Arbeitsjournal. Mittwoch, der 7. Mai 2008.

5.11 Uhr:
[Arbeitswohnung. Ustvolskja, Oktett.
Da ich in dieser Woche g a r nicht zu einem Mittagsschlaf komme, die Zwillinge nachts schwierig sind (sie sind nur ruhig, wenn sie im Arm liegen; aber dann kann man sich im eignen Schlaf nicht drehen), ich aber weiterhin um halb fünf Uhr morgens aufstehe, um bereits >>>> vor der Produktion etwas zu tun, bin ich momentan abends sehr müde, komme ich heim. Das Wetter allerdings ist für die kleine Halbstunden-Radtour bestens, ich fahr ja immer schnell, da bin ich dann ganz durchgeschwitzt. Das Wetter ist bestens, ja, aber nachts immer noch zu kühl für den Mai; man wird frühmorgens mit Blütendüften entgolten, die die Bäume ausströmen…
Wieder Ustvolskaja. Und zu meiner Überraschung, weil mir Thomiak nämlich nichts gesagt hat, finde ich heute morgen statt der erhofften Benachrichtigung wegen der >>>> MEERE-Postsendung einen Brief Arndts, unabgestempelt, als Boteneinwurf sozusagen (ich bin mir gewiß, die „Botin“ war die Thomiak selbst), in meinem Briefkasten; er liegt noch ungeöffnet hier. Seltsam, ich m a g ihn nicht öffnen. Ich mag ohnehin wenig momentan, außer an dem Marianne-Fritz-Stück weiterzuarbeiten. Denk ich an Außen, an ein Außen, bekomm ich eine leichte Depression. Das ist die Fritz-Welt, glaube ich, die sich da auf mich stülpt, ihre reiche, sehr reiche Imaginationswelt, die sich gegen die äußere, wie immer auch ebenfalls reiche Welt wegsperren will und ja weggesperrt h a t. Fritz und Ustvolskaja… Man wird extrem empfindlich gegenüber „weltlichen“ Zumutungen, zum Beispiel gegenüber Rechnungen, Überweisungen, aber auch gegenüber dem Anspruch, reagieren zu sollen auf etwas, das jenseits der künstlerischen Arbeit liegt. Mir ist s c h o n klar, wie lebensfeindlich das eigentlich ist. Dafür schreibt mir ein Freund über seine Pynchon-Lektüre:hab zwar noch nicht die hälfte, aber es ist mir im leben nicht oft passiert, daß ich ein buch extra weglege, damit ich es nicht so schnell durchkriege, damit ich länger was von habe. es wird dich beruhigen, daß >>>> wolpertinger und >>>> melodien bei mir die gleich verzögerungstaktik hervorriefen. und ich bin sicher, rowohlt verkauft keine 1000 stück davon. irre.Emails lese ich nämlich, und zwar sogar dann, wenn sie schon im Betreff Ermahnendes haben, etwa die von der Presseabteilung der Deutschen Oper: „Lieber Herr Herbst, leider ist Ihre Pressekarte für die >>>> JEANNE D’ARC-Aufführung am 2. Mai an unserer Billettkasse liegengeblieben. Wir verstehen gut, dass man durch evt. kurzfristig auftretende Situationen einen Termin plötzlich nicht wahrnehmen kann. Daher haben wir die ganz herzliche Bitte an Sie – falls dies einmal wieder der Fall sein sollte -, bestellte Karten freundlicherweise bei uns abzusagen. Wir sparen dadurch Arbeit, und die Karten können außerdem wieder in den Verkauf gegeben werden. Mit herzlichem Gruß“Ich habe sofort ein Entschuldigungsschreiben formuliert und weggeschickt, obwohl selbst das mir, völlig ungerechterweise, lästig war. Daß mir die Sache peinlich ist, muß ich nicht sagen. Es scheint etwas viel Anspannung zu sein momentan, wenn ich wieder mal einen mir an sich wichtigen Termin verbassel.
Und dieser Brief jetzt von Arndt. Das ist, als wäre Gift darin. Lebensgift. Also ein – Nahrungsmittel. Es fragt – und fragt das rein ironisch, ja abfällig: Wo ist das Leben? Wozu es auf Platon klopft, >>>> sein Gewehr. Kunst ist auch – Rückzug. Ich weiß, daß Arndt diesen ihren Wesenszug verachtet, und ich weiß, daß ich das momentan überhaupt nicht brauchen kann. (Übrigens bin ich während der Produktion, während der Regie, durchaus nicht „innerlich zurückgezogen“, sondern ganz da, und das auch „weltlich“, aber eben nur während der Produktion a l s Produktion. Anmerken tut man mir wahrscheinlich nichts.)
Einer meiner Sprecher, die >>>> nachher wieder hinzukommen werden, hat heute Geburtstag; ich hab ihm eine Flasche Grappa gekauft gestern abend, die schon in meinem Computerrucksack steckt.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .