Das Internet als Phantastischer Raum. Zweite Heidelberger Vorlesung (1). Auszug aus dem Entwurf des Anfangs.

Tatsächlich ist das Internet der Gegenwart gewordene phantastische Raum und faßt alle seine Ingredenzien in sich zusammen… zieht sie zusammen, focussiert sie und läßt sie praktisch werden. Obwohl dem eine materialistische, nämlich technologische Entwicklung voranging, die ihrer Schnelligkeit halber manches von einer Mutation hat, stehen wir im wahrgenommenen Ergebnis einerseits vor einem Sieg des Idealismus‘ über die Materialität, andererseits – und ihn genau verstärkend – sind wir aufgrund der neuen Unüberschaubarkeit von Wirkfaktoren auf mythische Verhaltensweisen zurückgeworfen, um uns Zusammenhänge noch einigermaßen praktikabel erklären zu können. Es ist nicht unbezeichnend, daß mit der rasanten technischen Revolution sowohl erst esoterische Welterklärungsmodelle wieder en vogue gehoben wurden, als auch neuerdings der Glaube eine weltweite, teils radikale Renaissance erlebt; und das meint eben nicht nur Länder der sog. Dritten Welt. Daß dem so ist, halte ich für eine logische Erscheinung, die direkt aus der notwendigen Unübersichtlichkeit hervorgeht und nicht etwa eine Form psychischer Abwehr darstellt: Es ist ein objektives und notwendiges Geschehen, das einem materialen („objektiven“) als gleichgestellt angesehen werden muß. Damit werden seine Dynamiken, die literarischen nicht unähnlich sind, zu einem mächtigen Wirkfaktor unserer Konstruktionen von Realität, ja sie sind per se Literatur: Dichtung als Wirklichkeit.

7 thoughts on “Das Internet als Phantastischer Raum. Zweite Heidelberger Vorlesung (1). Auszug aus dem Entwurf des Anfangs.

  1. begriffsschwierigkeiten Mir ist immer nie klar, wieso man fürs Netz die Metapher des Raums bemüht. Verlinkung erzeugt in meinen Augen nicht die oft genannte „Tiefe“; was mit Blick auf den Browser geschieht ist eine Verkettung von Flächen. Die Imaginationsmöglichkeit von Volumen und Bewegung poppt erst dann auf, wenn Figuren entstehen, die wiederum Ergebnis der Sichtbarkeit von Responsivität sind. Und schon ist man wieder beim Idealismus und der philosophiegeschichtlich ja hinlänglich bekannten Materievergessenheit. Treffender und schöner, wenn man die Maschinen resp. Programme, die mindestens ebenso responsive Erscheinungen realisieren, einbezöge. So bleibts leider ziemlich restaurativ und wird auch den Produktionsrealitäten des als „Literatur“ etikettierten „Geschehens“ nicht gerecht.

    Sowie: „Raum“ als Metapher fürs Netz ist bereits strategisches Mittel gegen die sog. Unübersichtlichkeit, die Behauptung eines Zusammenhangs ist doch schon Ergebnis eines (diffusen) Glaubens. Die Überhöhung dieser Verstehenszurechtmachung in Richtung organisiertem Glauben (in Form von Esoterik, Religion o.a.) ist dann eine gespreizte, unelegante Verlängerung, die das eigene Verstehen im Spiegel des Weltgeschehens überhöht. Oder, einfacher: diese „logische Erscheinung“ ist so logisch, dass man das Wörtchen logisch in den Arm nehmen und beschützen möchte.

    1. @da ponte. Ihr Einwand ist bedenkenswert, aber schon bedacht.

