Als ich heute morgen ins Büro gekommen war, ist ein Umschlag für mich abgegeben worden, ein dicker Umschlag, ein Buch war drin, kein neues, sondern ein abgegriffenes Taschenbuch von Anais Nin. Auf dem rosafarbigen Umschlag hat ein Hafti geklebt, und in einer wirklich schaurig kleinen Schrift, in einer Mädchenschrift, so sieht das aus, steht da: Lies. Ein zweiter Hafti auf die Seite 84, da mit Kuli ein paar Sätze angestrichen. Einmal: Nun begriff Elena, weshalb es spanische Ehemänner gab, die ihre Frau niemals in alle nur möglichen Liebesstellungen einweihten: Sie fürchteten nämlich das Risiko, in ihnen eine unersättliche Leidenschaft zu erwecken. Anstatt ausgeglichen und durch Pierres Liebe beschwichtigt zu sein, war Elena viel anfälliger geworden. Je mehr sie Pierre begehrte, desto mehr wuchs zur gleichen Zeit ihr Hunger nach anderen Arten der Liebe. Es schien, als läge ihr nichts an einer eingewurzelten, beständigen Liebesbeziehung.
Da habe ich geschluckt.
Und dann, gleich unten drunter: ich will für die Liebe brennen, aber nicht für eine mystische Verzückung, sondern für eine verzehrend körperliche. Pierre hat in mir eine Frau geweckt, die ich nicht kannte, ein unersättliches Wesen.
Soll ich ihn jetzt Pierre nennen oder grade nicht Pierre? Er hat noch etwas angestrichen, wo auch ein gelber Klebzettel war: was er „die kleine Wunde der Frau“ nannte. Er hat nicht einmal einen Gruß dazugeschrieben. Aber diese plötzliche und ungewöhnliche und unangebrachte Art von Zuwendung, das er es wagt meine Arbeit hineinzuziehen, das macht mich kirre.