Arbeitsjournal. Donnerstag, der 10. April 2008.

5.23 Uhr:
[Arbeitswohnung. Galina Ustvolskaya, Komposition 1, Dona nobis pacem.]
>>>> Das ist mir so wichtig, daß ich den Kommentar sogar noch vor das heutige Arbeitsjournal geschoben habe, das eines der Disziplinierung sein muß, bzw. der Selbstvornahme gilt, mich zu disziplinieren. Imgrunde müßte ich >>>> die alte so strenge wie strikte Form des >>>> Dts (das ja für „Den Tag strukturieren“ s t a n d) wieder praktizieren, die meinen Tag durchterminiert hatte. Ich halte sonst mit den Arbeitsnotwendigkeiten nicht Schritt. Vielleicht probiere ich es erst einmal in gemäßigter Form, aber in den Tag arbeitend zu verfließen, ist momentan eher kontraproduktiv. Sowohl die BAMBERGER ELEGIEN, das ist mir gestern deutlich geworden, erfordern noch z w e i volle Arbeitsgänge, als auch, daß ich mich dringend strukturell noch einmal mit dem Marianne-Fritz-Stück befassen muß. Dazu das Cello. Dazu, daß ich mit meinem Jungen täglich anderthalb Stunden lerne und seine Cello-Übungen mit anschaue. Da ich der Familie wegen, was sich von meiner früheren Situation sehr unterscheidet, zusätzlich immer schon bereits um 18 Uhr daheim bin, nimmt das ebenfalls Arbeitszeit; und nach 22 Uhr, wenn alles schläft, bin ich noch nie arbeitsfähig gewesen, da verschwimmt mir selbst Lektüre vor den Augen.
Also: die Schraube anziehen.

Mailwechsel gestern noch mit „meiner“ Regieassistentin für das Marianne-Fritz-Hörstück; sie hat schon gelesen (ich immer noch nicht; noch nicht wieder, hat auch Ideen, will bereits Direktiven, die ich aber eben noch nicht geben kann). Bernd Leukert schrieb mir Empfehlungen für Komponistinnen. >>>> Johanna Doderer, auf die ich kam, scheint mir nun d o c h nicht zu passen; sie ist zu vital, auch zu chic für Marianne Fritz, wirkt irgendwie stromlinienförmig in der Selbstdarstellung. Interessant, ja, aber nicht für dieses Projekt. Dennoch werde ich mir noch ein paar Sachen von ihr anhören und habe auch den Kontakt aufgenommen. Wirklich passend kommt mir aber >>>> Galina Ustvolskaya vor. Leukert schrieb gestern, und da horchte ich auf:Neben der Gubaidulina, die sehr gut orchestrierte Musik schrieb (das ist ihre Stärke, Schwächen hat sie oft in der Komposition selbst) gab es noch Galina Ustwolskaja, eine streng religiöse Russin, die (nicht nur) Studentin von Schostakowitsch war, sondern auch bei Messiaen studierte und wie er eine manchmal peinigende, naive Rigorosität betrieb. Vor zwei Jahren ist sie im Dezember mit 87 Jahren gestorben. Wenn Du Härte und Unbedingheit (wie Du selbst sie zuweilen an den Tag legst) suchst, dann findest Du sie bei ihr.Es ist vor allem der letzte Satz, der mich aufhorchen ließ, gar nicht so sehr meiner eigenen Rigorosität halber, sondern vor allem – nein, n u r – Marianne Fritzens Rigorisität halber. Also höre ich mich jetzt durch Ustvolskayas Kompositionen hindurch. Für sie eingenommen hat mich auch das: „Ich schreibe dann, wenn ich in einen Gnadenzustand gerate. Dann ruht das Werk eine Zeitlang, und wenn seine Zeit gekommen ist, gebe ich es frei. Wenn seine Zeit nicht kommt, vernichte ich es. Aufträge nehme ich nicht an.“ >>>> Reinhard Schulz hat vor allem diesen letzten Satz – er steht für eine Form des Widerstandes – eindrücklich gewürdigt.

Bei diesen Arbeitsvorhaben werde ich mich deutlich in Der Dschungel zurücknehmen müssen, zumal das nächste Wochenende (vom 18. bis 21.4., auch der Montag hängt noch dran) sowohl wegen Heidelberg als auch vor allem wegen Hausach und der Haushaltsauflösungs/Nachlaßsache meiner Mutter für die Arbeit quasi ausfällt.

Wegen der BAMBERGER ELEGIEN wird immer klarer, daß ich die strengen Hexameter, dien ich jetzt noch weiterperfektioniere, nach diesem Perfektionierungsdurchgang radikal lockern muß. Das hat vor allem sprachliche Gründe; vielleicht nehme ich auch ganze Ausführungen wieder heraus und gebe statt dessen nur unrhythmisierte Reizworte mitten in den Text hinein. Ich habe über >>>> Hurkas Kritik unterschwellig dauernd nachdenken müssen.

14.19 Uhr:
Sehr tief geschlafen; einmal kurz aufgeschreckt, weil es klingelte; der Bote stand direkt vor der Tür und übergab mir vom >>>> FREITAG 1596 engbedruckte Seiten Roman: den neuen Pynchon, den ich bis zum 25. April besprochen haben soll. Ich wollte ihn ja auch besprechen, aber als ich das vorschlug, wußte ich noch nichts von dem nahen Termin der Marianne-Fritz-Produktion, und auch nicht, daß die Fahnen so spät erst kommen würden. Oh je.

21.50 Uhr:
[Am Terrarium.]
Nach Abendessen, dem Jungen vorlesen, die Küche in Ordnung bringen usw. noch vierzig Minuten Cello geübt, bis zehn Minuten vor 22 Uhr, damit die Nachbarn nicht meinen, man zocke es bis auf die letzten zehn Sekunden aus. Und jetzt fange ich mit dem Pynchon an: der Brocken liegt bereit.

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