      Verlinkung erzeugt in meinen Augen nicht die oft genannte „Tiefe“; was mit Blick auf den Browser geschieht ist eine Verkettung von Flächen.
      Nein, denn auf „Ketten“ läßt sich genau das gleiche Argument anwenden. In der Tat geht es aber um Fragen, bzw. Zustände der Wahrnehmungspsychologie. Auch im „realen“ Leben nehmen wir als Raum wahr, was sehr wahrscheinlich etwas ganz anderes ist. „Raum“ ist unsere – immer schon hirnphysiologisch vorgegebene (siehe >>>> die Einlassungen Wolf Singers) – Anschauungskategorie, wobei „Anschauung“ etwas bedeutet, das als so-und-so-seiend gefühlt wird. Ähnlich ergeht es einem im Netz, insbesondere in Chats, die als räumlich empfunden werden, incl. Dialogpartnertrennung, obwohl das Gespräch selbst eigentlich immer im eigenen Kopf stattfindet.
      Die Imaginationsmöglichkeit von Volumen und Bewegung poppt erst dann auf, wenn Figuren entstehen, die wiederum Ergebnis der Sichtbarkeit von Responsivität sind.
      Eben. Und schon ist man wieder beim Idealismus und der philosophiegeschichtlich ja hinlänglich bekannten Materievergessenheit.
      Das ist keine Vergessenheit. Im Gegenteil. Interessant an der Bewegung ist, daß der Materialismus-selbst seinen idealistischen Gegner schließlich reanimiert. Treffender und schöner, wenn man die Maschinen resp. Programme, die mindestens ebenso responsive Erscheinungen realisieren, einbezöge. So bleibts leider ziemlich restaurativ und wird auch den Produktionsrealitäten des als „Literatur“ etikettierten „Geschehens“ nicht gerecht.
      Es wird dem m e h r als gerecht, indem es Realitäten – spürbare – schafft. Man muß sich nur anschauen, wie von Computerprogrammen umgesetzte Folgerungen auf Lebenswirklichkeiten wirken.
      Sowie: „Raum“ als Metapher fürs Netz ist bereits strategisches Mittel gegen die sog. Unübersichtlichkeit, die Behauptung eines Zusammenhangs ist doch schon Ergebnis eines (diffusen) Glaubens.

      Ja, aber eines, den ich notwendig „notwendig“ nenne.
      Die Überhöhung dieser Verstehenszurechtmachung in Richtung organisiertem Glauben (in Form von Esoterik, Religion o.a.) ist dann eine gespreizte, unelegante Verlängerung, die das eigene Verstehen im Spiegel des Weltgeschehens überhöht.

      Zumindest mit demselben Recht läßt sich das auf dieses Ihr Argument anwenden. Oder, einfacher: diese „logische Erscheinung“ ist so logisch, dass man das Wörtchen logisch in den Arm nehmen und beschützen möchte.
      Eine seltsame Wendung, deren Sentimentalität nunmehr ein g a n z anderes Licht auf die zuvor geführte Argumentation wirft. Mich selbst interessiert vielmehr, was, auch in diesem Sinn, am Glauben „wahr“ ist – wobei es sich bei „wahr“ ebenfalls schon wieder um einen emphatischen Begriff handelt, der religiöser Erkenntnisphilosophie entstammt.

      P.S. Um zu präzisieren, was ich meine, habe ich >>> in meiner Ersten Heidelberger Vorlesung den Begriff des „raumlosen Raumes“ verwendet, den ich ähnlich gebrauche wie in historischen Zusammenhängen den der „schuldlosen Schuld“. Auf „raumlosen Raum“ beziehe ich mich in der Zweiten Vorlesung hier.

    2. @anh Ich bin hier zitattechnisch mit dem Einrücken auf Kriegsfuß, deshalb so:

      ad Ketten/Wahrnehmung/Singer: Ich würde die Wahrnehmungspsychologie und das Gefühlte an dieser Stelle erstmal im Hintergrund lassen. Sie benutzen ja das Wort „real“ als Kontrapunkt, und in diesem Sinne würde ich den Monitor als Realitätsbezug wählen und stehen lassen, als Objekt der Anschauung gewissermaßen, ohne bereits in die Imagination des Raums einzusteigen (die dann selbstredend genauso real ist). Worauf ich aber hinaus wollte, ist zunächst nur die Frage der Metaphernwahl; ich finde die Flachheit der Kette durchaus verschieden vom Raum (sonst hätte ich das Wort als Unterscheidung ja nicht wählen müssen bzw. produziere ich die Unterscheidung durch die Wahl eines anderen Wortes). Ich vermute, dass es zu schönen, verwirrenden Ergebnissen käme, wenn nicht alle Ebenen sofort in- und miteinander verdampfen würden.

      ad „Das ist keine Vergessenheit. Im Gegenteil. Interessant an der Bewegung ist, daß der Materialismus-selbst seinen idealistischen Gegner schließlich reanimiert.“
      Das Problem ist ja die Unterscheidung selbst, weil sie die Kontrahenten erzeugt. Eine explizite Hereinnahme dieses Gewusels aus Hirnen, Worten, Programmen, Servern usw. würde dem schon ein Stück weit entkommen. Oder man bräuchte neue Begriffe, die andere Klammern zwischen dem Adressierten bilden könnten. Beides scheint für Sie keine Option zu sein, stattdessen reproduzieren Sie die Konfliktlinie. Warum?

      Und: weil das Wort Computer, Programm etc. nicht als Wortrealität auftaucht, bleibt auch die Nichtwortrealität außen vor (wird auf die Materialseite weggebucht). Insofern sehe ich nicht, dass es dem „mehr als gerecht“ wird; es geht ja nicht nur um das Erzeugen von Realitäten, sondern auch um Adäquanz gegenüber bestehenden.

      „Zumindest mit demselben Recht läßt sich das auf dieses Ihr Argument anwenden.“ Verstehe ich nicht ganz, da ich kleiner, konkreter an Ihrem Text zu argumentieren versuche, aber man könnte ja die Welt befragen, ob das tatsächlich alles dieselbe Suppe und also vergleichbar ist.

      ad Sentimentalität: auf jeden Fall! In etwa so: Problematisch, schwierig, interessant wirds ja dadurch, dass Ihre Person nicht der Wissenschaft zugerechnet wird. Zugleich herrscht aber ein Wahrheit beanspruchender Duktus – also Wahrheitsinteresse in die Emphase des literarischen Sprechens gekleidet (da Sie ja als Literat betrachtet werden). Und mein Sentiment ist eine nichtwissenschaftliche, ästhetisch wertende Reaktion auf die Unschönheiten, die aus den schiefen Begrifflichkeiten entstehen.

    3. @da ponte (ff). 1.

      und in diesem Sinne würde ich den Monitor als Realitätsbezug wählen und stehen lassen, als Objekt der Anschauung gewissermaßen, ohne bereits in die Imagination des Raums einzusteigenDas genau, den Monitor als Realitätsbezug zu wählen, halte ich für ebenso falsch, wie wenn man annähme, das, was sich in einem Roman abspielt, spiele sich auf der Buchseite ab; vielmehr spielt sich, was sich auf ihr und auf dem Monitor abspielt, im Kopf des Lesers/Betrachters ab – und von daher stimmt eben genau d a s: (die dann selbstredend genauso real ist). (…) Worauf ich aber hinaus wollte, ist zunächst nur die Frage der Metaphernwahl; ich finde die Flachheit der Kette durchaus verschieden vom RaumEben. Aber es stellt sich, wenn jemand viel im Netz kommunziert, n i c h t der Eindruck von Ketten, sondern der von Räumen her, unabhängig davon, wie oft er oder sie verketteten Links folgt. Die Kette = banale 1-und-0-Bezüglichkeit geht allein aufgrund der Quantitäten unter. Ich vermute, dass es zu schönen, verwirrenden Ergebnissen käme, wenn nicht alle Ebenen sofort in- und miteinander verdampfen würden.Zu schönen, verwirrenden Ergebnissen kommt es aber auch so.

      2.

