Nun kann man einwenden, >>>> die Übertragung einer klassisch/herkömmlichen Kategorie wie derjenigen des Raumes auf Computer und Monitor sei illegitim; ich meine hingegen, daß sie geradezu notwendig ist, weil es um Poetisierung geht, deren Grundlage nichts anderes sein kann als etwas, das der gefühlten Wirklichkeit so nahe kommt, daß sich literarische Bilder daraus gewinnen lassen. In diesem Sinn ist der erste Satz von >>>> William Gibsons Newromancer-Trilogie mit völligem Recht stilbildend gewesen, der die Färbung des Himmels mit dem eines Fernsehbildschirms vergleicht. Hier kehrt sich Mimesis um: Technik, nicht mehr die ihr vorgängige Natur ist nun das Original, mit dem sie, Natur als Nachgängiges, verglichen wird.
Zum Raumbegriff des Virtuellen hat sich eingehend hier >>>> der dem Fraunhofer-Institut zugehörige Peter Zoche geäußert.
Dies sei den Einwänden also erst einmal entgegengehalten, wohl wissend, daß eine Differenz zwischen realem und virtuellem Raum vorerst existent bleibt; sie wird aber als Erleben irrelevant. Ich habe in meiner ersten Vorlesung auf die in ihrer Intensität völlig mit der dinglichen Realität vergleichbare Möglichkeit hingewiesen, sich innerhalb virtueller Räume schwer zu verlieben, und zwar auch dann, wenn die Person der Zuneigung möglicherweise avatarer Natur ist. Dies läßt einen Rückschluß auf reale Verliebtheiten und Lieben zu, der uns wenig angenehm sein kann, den auszuführen es hier allerdings auch nicht der passende Platz ist. Ziehen Sie Ihre Schlußfolgerungen erst einmal selbst.
Identität & Raum… Bin eben im Netz auf diesen Text gestoßen, von dem ich vermute, dass er in den ‚Raum‘ passt…(furchtbar lang, dabei nur ein Auszug…)
In der Mapping-Zone
Identität und Raum teilen seit Entstehung modernistischer Zapping-Zonen gegen Ende des 19. Jahrhunderts dasselbe Schicksal: sie verlieren Konsistenz proportional ihrer Zunahme an Kontingenz. Traditionelle Konstruktionsmuster von Raum und Identität geraten in die Krise, da Erfahrung und Organisation von Wahrnehmung immer weniger auf eine euklidische Geometrie und eine kontinuierliche Entwicklung einheitlicher Lebensmodelle zurückgreifen können. Die Vorstellung von Raum und Identität als unveränderliche Größen mit festen Standpunkten und homogener Ausdehnung bricht und erfährt nach einem halben Jahrtausend perspektivischer Seh- und Kunstgeschichte ihre Korrektur. Seitdem herrschen relativistische und topologische und nicht absolutistische und topografische Raum- und Identitätsbilder in Kunst und Alltagserfahrung.
Der Blick bewegt sich in der mediatisierten Wirklichkeit in einer Vielfalt gegenseitig sich durchdringender und überlagernder Räume. Die dualistischen Trennungen zwischen Raum und Körper, Medium und Subjekt heben sich auf und vermengen sich im driftenden Verhältnis der Modalitäten und Bezugspunkte. Systeme und Subjekte operieren weiterhin in Raum und Zeit, ihre Grenzen beruhen jedoch weit stärker auf der Leistungsfähigkeit von Medien als auf Geografie und Territorialität. Die Bildung von Raum setzt soziale, ökonomische und technische Konstruktionsleistungen voraus, die das bei Kant definierte „formgebende Prinzip“ von Raum vorantreiben und invertieren, indem Technologien zum „raumgebenden Prinzip“ werden. Wurden zivilisatorische Räume bisher kulturell aus Natur geformt, werden elektronische Räume künstlich gesetzt und durch ihren Gebrauch geprägt. Das englische „spacing“ im Gegensatz zum deutschen „räumen“ verdeutlicht dies, da anstatt Dinge aufgeräumt oder Orte eingeräumt werden, etwas positioniert wird, was Raum hervorbringt. Dies klärt das Verhältnis zwischen materiellen und virtuellen Räumen: Jede Architektur, Straße etc. vernichtet Naturraum, um Lebens- und Kulturraum zu schaffen; jedes Objekt im Virtuellen erzeugt dagegen neuen Raum, der zuvor nicht vorhanden war. Die Konstitution von Raum und in Folge auch Identität erweist sich als ein sozialer und technischer Prozess, in dem Handeln seine raumbildende und identitätsbildende Wirkung entfaltet.
Findet das Leben in unterschiedlichen Räumen statt, steigt der Bedarf an verkehrs- und kommunikationstechnischen Verbindungen, um verinselte Räume zu synthetisieren. Synthetische Räume konstruieren sich medial über Netzwerke, die weitgehend unabhängig von geographischen Parametern lokale und globale Aspekte verschieben und zwischen Städten wie New York, London oder Shanghai die digitalen Formationen des geschäftlichen und gesellschaftlichen Lebens – zumindest für eine höhere Bildungs- und Einkommensschicht – in den Vordergrund rücken.[11] Transformiert Raum von einem starren Behältnis zu einem Fluss aus Informations-, Waren- und Geldströmen, gewinnen Verflechtungen, Bewegungen und dynamischen Ordnungen an Priorität. Wir erleben uns gleichzeitig in verschiedenen Räumen als unterschiedliche Identitäten und empfinden dies sowohl als Bedrohung als auch als Lustgewinn. Wenn Diskotheken im Stroboskopgewitter zur Zapping-Zone werden, werden auf gesichertem Terrain Wahrnehmungsstrategien und Performancerituale für eine Wirklichkeit trainiert, in der Homogenität zur Illusion geworden ist. In MUDs, Shopping-Malls, Kinos, Freizeitparks und Computersimulationen erlernen wir spielerisch Verhalten und Orientierung in inszenierten Räumen als Vorbereitung für Alltags- und Arbeitsszenarien, in denen die Unterscheidung zwischen Nähe und Ferne, dem Realen und Imaginären ihren kulturell eingeübten Sinn verliert.
Die Vernetzung und Interferenz von realen und virtuellen Räumen schafft eine „Erweiterte Realität“[12], in der Datenschichten den gesamten physikalischen Raum einerseits mittels Funkwellen (W-LAN, HSDPA etc.), andererseits mittels informierten Oberflächen überlagern. Der Raum wird virtuell zu einem Multi-Layer-Environment und urban zur Oberfläche und Textur für Bildschirme, die als Plasma- und Projektionsflächen, LED-Wände, E-ink etc. labyrinthische Zapping-Zonen erzeugen. Die Stadt als Bildschirm und Tastatur rückt über Informationsdisplays näher, wie sie in Seoul oder Tokio schon nahe an die Zukunftsarchitektur in Blade Runner heranreichen. Elektronische Displays an Fassaden formieren für Robert Venturi Kommunikationsarchitekturen, die das Bedürfnis nach Ornament befriedigen und Gebäude zu ihren traditionellen Wurzeln der Informationsoberfläche wie etwa in Tempeln und Kathedralen zurückbringen. Architekturen und ganze Städte werden zu entgrenzten Räumen, die Differenzen zwischen Materialität und Immaterialität sowie den Kategorien Bild, Schrift, Theater und Architektur aufweichen.
Ernst Cassierers Beschreibung, dass der moderne Mensch in einem symbolischen statt in einem natürlichen Universum verortet ist, wird zur medialen Alltagserfahrung, in der das Symbolische das Digitale ist. Symbolische Ordnungen kognitiver, sozialer, urbaner und elektronischer Räume unterliegen keiner hermetischen Trennung und mischen sich in einem „Realitäts-Virtualitäts-Kontinuum“ (Paul Milgram). Räume werden zu Möbius-Architekturen, in denen das Verlassen von einer Sphäre und das Eintauchen in eine andere unbemerkt ineinander fließt. Dimensionen und Kategorien „shiften“, indem die Übergänge schwellenlos von realen in virtuelle, aber auch von öffentlichen in private, von geschäftsfreien in kommerzielle Bereiche verlaufen und damit Unterscheidungen zwischen Arbeit und Freizeit, persönlicher Entwicklung und beruflicher Selbstoptimierung, Verantwortung und Vermarktung verwischen. Raum und Identität lösen sich von territorialen Gegebenheiten und vermengen sich zu informationstopologischen Mapping-Zonen, die den Rollenbildern der Subjekte neue Bühnen sozialen Handelns zuweisen und umgekehrt von diesen entworfen und bespielt werden.