„Wenn, aber, zwar,
sind des Teufels War“
(Grimmelshausen)
Die Nacht war unruhig. Erst konnte ich nicht einschlafen, und dann wurde ich von Träumen verfolgt, die meine vielfältigen Beziehungsdesaster grell ausleuchteten. Das Gewissen, diese überkommene Außenleitung, Brechts Mann in Violett, wollte nicht Ruhe geben. Dabei ist es doch ganz einfach. Die Lüge verlangt ein Mindestmaß an Begabung, das die Wahrheit nicht fordert. Doch Begabung, wer weiß das nicht, kann auch zum Fluch werden.
Und immer dann, wenn im Satz, ob geschrieben oder gesprochen, Adverbien beginnen ihre entschuldigenden Talente zu entfalten, ist höchste Vorsicht geboten. Die Klaviatur der Umstandswörter, das Machtgeheimnis Thomas Mannscher Prosa, hilft zwar die Drangsal schlechten Gewissens zu relativieren, verdrängen aber kann sie es nicht. Doppelleben oder neuerdings Vierfach ist nicht einfach, wenn sie wieder krank ist. Und ich hilflos. Da helfen weder Wenn, noch Aber und schon gar nicht ein Zwar.
Bericht vom Zeck
1
Durch unsere Kinderträume
In dem milchweißen Bett
Spukte um Apfelbäume
Der Kerl in Violett.
2
Liegend vor ihm im Staube
Sah man: da saß er. Träg.
Und streichelte seine Taube
Und sonnte sich am Weg.
3
Er schätzt die kleinste Gabe
Sauft Blut als wie ein Zeck.
Und daß man nur ihn habe
Nimmt er sonst alles weg.
4
Und gabst du für ihn deine
Und Anderer Freude her;
Und liegst dann arm am Steine
Dann kennt er dich nicht mehr.
5
Er spuckt die gern zum Spaße
Ins Antlitz rein und guckt
Daß er dich ja gleich fasse
Wenn deine Wimper zuckt.
6
Am Abend steht er spähend
An deinem Fenster dort
Und merkt sich jedes Lächeln
Und geht beleidigt fort.
7
Und hast du eine Freude
Und lachst du noch so leis –
Er hat eine kleine Orgel
Drauf spielt er Trauerweis‘.
8
Er taucht in Himmelsbläue
Wenn einer ihn verlacht
Und hat doch auch die Haie
Nach seinem Bild gemacht.
9
An keinem sitzt er lieber
Als einst am Totenbett.
Er spukt durchs letzte Fieber
Der Kerl in Violett.
Bertolt Brecht, Hauspostille