      Das Problem ist ja die Unterscheidung selbst, weil sie die Kontrahenten erzeugt.Mit der Unterscheidung nehme ich eine seit Jahrhunderten sehr funktionale auf, die zu enormen praktischen Ergebnissen geführt hat. Eine explizite Hereinnahme dieses Gewusels aus Hirnen, Worten, Programmen, Servern usw. würde dem schon ein Stück weit entkommen.Das habe ich namentlich in den >>> ANDERSWELT-Romanen zum poetischen Konzept gemacht. Indem ich aber gehalten bin, darüber Vorlesungen halte, besteht einer ihrer wichtigen Teil darin, dies herzuleiten. Oder man bräuchte neue Begriffe, die andere Klammern zwischen dem Adressierten bilden könnten. Beides scheint für Sie keine Option zu seinWoher nehmen Sie das? Allein aus dem kleinen Auszug des Entwurfs-Beginns dieser meiner zweiten Vorlesung?, stattdessen reproduzieren Sie die Konfliktlinie. Warum?Ich reproduziere sie nicht, sondern nehme sie auf. Das hat etwas damit zu tun, daß ich Konflikte für Grundbedingungen von Lösungen halte. Kampf, nicht Harmonie ist (bei mir) Erkenntnisbedingung.

      3.

      Und: weil das Wort Computer, Programm etc. nicht als Wortrealität auftaucht, bleibt auch die Nichtwortrealität außen vor (wird auf die Materialseite weggebucht).Woher nehmen Sie die Idee, dies tauchte bei mir nicht als Wortrealität auf? Insofern sehe ich nicht, dass es dem „mehr als gerecht“ wird; es geht ja nicht nur um das Erzeugen von Realitäten, sondern auch um Adäquanz gegenüber bestehenden.Den letzten Teilsatz finde ich dunkel. Adäquanzen (wessen?) gegenüber „bestehenden“-was?

      4.

      da ich kleiner, konkreter an Ihrem Text zu argumentieren versucheAn welchem? An dem kleinen Entwurfsbeginn oder aus dem Zusammenhang der Vorlesungen selbst, incl. der ersten?
      Es ist manchmal sehr sinnvoll, sich erst einmal auf eine Konstruktion – einen Raum – einzulassen und dann zu sehen, wie er möbliert wird, als gleich ablehnend zu reagieren. Dann kann er zwar nicht möbliert werden, das ist wahr, aber es kann auch keine mögliche Erkenntnis aus der plötzlichen Erfahrung von Schlüssigkeit des Meublements gewonnen werden… es wäre so, wie wenn sie in die Oper gingen und gleich ausriefen: Aber das ist ja gar nicht wahr da auf der Bühne, da i s t ja überhaupt kein unterkühltes Maleratelier, sondern das ist ja alles nur Schein! In dem Moment wird der ganze Puccini unmöglich und mit ihm werden es erfahrene Kunst-Lust und auch daraus gewinnbare Erkenntnisse.

      5.

      Problematisch, schwierig, interessant wirds ja dadurch, dass Ihre Person nicht der Wissenschaft zugerechnet wird. Zugleich herrscht aber ein Wahrheit beanspruchender Duktus – also Wahrheitsinteresse in die Emphase des literarischen Sprechens gekleidet (da Sie ja als Literat betrachtet werden).Hier liegt in der Tat eine Chance: daß jemand, der dichtet, das auch mit den Mitteln der Wissenschaft tut, ohne doch letzten Endes von deren Exerzizien an die Kandare genommen werden zu können. Das ginge natürlich auch umgekehrt, geschieht aber viel seltener als im Falle der Dichter.
      Übrigens haben die i m m e r mit der Emphase des Wahrheitsinteresses gesprochen, nur meist, ohne sich auf die ganz anders geartete Emphase und vor allem das andere Kalkül des „natürlichen Schließens“ der Wissenschaften einzulassen.eine nichtwissenschaftliche, ästhetisch wertende Reaktion auf die Unschönheiten, die aus den schiefen Begrifflichkeiten entstehen. Ich antworte darauf mit Lovecrafts Konstruktion schiefer Geometrien. Es wird Ihnen vielleicht ein hilfreicher Hinweis sein, daß meine Zweite Heidelberger Vorlesung sich wesentlich mit Phantastischer Literatur beschäftigen wird, vor allem mit Phantastischen Räumen. Aus denen wiederum ich auf eine moderne – entstehende – Poetologie des Kybernetischen Realismus zurückschließe. Diesen Herleitungsraum müssen Sie mir aber erst einmal lassen. Wer sich auf ein solches Verfahren nicht einlassen mag, mag sich insgesamt nicht auf Poetologie als einem Konzept der Wirklichkeitserfassung einlassen.

