Arbeitsjournal. Sonnabend, der 29. Dezember 2007.

5.33 Uhr:
[Arbeitswohnung. Gluck, Paride ed Elena.]
(Seit Tagen beobachte ich mich dabei, daß ich immer schon „2008“ statt „2007“ schreiben will, als strebte ich dem neuen Jahr auffällig zu; ganz anders als früher, wo ich oft noch wochenlang das alte Jahresdatum weiterschrieb).
Schwere Babynacht, vor allem für die Mama; bei mir sind die Kleinen immer verhältnismäßig schnell still; was an meiner rauheren Art liegt, „jetzt ist aber Schluß“ zu sagen. Möglicherweise wird man mich später einmal einen autoritären Vater, wenigstens einen strengen Vater nennen, auch der Ältere, wahrscheinlich. Andererseits laß ich ihn ja immer sehr laufen und erlaube manches, das andere Eltern für nicht altersgemäß halten, und bringe ihm bei, auf als Akzeptanz geforderte Autorität immer nachzufragen, worauf sie sich begründe; gibt es für eine Anweisung, etwa in der Schule, keine Erklärung ihm gegenüber, dann hat er von mir das Recht zugesprochen, nicht zu gehorchen, und ich decke ihn dann vollen Umfangs. „Autorität kann begreiflich machen, sonst ist es keine“, ist einer der Lehrsätze, die ich ihm beigebracht habe wie diesen anderen: „Wer tobt, tut sich weh. Deshalb hat er dann nicht zu klagen.“ Oder, als er sich etwas nicht traute, weil er Angst hatte, sich dabei wehzutun: „Was willst du? Leben oder nicht leben?“ (Er, fast immer: „Leben, Papa.“ Darauf ich: „Dann tu’s.“) – So weit sind die Kleinen natürlich noch nicht.
Jedenfalls kam ich spätabends nicht mehr zum Arbeiten, anders, als ich wollte. Also muß ich heute voll durchschreiben, auch wenn ich mir für die Wochenenden angewöhnt habe, ab etwa elf Uhr vormittags wieder mit der Familie zu sein. Dazu drängt hier jetzt zu vieles. Nicht einmal die Korrekturen an der Siebten Elegie, die im nächsten >>>> L. erscheinen soll, habe ich zuendebekommen.
Guten Morgen. Hier dampft der latte macchiato, obwohl es in der Arbeitswohnung nicht einmal kalt genug ist, um guten Gewissens den Ofen anzufeuern. Mir geht übrigens die Ermordung Benazir Bhuttos nicht aus dem Kopf; sie unterstreicht dringlich die Frage Pruniers nach meiner Stellungnahme zu den Drohungen durch fundamentalistische Islami. Das also läuft in meinem Kopf nebenher auch noch mit.

[Mein UMTS von >>>> moobicent/vodafone läuft weiter perfekt. Ich habe mir über Ebay nun auch eine Expresscard geschossen, die die n o c h schnellere HSDPA-Verbindung erlaubt.]

6.49 Uhr:
Soeben kommen >>>> die pdf’s des Stromboli/Aeolia-Buches zur Korrektur herein; wundervoll: über das Netz anfahrbar. Das habe ich so noch nicht gesehen. Es erschließt eine ganz neue Dimension der Korrektur an einem Buch…

10.29 Uhr:
[Schoeck, Elegie.]


Programmchaos mit der Bildbearbeitung; der Scanner motzte am Laptop und brach das Bildprogramm auseinander. Lustig. Aber ich hab’s im Griff. Daneben immer die Musik-Bearbeitung, speichern, CDs brennen usw. Und die Dritte Vorlesung, in die jetzt Die Dschungel als eine Basis der Romanästhetik hineingenommen werden. Es ist ganz erstaunlich, welche Vorgänge man über Jahre im Gedächtnis behält, bis auf einzelne Stichwörter, vermittels derer sich dann die Search-Funktion des Literarischen Weblogs hochtrefflich (das Wort stimmt) verwenden läßt.

