Le Misanthrope. 11.09. 2008. Paul Reichenbach sieht Alceste.

„Wer nicht die Gabe hat, seine Gedanken zu verstecken,
hat hierzulande sehr wenig zu suchen.“ (Moliere)

Heute kommen die Brasilianer, ein Neffe mit seiner Frau, die 3 Tage bei uns bleiben werden. Morgen wird die Tante in Essen verbrannt, von Blumen – Kranzspenden bitten wir abzusehen, tönt es noch heute aus dem Anrufbeantworter, der sich unerklärlicher Weise gestern nicht löschen ließ. Und dann ist schon Samstag. Sauna und Baden kann ich diese Woche abhaken, weil es einer Grundsatzdiskussion über „Schuld und Sühne“ weichen muss, die mentale Vorlage für ein Skript werden soll, das Ende November in einen interaktiven Lehrvortrag mündet, der meinem Filius, ich bin derzeit sein Prüfungscoach, abgenötigt werden wird. Die Brasilianer, die gegen Samstagabend zum Zug nach Sachsen gebracht werden müssen, stehlen dann den Rest des Tages. Keine Zeit für Literatur und für meine “Litauische Krankheit, in die ich vor fast 4 Wochen das letzte Mal hineingeschaut habe, was mir auch am Sonntag verwehrt sein wird. Wenn das Kennzeichen eines Romantikers wie ich irgendwann einmal bei C. Schmitt las, ist, dass er immer auf der Flucht sei, dass er der Wirklichkeit stets mit Ironie und intriganter Gesinnung auszuweichen versucht, was ist dann das Merkmal des antiromantischen Typs, der sich ständig an der empirischen Realität reibt und Ironie für Teufelswerk hält? Der Frage wie ein solcher Anti-Romantiker es aushält nur Werkzeug einer soziologischen Umgebung zu sein, ohne dabei in blinden Fatalismus zu verfallen, kann ich heute nicht näher nachgehen. Nur soviel: Das Streben nach Autonomie des Individuums scheint mir, angesichts meiner Lage, allzu illusionär. Leider geht mir das romantische Gemüt völlig ab, das unter zu Hilfenahme der Vergangenheit ironisch die Gegenwart negiert und sich gern zum Don Quichotte stilisiert.
Gestern Abend stellte Arte in seiner Dramatikerreihe >>>>Moliere vor. Der Beitrag war zwar nicht so gut wie die vorherigen über Sophokles und Shakespeare und doch löste er meine „Gefangenschaft“ in selbstironisches Lachen auf als Alceste auftauchte. Moliere tröstete und bestätigte mich, sein Alceste brachte mich zum Lachen: Et qui n’a pas le don de cacher ce qu’il pense doit faire en ce pays fort peu de résidence. Selbstironisch. Eine Eigenschaft, die allen Romantikern von Schlegel bis >>>>Saakaschwili „naturgemäß“ fehlt.

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