Ein Bild, eine Plastik oder Skulptur, eine Installation ist ein Fertiges, gleich einem parkenden Auto, einem Schiff im Hafen, einem Flugzeug im Hangar, das in diesem Zustand keine aktive Geschwindigkeit kennt. Es scheint statisch. Lebendig, zu Vektoren geraten Werke bildender Kunst dann, wenn wir sie rezipieren. Unser ästhetisches Bewusstsein verwandelt die potentielle Energie ihrer Strahlkraft in kinetische Energie, deren antizipatorischer Charakter die Absichten von Schöpfern (Künstlern) oft übersteigt. Bewegung ist Aneignung. Aneignung ist Bewegung. Fatal wird dies nur, wenn Rezeption und Antizipation sich Regeln einer Dromokratie unterwerfen, die tiefer gehende Aneignung verunmöglicht. Die Freiheit zum Aufbruch (Tempo) und die Möglichkeit des Abbruchs (- momentaner Stillstand, Unterbrechung sind Pausen – nicht Tod! -) sind zwei Seiten der gleichen Medaille, die differenzierte ästhetische Wahrnehmungen erst ermöglichen.
Geschwindigkeit ist eine Form von Gewalt sagte irgendwann einmal Paul Virilio, und Gewalt, so meine ich, kennt nur einen negativen Horizont, der zum Schweigen, zur Aphasie führt. Kunst aber will reden. Sie kann das nur, wenn ihre innere Geschwindigkeit, die sich in der Regel zum Tempo jetziger Zeiten wie Seumes „Spaziergang“ zum Jumbojet verhält, von den Betrachtern erkannt und respektiert wird. Die eigene innere Uhr in Einklang mit dem Vektor „Kunstwerk“ zu bringen ist schwierig und verlangt demütige Einfühlung und hermeneutische Konzentration. Synchronisation ist ein Ziel. Atemlose Marathonläufer, die wir sind, werden allerdings nie das Band zerreißen. Die Realität lässt halt immer zu wünschen übrig. Wir lassen zu wünschen übrig.
>>>>Bildquelle: Rebecca Horn: Bleistiftmaske, Filmstill 1972.