17.50 Uhr:
[Isang Yun, Piri für Klarinette.]
Hart druchgearbeitet mit einer Frühstücks- und einer späteren Miniaturunterbrechung, weil ich einen Schlüssel wegbringen und etwas von der Post abholen mußte: ein wunderbares Geschenk einer Leserin; ich höre es gerade. Für die Dritte Vorlesung sechs einzeilige Seiten geschrieben; das läuft jetzt wie geschmiert. Und die Aeolia-pdf zur Korrektur ausgedruckt; ich muß diesmal aber unbedingt doppelt korrigieren, nämlich auch am Bildschirm, weil Teile des Textes, und Gratz‘ Bilder sowieso, farbig gestaltet sind. Daran werd ich mich heute am späteren Abend setzen, bevor ich mich mit dem Profi einmal wieder >>>> in der Bar treffen werde. Vielleicht gehe ich eben noch einen >>>> Werkstatt-Text durch, bevor ich dann hier für heute schließe. Die Wohnung sieht aus wie Sau; aber das konnten Sie ja schon hierüber am Schreibtisch erkennen. Immerhin bin i c h mal wieder geduscht und rasiert.

23.33 Uhr:
[Am Terrarium.]
War so erschöpft, daß ich dem Profi die Bar für heute abend abgesagt habe; immerhin hab ich dann noch bis eben in den Aeolia-Fahnen die halben Korrekturen gelesen. Es gibt ein paar Unstimmigkeiten, auch ein paar Spielereien, von denen ich nicht recht weiß, ob sie stören oder einfach ganz hübsch sind und ein bißchen Tanz in die Verse hineinbringen. Darüber muß ich noch etwas sinnieren. Außerdem müßte die Verteilung der Bilder Gratz‘ noch einmal genau angeschaut werden. Darüber will ich morgen mit Jesses telefonieren. – Bis S. 24 (von projektierten 52) bin ich vorgelangt. Und gehe jetzt schlafen.

2 thoughts on “Arbeitsjournal. Sonnabend, der 29. Dezember 2007.

  1. „Die“ Frage Ich bleibe bei Voltaires bekannter Behauptung: „Ich bin nicht mit dem einverstanden, was Sie sagen, aber ich werde alles tun, damit Sie es sagen dürfen“. Es hätte keinen Sinn dem sanftmütigen Robert Redeker zu sagen, dass er Unrecht hat, wenn er meint, dass Islam eine gewalttätige Religion ist.
    Einmal hat ein Premierminister Frankreichs (Pierre Sudreau, Anfang der sechziger Jahre) dem Papst Johannes XXIII. ruhig erklärt: „Ich kann nicht an das Symbol des Kreuzes, eines vor 2000 Jahren Gekreuzigten glauben, nach den vielen tausenden gefolterten Menschen, die ich im KZ miterlebt habe“. Der Papst hat nur genickt – und ihn nicht ermordet – , nichts gesagt, nur ihm die Hand mit ergreifender Energie gedrückt.
    Ich denke jeden Tag in derselben Bewegung an das Gegenteil, an die Hilfe, die eine Religion einem Menschen zu geben vermag. Den meisten Menschen kann man nämlich nicht sagen: „Die Erde kreist um ihre Achse und der Rest hat gar keinen Sinn… das beste, was man tun kann, ist die Schönheit dieses Lebens zu besingen, aber ohne Illusion auf eine andere Welt. „
    Es ist und bleibt unhörbar, entspricht aber der Wahrheit. Es geht sogar um keine Wahrheit, sondern um eine Evidenz. Wer kann aber damit LEBEN?
    Religion als alltägliche Hilfe in allen Kuturen, für die meisten Menschen… darf man infolgedessen eine Religion kritisieren? Und wenn die christliche Religion Gewalt nicht predigt, ist es nur eine Frage der Entfernung; sie hat sich im Laufe der Jahrhunderte besänftigt, war aber z.B. im XVI. Jahrhundert eine mörderische Institution.
    Islam braucht Zeit. Und von welchem Islam reden wir, wenn wir „gewalttätige Religion“ sagen? Alles nur Fragen.
    Eine letzte provisorische Bemerkung, als Kommentar ihres prächtigen Gedichts („Opera Lirica“): ohne Gott… hätten wir soviel Schönheit (gehabt)? In meiner Stadt steht eine der ältesten Kathedralen: ihre Schönheit ist wie am ersten Tag (gegen 1200) geblieben. Sonntags kommen zur Messe kaum achzig Gläubige; hunderte von Touristen aber besuchen die Kathedrale jeden Tag in der besten Jahreszeit. Religion, Schönheit…
    Von auβen her gesehen, ist folgendes sehr schwer aufzufassen : ein Gläubiger glaubt nicht, daβ er glaubt.

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