„…damit verloren alle ihren Halt und ohne zu wissen, wem sie folgen sollten und wer noch die Wahrheit sagte, ohne einen Menschen zu finden, an den sie sich mit Sicherheit anlehnen konnten, verlegte sich jeder auf seinen Weg des Meinens, und die Welt war ein einziger Auftrieb von Sophisterei und Launen.“ (Gracian)
3 Tage Arbeit am „Freiherr vom Stein“, die am Sonntag – du sollst den Sonntag heiligen – mit Lust unterbrochen wurde. Der „Stein“ liegt mir wie ein Stein im Magen. Der ganze Mann, cholerisch, rechthaberisch bis aufs Letzte, angefüttert mit ständischen Vorurteilen und Franzosenhass kotzt mir meine aufgeklärte humanistische Decke voll, die ich über das Nesselbett der Geschichte, damit ich sie besser ertrage, gespannt habe. Selbst bei wohlwollenden Geistern, wie der allseits verklärten Königin Luise, ich halte sie für dümmlich, stieß er manchmal auf Unverständnis. Bis Jahresende, so verkündete mir der „König“ meines Amtes, muss der Essay, wohlwollend Herr Reichenbach, Stein lobend, fertig geschrieben sein. Ich will von ihnen ein Steinbild, dass dem vom Stein für unsere heutige Zeit gerecht wird. Schauen sie in die Nassauische Denkschrift und liefern sie Argumentationen, die den Freiherrn zum Vater bürgergesellschaftlich organisierter Gemeinden macht, in denen In – und Ausländer gleichberechtigt Verantwortung für das Ganze übernehmen. Ich kann kein kritisches Wort über Steins Wirken gebrauchen. Es ist ganz egal was sie oder ich persönlich von ihm halten. Es kommt einzig darauf an sein Jubiläum zu nutzen, um den Gedanken einer freien Bürgergesellschaft zu propagieren. Meinen Einwand, dass man aus einer intellektuellen, alten Sau keinen strahlenden Demokraten machen kann, lässt er nicht gelten. Man kann aus jeder Kuh eine Göttin machen, sehen sie sich die alten Ägypter an; ebenso kann man aus einer Sau, die nur ihren Koben im Kopf hat, eine weltoffene Freiheitsgöttin zaubern.
Ich verbiege mich, was den Leib betrifft ja gern, der Sonntag mit Rita, ein verschlungenes heiteres Verschlingen zweier Amateuräquilibristen, die sich immer wieder ins Gleichgewicht bringen, zeugt davon. Aber geistig ist mir ein Hinbiegen historischer Fakten ein Greuel vor dem mich ekelt, der mich empört und außer Balance geraten lässt. Gut, es ist mein Job ab und an den Ghostwriter zu geben, aber es ist demütigend, demütigend…
Ihnen gehört mein ganzes Mitgefühl…Den ‚Stein‘ würfe man gern als erster…
und zwar möglichst weit weg!
Aber trösten Sie sich:
‚Stein auf Stein,Stein auf Stein,
das Haus, das wird bald fertig sein‘.
Es wird gut tun, wenn der Stein weit geworfen worden ist, aber vorher muss leider die Arbeit noch beendet werden. Bei Henri Beyle kann man lesen: „Die Kunst zu lügen hat neuerdings große Fortschritte gemacht. Man lügt nicht mehr wie zur Zeit unsrer Väter in traditioneller Form, sondern in vager Rederei, bei der man den Lügner später schwer fassen und mit präzisen Worten kaum widerlegen kann.“ (Stendhal: „Napoleon Bonaparte“
Vage Rederei, Stein auf Stein, darauf wird es in der Tat hinauslaufen müssen. Shit.