    4. @anh(ff) ad 5&4&3&2:
      Richtig, ich beziehe mich nur auf das kleine Stückchen zur 2. Vorlesung. Die erste Vorlesung habe ich vor ca. 1 Woche zu lesen versucht, fand das sehr anstrengend, wobei diese Anstrengung weder lust- noch erkenntnisfördernd war. Meine Antwort auf das kleine Stückchen der 2. Vorlesung ist der selbstgesprächige Versuch, mir das zu erklären, feat. mal abwarten, was Sie dazu sagen.

      Warum ist es in Ordnung, sich nur auf dieses kleine Stückchen zu beziehen? Weil:

      Grundsätzlich finde ich es schwierig, auf eigene Texte oder andere Leute zu verweisen und Geduld einzufordern – in der Art, wie Sie es tun (darum ging es ansatzweise auch in dem Thread, dessen Link Sie eingebaut haben). Entweder das Argument wird quasi autonom, in der Gegenwart des aktuellen Texts schwebend, vorgetragen, oder man macht es klassisch wissenschaftlich. Und dort gilt ja das Prinzip: Paraphrase und Zitat. Da ich Lovecrafts schiefe Geometrien nicht kenne, kann ich darauf nicht reagieren.

      Und, bzgl. der Raum/Möbel-Metapher und noch wichtiger: Ich hatte ja aufgrund Ihrer Wort- und Begriffswahl, der Argumentation, der Analogien usw. Bauchschmerzen. Genau deswegen kannn ich mich auf die Konstruktion nicht einlassen, weil mir die Pfeiler wacklig erscheinen. Und falls Sie in Ihrem Anderswelt-Buch besagtes Gewusel zur Grundlage des Konzepts machen, sieht es für mich anhand des Beginns der 2. Vorlesung danach aus, als wären Sie hinter dieses Konzept zurückgefallen. Und das kommt meiner Meinung nach u.a. eben auch daher, dass Sie die alte Material/Idee-Unterscheidung reproduzieren und reaktivieren („aufnehmen“ ist ja ein schwammiges Wort. Der historische Ballast überwältigt dann doch Ihre Absicht; Sie arbeiten ja auch nicht mit Negation, sondern BENUTZEN die Unterscheidung). Wenn Sie sich wirklich darüber hinweg gesetzt hätten, würde dieser Text anders klingen.

      Mein persönliches Fazit ist „mangelnde Präzision“. Mag ja intendiert sein, funktioniert aber in dieser Form nicht mit/in meinem Hirn.

      Kurz noch zu „Das genau, den Monitor als Realitätsbezug zu wählen, halte ich für ebenso falsch, wie wenn man annähme, das, was sich in einem Roman abspielt, spiele sich auf der Buchseite ab; vielmehr spielt sich, was sich auf ihr und auf dem Monitor abspielt, im Kopf des Lesers/Betrachters ab“

      Ich wiederhole mich: mir geht das zu fix, das ist mir zu verrührt, weil nämlich genau die Sprünge, die Wechsel zwischen den verschiedenen Beobachtungs- und Erlebnisrealitäten außen vor bleiben. Und das meinte ich auch mit mangelnder Adäquanz.

      Ich vermisse die Reflexion auf und die Anknüpfung an die Unterscheidung der Oberflächen, an den Kick, den Bruch, das eigentlich Unglaubliche udn Unfassbare, das entsteht, wenn man den Blick von der Straße, seinem Nachbarn, der Kloschüssel etc. auf einen Rahmen (Text, Bild, Monitor etc.) richtet. Und hier – im Sinne der Selbstreflexion, die unterschiedliche Bezugspunkte hat (Körper, Avatar, Synonym usw.) – finde ich mehr Unterscheidungen besser. Nicht, dass Sie die Unterscheidungen nicht kennen, aber in Ihrer Praxis sichtbar? Und das ist ja das, woran Poesie und Poetologie sich messen lassen müssen. Vor der Verwischung der Unterschiede muss man Klarheit zumindest spüren, sodass die Verwischung als solche funktioniert. (Die alte Hitchcock-Nummer: wenn man nicht weiß, dass die Bombe unter dem Tisch ist, handelt es sich nicht um Suspense, sondern um Überraschung.)

      Bin dennoch gespannt, wie die Vorlesung letztlich aussehen wird und mache derweil Geduldsübungen.

    5. @ da ponte, abschließend. Wenn Sie die Lektüre der ersten Vorlesung anstrengend, aber weder lust- noch erkenntnisfördernd fanden, wird Ihnen auch die zweite ganz sicher nichts bringen. Das kann ich Ihnen aus tiefstem Herzen versprechen. Insofern verstehe ich die Zeit nicht, die Sie da investieren. Da die erste Vorlesung leicht zu verstehen ist, wird Ihnen die zweite nämlich besonderen Unwillen abringen. Vielleicht sollten wir das in Ihrem Interesse vermeiden. Es bleibt mir nämlich das jetzt haften:

      Und das ist ja das, woran Poesie und Poetologie sich messen lassen müssen.Ich frage mich, wer dieses „müssen“ s e t z t, zumal mit der – vom wem gesprochenen? – Selbstverständlichkeit eines „ja“ mittendrin. Und von wem sie sich messen lassen… besonders: muß. Poesie jedenfalls, letztlich, wird an der Kunst gemessen, an Schönheit, Form(vollendung), Innigkeit und Tiefe. Was zu einer je speziellen Erscheinung der Arten von Schönheit, Form usw. geführt hat, das wiederum schaut sich die Poetologie an, nicht die Poesie selbst.

      P.S.: Hab grad, auf dem Balkon eine Zigarette rauchend, noch mal nachgedacht. Ihnen fehlt, scheint es mir, der Gedanke der Bewegung, den Sie zugleich doch fordern: daß sich Erkenntnis aus Zusammenhängen ergibt. Zu denen gehört nun zweifelsfrei, auch ein wenig das zu kennen, aus dem ich – als nachträgliches Ergebnis – meine Thesen entwickle. Und das ist mein bis dahin vorgelegtes Werk. Sie werden nicht umhin kommen, meine Einlassungen mit den ihnen zugrundeliegenden literarischen Arbeiten zu lesen. Gäbe es die nicht, dann, tatsächlich, gäbe ich Ihnen in vielerlei recht. Aber es gibt sie.

    6. @ anh, fast abschließend. Guten Morgen,
      Ihr Beharren ist irgendwie verständlich, warum ich damit aber nicht grün werde, habe ich hoffentlich hinreichend skizziert – so dass man es dabei belassen kann.

      Erlauben Sie mir aber bitte kurz, das Thema von anderer Seite zu befragen. Sie vermengen (indem Sie gegenseitiges Stützen, bereits-gesagt-sein anzeigen) den Teil Ihres Schreibens, der als Literatur ausgeflaggt ist, mit dem Teil, der nun als Vorlesung in Erscheinung tritt. Kann das funktionieren, wenn Sie doch zugleich Poesie und Poetologie unterscheiden möchten? M.a.W.: Handelt es sich noch um verschiedene Modi von Kommunikation, die entsprechende Konsequenzen für Sprechweisen mit sich bringen? Oder findet sich Differenz nur in der unterschiedlichen Themenfokussierung?

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .