4.39 Uhr (Winterzeit):
[Am Terrarium. Schostakowitsch, Preludien & Fugen (Jarrett).]
Das war eben eine gute Überraschung, als ich auf die Computeruhr schaute. Da bin ich ja wirklich pünktlich am Text, auch wenn das nicht meiner Disziplin zu danken ist, sondern der Zeitumstellung. Die ich mal wieder völlig vergessen hätte.
Und welch eine andere Arbeitssituation, als es die der Fritz, jedenfalls in den letzten beiden Jahrzehnten, gewesen ist, die ja nur noch über die Schreibmaschine gebeugt lebte, nur noch für dieses Riesenwerk, über das ich nun meinen Artikel schreibe. Bei mir, welch eine Lebendigkeit der Umstände… Gestern kam ich, familiengrippehalber, zu g a r nichts; am Abend ging’s dann auch bei mir mit der Schniefnase und leichtem Husten los. Ich hab dann gleich, das ist so meine Art, draufgehauen: im Bad lagen alte Grippostad herum, die schluckte ich, trank zwei heiße Äpfelwein, schmierte mir gegens Wundsein Labello um die Nasenflügel; so ging ich schlafen hier im Wohnzimmer, um bei Babyalarm eines unsrer beiden Zwillingsbabies entgegenzunehmen. Das war um, glaub ich, halb zwei nachts so weit; um halb vier gab’s dann erneutes Bäuchleinweh und Massieren und ruhigwerden Lassen; eine halbe Stunde später schlief der Säuglingsbub auf meinem Bauch ein, um halb fünf (halb vier WZ) klingelte der Mobilchenwecker; ich blieb noch liegen, das Kind beruhigend; eine Dreiviertelstunde später klingelte das Dingerl erneut, jetzt stand ich auf.
Das Terrarium gibt Licht, das kleine Aquarium auch, links und rechts vom Laptop je eine weiße Haushaltskerze, im übrigen muß sein Bildschirm genügen.
Hab rausbekommen, daß ich hier ganz gut einen halben Stock höher im Treppenhaus rauchen kann; da das dortige Fenster nach hinten über Eck auf unser Wohnzimmer hinausgeht, kann ich übers da leicht geöffnete Fenster hören, ob das Baby weint… so läßt es sich morgens also auch die Morgenzigarette rauchen, ohne daß ich auf die Straße hinuntermuß; was ich nicht tun mag, hinabzugehen, wenn das Baby bei mir schläft. Der halbe Stock aber ist „erlaubt“, ich kann da ja sofort reagieren.
Welch andere Arbeitssituation also als bei der Fritz in den letzten beiden Jahrzehnten. In meinem Blick vor mir der Wohnzimmertisch, drunter davor der geöffnete Laufstall, daneben die breit ausgezogene Matratze der Couch, darauf schläft der Bub in meinem Blick. Man entwickelt überdies als Eltern erstaunliche Fähigkeiten: Durch die Musik in den Kopfhörern hindurch kann ich das Baby atmen hören, würde also auch hören, wenn es weint, und eben dennoch meine Musik hören (Dank Dank Dank an die Erfinder von tragbaren Festplatten, auf denen Musik gespeichert ist). Lebendig ist diese Arbeitssituation, weil sie Starrheiten unterläuft, die sie, die Arbeit, wiederum auch braucht. Hier muß jongliert werden. So jongliere ich zwischen Ritual und Notwendigkeit.
Ich brächte gern den Entwurf meines Fritz-Artikels heute zu einem Abschluß. Will aber nicht in die Arbeitswohnung hinüber, weil die Liebste immer noch krank ist und ich da dringend Kinderobhut übernehmen muß. Werde mich also hier hintern Wall meiner Musik ducken, wenn es geht, und Am Terrarium schreiben. Aber an gar nichts anders gehen als an diesen Fritz-Text.
Guten Morgen. Ich liebe diese Zeitumstellungen.