Ein Bild betrachten ist wie ein Buch lesen. Hier und auch dort sind es die Imaginationen des Ich, die im wesentlichen auf eigenen Erinnerungen fußen. Wenn der Ursprung aller Kunst aber Erinnerung ist, wie >>>>Peter Weiss einmal in seinen Notizbüchern schrieb, dann ist Rezeption von Kunst nichts anderes als Mobilisierung des eigenen Gedächtnisses, das, nun in Bewegung geraten, in die Kunstwerke all das hineinliest, was uns betraf, betrifft oder positiv und negativ betroffen macht. Kunst, überträgt man z.B. eigene Erfahrungen in Dantes Poesie, – dabei ist nicht wichtig, ob man immer versteht, wie er es denn gemeint hat, – hält das Bewusstsein am Leben. So spiegelt ein Gemälde Giottos ein Einverständnis mit den Mächtigen wieder und offenbart damit einen (unseren?) feigen Opportunismus, der sich beim Lesen von Dantes Dichtung in sein Gegenteil verwandelt, weil hier Opposition, gegenüber allen Mächten, Zuspruch erfährt. So wie jedes Bild sein eigenes Licht entfaltet, das nicht der Natur nachgeahmt ist, bei La Tour kann man dies wunderbar sehen, seine Bilder leuchten in das Gedächtnis und bringen Schatten zum Tanzen, die man längst marmornen in Grüften versiegelt glaubte,so hat auch jede einzelne Dichtung ihren autonomen Ton, dessen Klang vergessene Empfindungen wecken kann, vorausgesetzt die Membranen sind noch nicht vom Alltagslärm verstümmelt.
>>>>Bildquelle: Georges La Tour, Anbetung der Hirten ca. 1644
lichtbilder das finde ich wunderschön formuliert und es kommt meiner wahrheit nahe.
das licht eines bildes bringt licht in die gedanken, erinnerungen, wünsche…