Arbeitsjournal. Mittwoch, der 25. Juni 2008.

5.28 Uhr:
[Arbeitswohnung. Stenhammar, Streichquartett Nr. 6 d-moll.]
Diese Quartette, ich hab sie auf Vinyl, gehören zu den schönsten der letzten Jahrhundertwende, die ich kenne. Hab ich ganz vergessen, UF zu sagen, der während seines Besuches wieder durch meine Sammlung gegangen ist, um Sicherheitskopien zu ziehen, falls hier mal alles abbrennen sollte.
Streit ist in Der Dschungel, oder war es doch; Sie werden davon mitbekommen haben. Das ging gestern nacht so weit, daß ich mal wieder kurz davor stand, die Kommentarfunktion auf etwas Zeit zu deaktivieren. Davon hielt mich >>>> Sumuzes Kommentar ab, einfach weil es da plötzlich einen >>>> sehr witzigen Querschläger gab; witzig ist das, wenn man weiß, daß Lavantes eines der vielen Pseudonyme >>>> Michael Perkampus‚ ist; ich werd gleich mal was darunter kommentieren. Hier lebte etwas auf, das s o, jedenfalls in dieser Spontaneität, wirklich nur im Netz möglich ist: das entstehende Gerücht als literarische Form. Ein Gerücht ist es, da bin ich mir sicher, es sei denn, bereits Malos‘ erste Mail an mich wäre fiktiv gewesen; nur, wo könnte Lavantes die Informationen über meine südafrikanische Zeit herhaben? Kennt er MD? Hm. Außerdem schreibt Malos, jedenfalls vermittelt er diesen Eindruck, aus Berlin Und >>>> d i e s e Diotima? Wäre dann nicht auch sie seine Fiktion? – Jedenfalls flaute mein Ärger darüber ab, daß er in einem Beitrag bei sich selber eine meine Mitarbeiterinnen ein Weibchen nannte. Den Text mailte mir eine Schweizer Freundin, die Erfahrung mit ihm hat, in Kopie, ich selber geh ja auf Seiten von >>>> Anti-Herbstlern prinzipiell nicht oder nicht mehr, wenn sie’s geworden oder von mir zu solchen deklariert worden sind. Zwar also legte mir die kluge >>>> Cellini sehr nahe, die Kommentarfunktion für ein paar Stunden auszuschalten, einfach, damit sich die Gemüter beruhigen und Kiff & Koks stoffwechselseitig abgebaut werden könnten. Irgendwann war ich aber zu müde und vergaß es einfach. Tatsächlich ist die Nacht ruhig geblieben, nur daß ich heute morgen eine Nachricht von Perkampus selber fand, der mir über >>>> das fiktionaere Kontaktformular schrieb: „für die etwas persönlich gefärbten passagen entschuldige ich mich. für die gesamtaussagen nicht. p.-“ Er verkennt die Situation; ich möchte gar keine Entschuldigung, sondern nur, daß er mich in Ruhe meine Arbeit tun läßt, ohne seine Spaltungsichs ständig grob dazwischenzugrölen zu lassen, wenn er mal wieder ein Glas zuviel hat. Daß ich ihn für eine Art Genie halte (sollte er Malos s e i n, dann sowieso), das wird davon gar nicht berührt; er mag es bleiben in welchem Stil auch immer; nur: hier, da hat er sich an Umgangsformen zu halten.

Ich sitze noch immer an der letzten Scelsi-Variation, uninspiriert, vielleicht; immerhin sind die beiden >>>> Stollen entworfen. Jetzt muß ich von dem ein wenig zu metaphysischen Aufgesang in den irpinischen Garten, ins Konkrete zurück, wo die Freunde leer den Komponisten erwarten: Oliven, Lorbeergerüche, Wein auf dem Tisch:: aus „Oliven“ ließe sich eine schöne jambische Konstruktion formen. Daran werd ich gleich nachher wieder sitzen. Um halb zwölf muß ich los, weil der Cellounterricht heute bei der Lehrerin stattfindet. Und >>>> Robert HP Platz rief gestern noch an, frisch aus Brasilien. Man hat ihm zu Ehren dort eine Konzertreihe mit seinen Werken gegeben; >>>> er selbst hat dirigiert; nun hat er Termine in Berlin und wollte mich gern sehen. Das werden wir am Nachmittag hinbekommen, denke ich. Nur daß mir gestern gleich zwei Kronen gleichzeitig rausgefallen sind (meine Liebe zu altem harten Brot) und ich wohl noch eine Sitzung beim Zahnarzt heute hinzuschieben muß. Da die Krankenversicherung ausnahmsweise mal bezahlt ist, hab ich davor keine Angst.

7.05 Uhr:
[Stenhammar, Erstes Streichquartett C-Dur.]
Und dann entsteht aus alledem – und ganz versteckt – >>>> solch ein schöner poetischer Text! Und die Musik möchte, daß ich weiterlerne, weiterlerne, am Cello, um vielleicht eines Tages unter den Instrumenten solche Gespräche mitführen zu dürfen, wie dieses eines ist, das ich gerade höre.

9.07 Uhr:
>>>> Geschafft. (Vorerst, provisorisch. Mir gefällt noch der Eigenstand des letzten Fünffüßers nicht.)

10.30 Uhr:
Nach dem Cello vor der Stunde. In einer muß ich losziehen. Und ich habe den Zahnarzttermin bekommen, gleich n a c h dem Cellounterricht. Das wird einige Radelei. Keine Ahnung, wann ich dann wieder an den Laptop komme.

21.18 Uhr:
[Am Terrarium.]
Eins zu Null für die Türkei, Eins zu Eins kurz darauf; es muß sich für Fußball nicht interessieren, und bekommt es dennoch mit, wer auf der Schönhauser „eine rauchen“ steht. Aber abgesehen davon, daß es bei Kaiser’s quasi keine Alkoholika mehr gibt, wirkt die Straße weniger unfriedlich als bei den vorigen Spielen.
Dafür war’s beim Zahnarzt nicht so arg friedlich, wenngleich wir wieder einmal sehr gelacht haben, Arnold und ich, quasi unentwegt, und er machte so seine Bemerkungen nach einer mehrfachen Wiederholung von „O… o o o… oh, o o… oh“, als ich den Mund geöffnet hatte und er hineinsah… machte Bemerkungen, auf die ich meiner Maulsperre halber nicht angemessen reagieren konnte. Es wurde eine lange Sitzung, und am nächsten Dienstag wird die nächste folgen, „ich brauche da auf jeden Fall eine Dreiviertelstunde… was soll ich dir sagen? wir m ü s s e n daran…. Hm, ich verspreche nichts, nein, ich verspreche gar nichts, aber vielleicht“ klopf pöchel, klopf poch, „vielleicht krieg ich das hin, den Zahn noch zu retten. Aber du brauchst auf beiden Seiten neue Kronen, das hilft nichts. Okay, wir legen mal das Fundament.“ Zur Sprechstundenhilfe: „Ich brauche Beton. Ach so, und einen Dübel.“ Zu mir: „Betondübel, den schrauben wir da jetzt rein.“ Meine gerade panische Angst vor dem Zahnarzt hat sich in den letzten Jahren zu einer Zahnarztlust entwickelt, ja, ich geh tatsächlich gerne dahin, auch wenn ich schwitze, und zwar je lieber, je heikler die Aufgabe des Zahnarztes ist. Und zwar liegt das an der Technik. Ich darf sehen. Seit ich sehen darf, ist es mit der Angst vorbei. „Das tut jetzt weh.“ „Okay, aber bitte schalte den Monitor an. Wenn ich sehe, was du da machst, ist es in Ordnung.“ So daß der Schmerz von meiner Neugier überdeckt wird. Sage noch einer, das Gehirn sei nicht großartig… „Du weißt, alles erklären, was du tust, jedes Gerät vorher zeigen.“ „Jaja.“ „Nein, wirklich jetzt… und geht das mit der Kamerasonde bitte?“ Über dem Behandlungsstuhl, auf dem man in Kopfabwärtsschräge liegt, ist an der Decke ein Monitor angebracht, auf den, was im Mund passiert, als Film übertragen wird. Dazu reißen wir dann Witze, Arnold deutlich artikuliert, ich gänzlich konsonantenfrei.

Um fünf rief mich dann >>>> RHPP übers Mobilchen an. Das war zu spät; die Babies ins Bett zu bringen, geht vor. Um 21 Uhr gehe sein Flieger. „Gibt es Neues wegen unserer Oper?“ „Nur Absagen bisher, aber ich bin dran.“ „Laß uns telefonieren, wenn du wieder in Köln bist.“
Danach seh ich mir an, was zwischenzeitlich >>>> im Anti-Herbst los war. Er entgleitet. Zum Teil gehört nun, was da drinnen steht, nicht da hinein.

Als ich vom Zahnarzt wieder heraussenwar, regnete es. Naß kam ich in der Arbeitswohnung an, das Cello auf dem Rücken. Doch die Tagetasche hielt dicht (seltsame Formulierung, metaphorisch gelesen).

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .