Arbeitsjournal. Donnerstag (durchgestrichen: Freitag), der 28. Februar 2008.

5.34 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Seit kurz vor halb fünf auf, laß ich die Blicke halbmeditierend durch den allmählich undurchschaubar werdenden Arbeitsraum wehen. Noch kein OK von der Sonntagszeitung, was auch ein gutes Zeichen sein kann, kann halt. Ich werde jetzt langsam, ohne Eifer, an den Konzerthausorchester-Text für das Magazin gehen, der klare PR sein darf, weil das auch Sinn eines solches Textes ist und ich ja eh dahinterstehe. Heut abend muß er fertig sein. Parallel werde ich mir was für den >>>> FREITAGtext überlegen. Die mir gestellte Frage lautet: Zwar ergäben Meinungsumfragen immer wieder eine starke Präsenz der Linken, aber sie formiere sich realpolitisch nicht; und also: Warum?, Woran liegt es? Unter uns gesagt, ich habe (noch) keine Ahnung und weiß nicht einmal, ob ich eine solche Formierung begrüßte. Andererseits begrüße ich auch die Formierung der Rechten nicht und dessen, was sich Konservative nennt, sowieso nicht, schon, weil ich Gebilde wie die CDU nicht als konservativ verstehen kann mit ihrem aufgeweichten Begriff von Christentum und galoppierendem VORWÄRTS bei allem, was den Kapitalismus betrifft; allein das schon zeigt engste Verwandtschaft mit der SPD. Letztlich, obwohl ich sie aus der Warte des Künstlers und Kunsttheoretikers schrecklich finde, also aus meiner eigensten, letztlich steh ich dann d o c h auf der Seite der Grünen. Schon aus Pragmatismus. Auch wenn das grüne Kunst„verständnis“ für Leute wie mich existentielle Gefährdung bedeutet.

Was ich noch erzählen möchte, worauf ich aber zugleich nicht detailliert eingehen will, das ist, daß ich meine wirklich erste große Liebe (die sich auch körperlich realisierte und nicht nur Schwarm war) wiedergesehen habe – nach 38 Jahren. Sie rief an. Wir trafen uns. Es war ein Lehrstück der Zeit. Ich habe später geweint. Aber das war schon vorgestern nacht. „Was hast du erwartet?“ fragte mich nachher der Profi. „Ein Wunder“, hab ich geantwortet.
Es ist so. Ich glaube noch immer an Wunder. Das nur ein anderes Wort für DAS UNMÖGLICHE ist.

13.57 Uhr:
Telefonat mit Seidl: der Text ist zu lang. Das hatte ich mir gedacht. Jetzt muß ich kürzen. Aber erscheinen wird er nun. Löse gerade überflüssige Wörter heraus, bevor ich die Szenen coupiere. Und man möchte meine Handfotos haben. Die werden grad auf CD gebrannt und dann von einem Fahrradkurier abgeholt. Nebenbei bastele ich immer weiter >>>> daran herum. (Mein Gefühl, ein Gedicht sei so lange nicht gut, wie es berechtigte Einwände wegen des Handwerks gibt. Gute Gedichte sind evident, wie >>>> dieses und >>>> dieses.)

6 thoughts on “Arbeitsjournal. Donnerstag (durchgestrichen: Freitag), der 28. Februar 2008.

  1. Kunstverständnis als existenzielle Gefährdung? @ ANH: „Auch wenn das grüne Kunst„verständnis“ für Leute wie mich existentielle Gefährdung bedeutet. …“

    Welchen Kunsttheoretiker seit Beuys haben die Grünen denn aufzuweisen, was ist „Grünes-Kunstverständnis“? – Sozialdemokratisches Kunstverständnis manifestiert sich in Sozialpolitik für Künstler, was für den Künstler als Person vorteilhaft sein kann, für seine Kunst per se aber verständnislos bleibt. Autoren, die der reinen Lehre des Liberalismus in der Kunst das Wort reden, übersehen allzu leicht, dass sie selbst mit ihren Einnahmen finanziell von öffentlichen Töpfen abhängig sind. (Tantiemen f. Theaterstücke, Honorare Funk und Fernsehen, VG-Wort)

    Gibt es überhaupt „rechtes“ Kunstverständnis? – Wie sagte weiland FJS: „Der Geist steht links.“

    1. @JakovK. Das Verständnis der Grünen von Kunst ist das Verständnis von Kunsthandwerk; damit überschneiden sie sich mit Vorstellungen der SPD. Das Kunstverständnis der Konservativen, meiner Erfahrung nach, ist – was die Kunst angeht – weiter (nicht, was die existentielle Sicherung angeht, die von der Konservativen allerdings eher mäzenatisch geleistet wird als von der Linken, bzw. sog. Linken). Und, nein, ich übersehe die Sozialleistungen, die aus der Linken und fast nur aus der Linken kamen, durchaus nicht. Die KSK ist eine enorm wichtige Institution. Das würde ich nie in Abrede stellen. Aber die KSK umfaßt auch Pop-„Künstler“ usw. und den gesamten Bereich der U-Industrie, soweit Kunstschaffende daran beteiligt sind. Was m i c h bewegt, ist aber nicht gewerkschaftliche Absicherung oder dergleichen, sondern halt – Kunst. Alles andere läuft unter Sozialpolitik und gehört da auch mit Fug und Recht hin. Daß wiederum in gewerkschaftlichen oder gewerkschaftsähnlichen Bewegungen die Kunstfrage gar nicht im Mittelpunkt stehen d a r f, sondern vorsichtig ausgeklammert werden muß, werde ich ebensowenig bestreiten.

      Ein „rechtes“ – unangenehm in deutschen Zusammenhängen – Kunstverständnis scheint es mir seit ein paar Jahrzehnten durchaus zu geben; es hängt mit dem Aufkommen eines unbestreitbaren Rechts-Intellektualismus zusammen, der vor allem aus Frankreich kam. Man muß nur aufpassen, daß man hier die Phänomene nicht durcheinanderwirft, wie vorschnell etwa in den Diskussionen um Anselm Kiefer, aber auch um Hans-Jürgen Syberberg getan worden ist, die ganz zweifelsfrei zu den wichtigsten und ergebigsten Künstlernaturen gehören, die Deutschland nach dem Krieg hervorgebracht hat.

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