Bade-und Lesetag. 05.09. Paul Reichenbach sucht Bestätigung.

Heute ist Badetag. Gegen 14.00 Uhr werde ich unter dem ersten Aufguss stöhnen. Die Woche gehört einfach ausgeschwitzt, sie war, was mich betrifft überflüssig. In einem bisher von mir nicht gelesenen Buch, das mir gestern durch Zufall in die Hände fiel, entdeckte ich beim flüchtigen Durchblättern folgende Sätze und fühlte mich bestätigt;ein Amateur wie ich braucht ja manchmal zur Selbstkontrolle Fremdes, das ihn bestärkt:
Nachdem die Schrift entdeckt war, haben die Menschen mit ihrer Hilfe die Mythen in jenen schon hochstilisierten und dichterischen Formen aufgezeichnet, in denen sie mündlich überliefert waren. Die streng durchgeformte Sprachgestalt, die wir dichterisch nennen, kommt zu den Mythen nicht als etwas Äußerliches hinzu, sondern stellt rein durch ihre Form die innere Struktur der mythischen Weltentwürfe dar. Mythos ist nur als Dichtung möglich. Bis in die Gegenwart gilt auch das Umgekehrte:

Dichtung ist nur als Mythos möglich.*

* Georg Picht, 1981, Was ist Literatur? In: G. Picht, Hier und jetzt: Philosophieren nach Auschwitz und Hiroshima, S. 276

4 thoughts on “Bade-und Lesetag. 05.09. Paul Reichenbach sucht Bestätigung.

  1. Genau diese ‚Identität‘ von Mythos und Dichtung sehe ich als das eigentliche Moment ihrer andauernden Verbindlichkeit an.
    Ohne die mimetische ‚Regression‘ auf den Mythos gelänge es der Dichtung wohl kaum, ihre Relevanz weiter zu behaupten.
    Jene Öffentlichkeit, die der Mythos als Hort kollektiver Erinnerungen herstellt, ist dieselbe Öffentlichkeit, die auch die Dichtung erreichen kann. Dabei werden deren mimetische Umwege zum Mythos zwangsläufig immer verschlungener und labyrinthischer. Es ist ja der Mythos selbst, welcher der Dichtung nachgerade
    (s)eine ontologische Qualität aufzwingt: Im mythischen Bild gibt es KEINE Spannung zwischen dem ‚Zeichen‘ und dem ‚Bezeichneten‘; zwischen ‚Bild‘ und ‚Abgebildetem‘.
    Genau diese Identität zwischen ‚Bild‘ und ‚Sache‘ findet ihren leibhaftigen Niederschlag im mythischen Bild – und, wenn es denn gelingt,- auch im poetischen.
    Die Affinität von Mythos und Utopie findet hierin ebenfalls ihre Begründung: Der Mythos ist geschichtslos, gleichwohl aber nicht ‚gesichtslos‘. Er setzt das ewige Dilemma der Dialektik zwischen Anschauung und Denken, zwischen Sein und Bewusstsein leibhaftig ausser Kraft! Was die Einheit des Mythos illustriert, ist ein gelingendes Ausser-Kraft-Setzen der Dialektik zwischen physischem Körper und metapysischem Bewusstsein.
    Es ist, wenn man so will, die eleatische Seite der Erfahrung, die im Mythos und in der Dichtung Gestalt annimmt.

    Wir brauchen den Mythos und die Dichtung, um uns zu erfahren. Das Tertium zwischen beiden besteht darin, dass beide eine Geschlossenheit veranstalten, die es als solche wohl zu keiner Zeit gegeben hat.

    1. Danke. Gestern lief auf ARTE eine informativer Beitrag über Sophokles, der, wie ihr kenntnisreicher Kommentar, mit Verweisen auf die wechselseitige Determination von Mythos und Dichtung, logischerweise nur so gespickt war. Die Geschichtslosigkeit des Mythos und sein Gesichterwandel wurde offenbar.

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