„Am Sonntag Kantate erfahren wir, dass das Lied wesentlicher Bestandteil des gemeindlichen Lebens ist. Das lobpreisende Lied kann nicht nur die Herzen fröhlich machen, sondern auch Türen aufschließen; das Klagelied hilft nicht nur, Not und Sorgen abzulegen, sondern vermag auch neue Hoffnung zu geben. Der Liederschatz der Kirche ist unermüdlich groß, und es ist gut, dass das „Gesangbuch“ des jüdischen Volkes, der Psalter, darin eine wichtige Rolle spielt, denn die Psalmen sprechen wie nur wenige andere Lieder tief aus dem Herzen des Beters. Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder! (Ps 98, 1a)“
Bad Steben. Cafe Reichl. An unserem Tisch ein älteres Ehepaar. Draußen regnet es Bindfäden. Sie, nach eigener Aussage, 80 und ihr ein Jahr jüngerer Mann bei Kaffee und Kuchen. Ja, sagte sie, heute morgen waren in Naila in der Kirche, Kantatengottesdienst, was soll man bei diesem Wetter schon machen Er löffelt seine Nuss-Sahne-Torte, sie Schwarzwälder Kirsch. Sie seien hier ein paar Tage, um es sich in der Therme gut gehen zu lassen. Wussten sie, dass der berühmte Alexander von Humboldt hier gelebt hat, fragte mich der alte Mann, ein kleiner Sahneklecks hing ihm dabei am Oberlippenbart. Und heute Abend gehen wir zum Kirchenkonzert in die Lutherkirche, sie spielen Bach, ergänzt die alte Dame als habe sie ihren Mann nicht verstanden, den unsere Antwort auf seine Frage sichtlich nicht wirklich interessiert. Meine Mutter, erzählt er, deswegen seien sie auch hier, habe so um 1921 herum in Bad Steben als Dienstmädchen arbeiten müssen. Das war eine schwere Zeit in Deutschland. Hier in Steben, kurten nur damals nur „Judenweiber“. Es klang wie ein Peitschenhieb.
Bild: Alexander von Humboldt beim Botanisieren in einer Urwaldhütte. Friedrich Georg Weitsch, 1806 Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie