Dritter Produktionstag. UND ALSO ES GESCHAH (Marianne Fritz). 7. Mai 2008. Nalepastraße Berlin.

[Arbeitswohnung, Ustvolskaja: Trio für Violine, Klarinette und Klavier.]
Die Fuge spielt gerade, die ich unter die beiden Sprechfugen des Stückes legen, mit der ich sie überhaupt erst bauen will. Das wird die erste Aufgabe für heute sein, erst einmal mit den Sprechern, später dann die musikalische Anlage; vielleicht werden wir genaue Positionen auch für die Musikeinsätze hörbar machen müssen. Und wir werden anfangs wieder mit dem Metronom arbeiten, uns dann davon lösen, aber den Grundschlag im Herzen der Ohren behalten.
Jedenfalls: die beiden Fugen zuerst, ab 11 Uhr. Vorher, von zehn bis elf, das Stück im vorgesehenen Ablauf weiter- und vielleicht zuendeschneiden. Wär fein, wenn das klappte. Danach will ich, daß sich alle Sprecher einen ganzen Durchgang einmal anhören und von sich aus sagen, wo sie gerne etwas noch einmal sprechen möchten; sie brauchen dazu aber diese Übersicht; an sich möchte ich verstärkt dazu übergehen, „meine“ Sprecher in die künstlerische Arbeit mit einzubinden, die Identifikation mit dem künstlerischen Konzept festziehen, dann reagieren, um die Funken zu nutzen und ins Stück zu binden, die aus der Interaktion geschlagen werden. Das ist insofern heikel, als mir mit dem Voranschreiten des Hörstücks zunehmend klarwird, welch eine Depression Antrieb des fritzschen Welt-Kosmos gewesen ist; wir sitzen ja nicht etwa am Lagerfeuer und singen gemeinsam aufhellende Gospels…
Abends sollte das Hörstück dann einmal komplett „angelegt“ sein, so daß ab morgen die Feinarbeit losgehen kann. Mit etwas Glück gibt es heute um 17 Uhr schon mal einen Durchlauf, bei dem ich – logischerweise noch vor der Mischung – ein DAT-Band mitlaufen lassen kann, um das morgen früh hier über die Kopfhörer vorbereitend zweimal hintereinander abzuhören.

NACHTRÄGE (8.5.):

Fugen sprechen.

Die Sprecher kamen teils vorpünktlich, besonders Schaale, der schon um zehn erschien und seines Geburtstages wegen Kuchen und Rotkäppchen-Sekt mitbrachte, dem dann erst keiner zusprechen mochte, weil man ja sprechen mußte, dem man aber schließlich einigermaßen d o c h zusprach, vor allem ich, nachdem wir einen ganzen Durchlauf des Rohschnitts gemeinsam angehört hatten und sich unter den Beteiligten eine Art Betroffenheit ausgebreitet hatte, Berührtheit, „das ist ja richtig ergreifend!“ sagte Peggy Lukac und wollte überhaupt keine Kritik lautwerden lassen; Mellies: „Das hätte ich nie geglaubt, daß das so dicht wird, daß das so berührt…“ Und, nachdem wir gehört hatten, fragte er mich auf dem Weg zum Gang, wo man rauchen darf: „Wer hat denn diese Musik ausgesucht?“ Heidrun Bartolomäus hatte einige kleine, sehr fachprofessionelle Einwürfe, dazu Mellies immer wieder: „Nein! Nein!“ Dennoch hat sie in zweidrei Punkten recht; wir hörten dann abermals zusammen hinein, überprüften, schmeckten ab.
Der Morgen b e g a n n aber schon gut: die beiden Fugen flutschten geradezu, wir brauchten kaum ein Anprechen und überhaupt keine Probe mehr; das Ganze hatte sich über den einen freien Tag in den Sprechern gesetzt und wurde mit Engagement, vor allem aber einer Energie vorgetragen, die einem jetzt, im Stück, wie vor den Kopf schlägt, ohne daß irgendwie überzogen wird. Tatsächlich behält alles die Ausstrahlung höchster Konzentration. Daß ich soviel Wert darauf lege, für dieAufnahmen immer alle Sprecher dabeizuhaben (das ist unüblich geworden, es wird unterdessen meist in Modulen gerabeitet, die dann am Schneidetisch zusammengesetzt werden), hat sich abermals enorm bezahlt gemacht: Die Schauspieler untereinander, egal, ob Star, ob Sternchen, hochkollegial, ja freundschaftlich, viel wird gelacht, viel wird erzählt, von früher, aus DDR-Zeiten, von jetzt; gegenseitige Achtung beherrscht das Feld – und so sprechen sie denn auch völlig gleichberechtigt, bei einigen muß man etwas heben, bei anderen etwas wegdämpfen oder umleiten, etwa, daß Mellies’ Baß naturgemäß schnell in die Führungsrolle läuft, was hier aber nicht sein darf, zumal es das Stück über eine Frau ist… und sie ließen sich auch lenken, locker, wobei… als ich die Schnitte hörte, als wir schnitten, und dann mich selbst hörte, wie ich übers Mikro Sprachregie-Anweisungen gab, da zuckte ich denn doch zusammen, weil es ungemein autoritär klang. Das wurde akzeptiert, zu meiner nachträglichen Überaschung, und nachdem wir gemeinsam den Rohschnitt gehört hatte, wurde es auch berechtigt, bekam Grund, Erde, Sinn. Mellies, mit einer leisen Ironie, nannte mich hinterher ein paarmal „unsren Principalen“ und nannte das Stück einmal ein „Requiem“. Woran etwas ist, und nun ist es mein >>>> zweites, das ich für Künstler geschrieben, deren Konsequenz ich, ja: verehre..
Hübsch ist noch d i e s e Geschichte: Ein weiteres Mal verdanke ich mein herrliches Sprecher-Team dem Einsatz Antje von der Ahes: „Rufen Sie Heidrun Bartolomäus an, rufen Sie Peggy Lukac an… aber ich ruf vorher an und erzähle von Ihnen.“ Und dann kommt heraus, daß Sie letzterer erzählt hat, da sei ein ganz toller jüdischer Regisseur…. Also erzählte ich die Ribbentrop-Geschichte noch. Lukac: „Das stimmt, das ist wahr, als ein Ribbentrop hätten Sie nie etwas veröffentlichen können…“ „Ich hab wirklich gedacht, daß Sie jüdisch sind“, so von der Ahe, die jetzt ganz ganz leicht von den Socken war. Woraufhin dann das Thema nahelag, wie einen der Name in bestimmten sozialen Zusammenhängen tatsächlich bestimme, der Schein das Sein verbiege… sie hat selbst zu DDR-Zeiten einiges mit ihrem Namen zu tun gehabt, dieses – und sei es vorgebliche – Aristokratentum in einem Kleinbürgerstaat… entsprechend die Sanktionen.
Wir trennten uns am Nachmittag schon, ich gab von der Ahe meine „Undine“ mit und den beiden anderen Damen, die vortags geklagt hatten, daß es kaum Rollen für Schauspielerinnen um die 50 gebe, mein Nicht-Sirius Stück; dieses ebenso Otto Mellies.
Schimanski, die sich als Regie-Assistentin mehr als nur bewährt, die wirklich perfekt ist, sowohl in der Organisation als auch vor allem beim Schnitt (sie hat nicht nur jeden einzelnen protokolliert, sondern hört ihn, innerlich, wenn ich nach Versionen frage), sowie Andreas Meinetsberger und ich blieben noch dort, um ein paar Kleinigkeiten zu revidieren – aber imgrunde war die Luft jetzt erstmal raus. So ließen wir denn nochmal einen Durchlauf starten, aber nur, damit ich mein DAT-Band für >>>> die heutige Früharbeit bekommen konnte. Danach ging’s heim, und bei mir gab es Am Terrarium einen Riesenberg Spargel.

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