5.15 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Um kurz nach halb fünf gut hochgekommen, hier herübergeradelt, den latte macchiato bereitet usw. Mit etwas Glück und Inspiration (in Geist kondensierter Arbeitskraft, aber doch auch >>>> Lan an Sìdhe zur Seite) bekomme ich heute die Elfte Elegie fertig, so daß ich die mir heikle Vater-Elegie wiederaufnehmen kann. Es ist weiters mein >>>> Brief an Yves Perrine zu schreiben und für die frz. Übersetzung an Prunier zu schicken, der, wie ich gestern nacht noch sah, >>>> eine erste frz. Version von >>>> „Ostsee“ eingestellt hat; die Verschiebung von Geschlecht nach Bedeutung (der See/die See) sei, schrieb er mir in einer Email, sei nur im Deutschen möglich. Dann will ich endlich die erste Interviewfrage Harry Oberländers beantworten, wieso ich nunmehr bei der Lyrik gelandet sei. Und ich muß mich um meinen DSL-Anschluß kümmern. Es geht wirklich nicht an, daß ich hier in der Arbeitswohnung permanent auf dem Mobilchen qua GPRS herumrödele.
Guten Morgen.
18.32 Uhr:
Dieser Beruf hat manchmal etwas irre-Verzweifeltes. Man erfährt von wichtigen Büchern, die nun makuliert werden sollen, kämpft um eine Lösung, mag dem Verlag auch keinen Vorwurf machen, denn er hat sie ja lange und gegen ökonomische Erwägungen in der Backlist gehalten, aber sucht eben doch nach Abwenden, nach Drehung, kämpft noch einmal um die Erhaltung eines Kindes, das längst selbständig sein sollte… und während man allesdies tut, schreibt man bereits ein neues Buch und bereitet die neue Herausgabe eines anderen, schon fertigen vor… Das läßt sich wirklich nur mit einer gehörigen Portion Realitätsleugnung durchhalten. Dazu der tägliche Schuldenkram, sonstiger Ärger mit DSL-Anbietern usw. usw. – nein, keine Entschuldigung, aber richtig vorangekommen bin ich mit der elften Elegie heute nicht – eine Drittelseite fehlt noch bis zum Ende; von den „richtigen“ Einfällen, der passenden Formulierung blieb ich heute, derart abgelenkt, auch insgesamt gemieden. Und bin also g a r nicht zufrieden.
lachen ich lache ja, wenn
Sie einer der großen
französischen dichter
werden.
ich würde ja lachen,
wenn Sie in jahren
einer der großen
französischen Dichter
geworden sein wären.
verzeihen Sie mir
diese spielerei!
*g*
guten morgen!
@rostschleifer. Kein Grund, böse zu sein; ich hatte selbst einmal ähnliche Gedanken.
Aber man sollte sich nicht täuschen: das BetriebsNetz ist längst internationalisiert und sehr eng. So wurde etwa eine Übersetzung von MEERE, woran Gallimard (!) Interesse gezeigt hatte, aufgrund einer deutschen Intervention verhindert; jedenfalls gibt es dafür starke Indizien, und die haben überhaupt nichts mit dem Prozeß zu tun. Vielmehr werden Übersetzungen oft institutionell gefördert, und solche Institutionen haben Juroren, die mit denen auffällig identisch sind, die für die z.B. feuilletonistische Distribution verantwortlich sind – Sie stoßen immer wieder auf dieselben Namen. Zudem sind die Träger dieser Namen einander meistens persönlich ausgesprochen bekannt. Von solchen Hintergründen macht sich ein „normaler“ Leser kaum einen Begriff – und sollte er auch nicht; es nähme ihm sonst einige Freude.
Letztlich hat dies alles – brächte es einen nicht immer wieder in ökonomische Krisen – auch etwas Komisches – wenn man nämlich bedenkt, welchen Bedeutungsverlust die Literatur längst erfahren hat. Sie mag das freilich nicht wahrhaben – ich selbst schreibe schließlich immer noch Bücher. Rein marktwirtschaftlich betrachtet, ist das ein Verhalten, das von völliger Weltfremdheit zeugt.
Weltfremdheit? Nein, Weltfremdheit nun ganz bestimmt nicht. Sie fremdeln ja nicht, ganz im Gegenteil. Weltverlorenheit vielleicht.
Ja, eigene Werke geramscht zu kriegen, da stirbt man ein bißchen mit. Manchmal ein bißchen zu sehr. Aber ich bin felsenfest überzeugt, daß das nicht das letzte Wort ist ist. Ihr Werk lebt und wächst. Was „entsorgt“ wird, ist Papier – und die es bedruckt haben, haben sich – anderes wär mir aufgefallen – leider nicht recht darum gekümmert.
Man kann es auch anders sagen: Wir haben eine Preisbindung im Lande, um das vielbeschriene Kulturgut Buch zu schützen und zu umsorgen. Schauen wir uns einfach mal an, was bundesweit an Mängelexemplaren – meist von renommiertesten Häusern – billig verscherbelt wird – kann das nix anderes heißen, als daß der Buchproduktion ein ewiges Geheimnis innewohnt: Man kriegt das Produkt eben nicht ohne erkleckliche Mengen Mängelexemplare hin, die man dann billig ramschen muß, so sorry… Das alles ist böses (dummes und ökonomisch obendrein unsinniges) Kalkül und sagt gar nichts über ein Werk – über den Verlag schon. (Gäbe es beispielsweise in der Autoindustrie vergleichbare Mengen Ausschuß, wir hätten herrlich leere Autobahnen…)
Grämen Sie sich nicht über die bevorstehende Mißhandlung Ihrer gedruckten „Kinder“. Die sind – und das beruhigt ungemein – auch mit äußerster Gewalt – nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Und sie werden ihren Weg machen. Heute oder morgen. Nein: Heute und morgen. Und übermorgen auch.
welche bücher sollen denn verramscht werden??? konnte keines im i-net findet was verramscht wird. was ist eine backlist?
@andante. Welche Bücher es sind, darüber darf ich noch nichts sagen. Es geht auch nicht um Ramschung; es spricht entschieden f ü r diesen Verlag, daß er n i c h t verramscht; wohl aber muß er bisweilen makulieren, einfach weil die Lagerkosten sich in keiner Weise mehr gegen die – tolles Wort – „Ab“verkäufe rechnen, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um nachgewiesenermaßen Longseller handelt, also Bücher, die immer wieder, noch Jahre nach ihrem Erscheinen, Kunden finden, wenn eben auch in marktwirtschaftlich nicht gerechtfertigter Menge. Wobei dieses Marktwirtschaftliche deshalb so problematisch ist, weil gerade Kunstwerke oft jenseits ihrer ökonomischen Rentabilitäteine ganz andere Wirkung entfalten: etwa im ästhetischen Denken der jeweiligen „Gegenwarten“ oder in ihrem ästhetischen Einfluß auf neue, spätere Kunstwerke. Da ein Verlag aber den Gesetzen des Marktes unterliegt und ihnen folgen muß, wenn er nicht bankrott gehen will, kann er dem zunehmend seltener Rechnung tragen.
In einer Backlist stehen sämtliche Bücher, die ein Verlag unabhängig von der jeweiligen Saison lieferbar hält. Man kann die Backlist mit dem Repertoire eines Theaters vergleichen: welche oft Jahre zurückliegende Inszenierung es immer wieder aufführen läßt und eben n i c h t endgültig aus dem Spielplan nimmt.
Für die Präsenz eines Buches ist übrigens dank der Internet-Technologie Verramschung heute nicht mehr auch nur annähernd so katastrophal wie noch vor fünfzig Jahren. Da war ein verramschtes, bzw. makuliertes Buch nahezu grundsätzlich w e g. Das ist heute anders; fast jedes Buch läßt sich, zumindest über das >>>> ZVAB, auch nach seiner Verramschung, bzw. Makulierung wieder auftreiben. Ich finde das – auf und für mein Werk gedacht – ausgesprochen beruhigend.