Paul Reichenbachs Donnerstag, der 14. Februar 2008. Neid.

Es gibt das Paradies:
Zwei für einander.
Es gibt die Hölle:
Einer fehlt.
(Martin Walser, Ein liebender Mann.)

Wer kennt das nicht? Passiert irgendwo auf den Strassen Europas ein Busunglück, melden die Medien in der Folge, als hätten sich Busse und Fahrer verschworen, tage- und wochenlang neue Busunfälle. Ähnlich verhält es sich mit Grausamkeiten gegenüber Kindern. Wenn im Norden ein Kind verhungert, dann lesen wir spätestens zwei Tage darauf, dass im Süden ein Säugling aus dem Fenster geworfen wurde… In der Literatur kann man verwandte Erscheinungen beobachten. Schreibt einer über die Liebe älterer Männer zu jungen Frauen eine Erzählung oder einen Roman, schon erscheinen einige Zeit später mindesten 2 Romane mit gleicher Thematik. Ein fatales Gesetz der Serie, das nie jemand beschlossen und verkündet hat, wirkt da im Verborgenen. Manche spezifischen Ereignisse oder Themata bringen sich via Äther gegenseitig hervor und suchen sich dann per Zufallsprinzip ihre Geburtskanäle. Und ist ein literarisches Thema einmal in den Köpfen und in der Welt, sind Plagiate nicht fern. Für die Liebe gilt, was Martin Walser in seinem historischen Roman Goethe formulieren lässt: „Kann sein, es ist ein Weltgesetz: Wenn einer glücklich wird, wird dadurch ein anderer genauso unglücklich, wie der glücklich wird.
Zur Erhaltung des Weltgleichgewichts.“
Was für die Liebe Gültigkeit besitzt, trifft in Abwandlung für Themata zu, die sich in der Luft oder meinetwegen auch anaerob durch ewige Zellteilung vervielfältigen: Alles was sich, in welcher Form auch immer, durchsetzt, von der Qualität einmal ganz abgesehen, unterdrückt ein anderes und lässt dieses als Kopie oder gar nicht erscheinen. Der Zufall wählt. Und wenn es nicht der Zufall ist, so sind es manchmal die Zeitläufte, die sich das Amt des Zensors anmaßen. Ob die sich permanent reproduzierenden Themen „Zur Erhaltung des Weltgleichgewichts“ beitragen ist höchst fraglich, das unterscheidet sie von der Liebe, die Goethe alias Walser meinen. Als sei ihre Form Vernunft. Was wiederum, wenn ich es bedenke, nicht so recht zu einander zu passen scheint. Und wenn Ottilie den Meister einen Lustgreis in Bezug auf Ulrike nennt, gibt sie damit der Unvernunft einen verdienten Namen. Lustgreis ! – das hat den walserschen Goethe tief getroffen. Mich trifft es nicht. Mehr als Lust und Liebe treffen mich, wenn mein ureigenstes Thema als hätte man mir ins Gehirn geblickt, von anderen aufgenommen und gestaltet wird. Hervorragend, wie ich im Fall von >>>Walsers Roman „Ein liebender Mann“ mit fröhlichem Neid eingestehe.

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