göttin fast ausschließlich im Bewußtsein blieb und zu ihrem karikaturartigen Weiterleben in der Nachwelt führte; d a s spricht eine ganz andere Sprache:

Das Bett war für Hera der Ursprungsort, der Bezirk der erotischen Hingabe. In ihrem erhabensten Heiligtum, dem Heraion bei Argos, war auf einer Votivtafel zu sehen, wie Heras Mund sich liebevoll um Zeus‘ erigierten Phallus* schließt. Ein ähnliches Bild hatte keine der Göttinnen, selbst Aphrodite nicht, in ihren Heiligtümern zugelassen.

>>>> Calasso.

[*) Ein Übersetzungsfehler, wahrscheinlich;
denn „erigierter Phallus“ ist ein „weißer Schimmel“.]


Überraschend auch meine innere Ruhe hier, meine Gelassenheit. Nichts drängt. Mit der elften Elegie komme ich langsam zwar, aber voran; und das genügt mir momentan.

Heut wird’s der Regentag, scheint’s, werden, der schon für gestern angekündigt war und sich über den Wind angekündigt hatte; doch wechselte das Wetter wieder am Morgen und wechselte mehrmals über den Tag die Bewölkung, mitunter innerhalb von Minuten. Vielleicht wird’s ja eine Überraschung geben; falls nicht, wird gespielt und gelesen.

>>>> Christian Filips schrieb mir zur AEOLIA und zu den Elegien, zu letztren eher Kritisches, aber auch zu jener ein paar Bedenken poetologischer Natur. Ich will den Briefwechsel „aufbereiten“ und dann später in Die Dschungel einstellen.

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