Ist der Islam aus sich heraus zu einer Aufklärung fähig? fragt heute der Leitartikler einer führenden Tageszeitung in Deutschland. Dem Mann fehlen Geschichtskenntnisse, die vor dem 18.Jahrhundert liegen und die seine eurozentrische, interessengeleitete Arroganz relativieren würden. Denn bevor die Türken Byzanz einnahmen und bevor eine ständische Saubande von Spaniern die Mauren aus Granada vertrieb, gab es lange schon eine arabisch-islamische Aufklärung. Und es ist doch eher von aktuellem Interesse, meine ich, zu hinterfragen, warum sie sich in den islamischen Gesellschaften nicht stabil hat verankern können? Welche Kräfte rangen Maimonides, Avicenna und Averrhoes nieder? Warum kann der Geist des >>>Alten vom Berg, und seine Assasinen heute fröhliche Urständ feiern ? Diese Fragen verlangen schon deshalb eine Antwort, weil die Ergebnisse europäischer Aufklärung heutzutage mir ähnlich gefährdet wie die Resultate islamischer Aufklärung erscheinen, die vor Jahrhunderten im Orkus der Geschichte landeten.
Freitag ist Bade- und Lesetag! Auf dem Programm stehen 4 Stunden Sauna und die Lektüre von >>>Michel Serres „ Die 5 Sinne“. Am Samstag, während Sie wandern geht, treffe ich mich mit meiner litauischen Bekannten, um mit ihr auf den Spuren Roms in Trier zu wandeln. Einen Abstecher in den Rheingau habe ich auch vorgesehen und so wird der Tag mit einem Riesling enden. Ich hoffe, er wird ihr schmecken. Die 5 Sinne werden an diesem Wochenende nicht zu kurz kommen. Vom Sonntag war hier schon die Rede.
Ihr Einwand ist völlig berechtigt Doch Moshe ben Maimon (aka Maimonides) war einer der grössten jüdischen Gelehrten. Ob er zu einer islamischen Aufklärung beigetragen hat?
Hockte Maimonides eng in seiner Religion, hätte er diese Austrahlung auf die arabische und europäische Welt nicht gehabt . Er ist eben, weil er über seine eigenen Grenzen hinausdenken konnte ein Teil der arabisch-islamischen, nicht nur der jüdischen, Philosophiegeschichte. Ebenso war sein Einfluss auf europäisches Denken immens.
Das überrascht mich Immerhin wurde er mitsamt seiner Gemeinde unter Todesandrohung zur (sehr vorübergehenden) Konversion zum Islam gezwungen. Freundschaftliche Verhältnisse sind da nicht zu erwarten. Wenn Sie Beispiele oder Belege hätten, würde mich das sehr interessieren.
Dass der Einfluss auf das europäische Denken so gross war, liegt wohl an der Art des theologischen Diskurses, den er einführte. Aber bis dieser Einfluss wirken konnte, brauchte es in Europa auch bis Thomas v. Aquin, also einen starken eigenständigen Denker, der seinerseits die Grenzen seines Patios überschritt.
Ich bin in der Geschichte des Islam nicht bewandert; aber vielleicht hat es dort jene Aufnahmebereiten gegeben? Also gewissermassen Aufnahme und Einverleibung eines anderswo zuvor Durchdachten und Diskutierten. Wirklicher, dauerhafter Einfluss geht wohl nur von solchen Persönlichkeiten aus…
Paul hat sich zeitlich verritten, die arabisch-islamische Aufklärung war ungefähr im 10./ 11. Jahrhundert, also zu einem Zeitpunkt an dem Avicenna, Averrhoes und Maimonides noch nicht gelebt haben. Sein Gedanke bleibt trotzdem richtig. Auch die Aussage, dass Maimonides erhebliche Einflüsse aus der arabisch-islamischen Welt empfing und an seine Glaubensbrüder weitergab, hat an Bedeutung nicht verloren. Europa ist eh klar, denken wir nur einmal an Mendelsohn. Im Heft 73 der Zeitschrift „Lettre“ kann man mehr über die islamische „Aufklärung“ erfahren. *
Was Maimonides betrifft erlaube ich mir, ich bin in Eile, aus dem Netz zu zitieren:
Die Begegnung zwischen Islam, Christentum und Judentum fand in dieser Zeit vornehmlich im damals weitgehend von den Arabern beherrschten Spanien statt. Die Vermittlung antiker griechischer Philosophie (Platon und vor allem Aristoteles) ins christliche mittelalterliche Abendland geschah von dort aus über den Islam. Die islamischen Gelehrten waren die ersten, die sich mit dieser Philosophie wieder ernsthaft befaßten und deren Hauptwerke ins Arabische übersetzten. Auch die im 10. Jh. aufkommende mittelalterliche jüdische Religionsphilosophie war sehr stark von der islamischen Religionsphilosophie und deren hellenistischen Wurzeln beeinflußt. Dies trifft natürlich nur für das sefardische (in Spanien ansässige) Judentum zu, das arabischen Kultureinflüssen ausgesetzt war. Im aschkenasischen (vornehmlich in Deutschland und Osteuropa ansässigen) Judentum übte der Islam so gut wie keinen Einfluß aus. Der bedeutendste jüdische Gelehrte und Philosoph, Moses Maimonides (Cordoba 1135-1204 Kairo), lebte im zwölften Jahrhundert. Als Philosoph beruft er sich ausdrücklich nicht nur auf Aristoteles, sondern auch auf islamische Aristoteliker (so z.B. Alfarabi und Ibn Roschd), denen er großen Respekt zollt. Wie alle anderen sefardischen jüdischen Gelehrten jener Zeit, schrieb Maimonides die meisten seiner Werke auf Arabisch. Bei dem gegenseitigen Einfluß auf dem Gebiet der Religionsphilosophie spielt eine besondere Rolle, daß Judentum, Christentum und Islam trotz zahlreicher unüberbrückbarer Differenzen gewisse religionsphilosophische Fragestellungen gemeinsam haben: so z.B. die Frage der Existenz Gottes, der Schöpfung aus dem Nichts, der Prophetie u.a.m. Die Antworten, die beispielsweise ein islamischer Gelehrter, sich des aristotelischen philosophischen Rüstzeugs bedienend, auf diese Grundsatzfragen fand, konnten dann auch von jüdischen oder christlichen Gelehrten übernommen werden
* Abdelwahab Meddeb: Islam und Aufklärung, Theologen und Philosophen im Widerstreit um Tradition und Moderne. In Lettre 73, Seite 17
Der Koran als Mythos. Lettre 73, Seite 21
Danke vor allem für den Hinweis auf Lettre.