Stalking bei García Márquez. Mit einer Nachbemerkung zu Frank Schirrmacher.

Die Liebe Florentino Arizas zu Fermina Daza wäre heute – in ihrer langen sanften Verfolgung der Geliebten – als Stalking justiziabel. So vor die Hunde gekommen sind wir.

[In diesen Zusammenhang paßt auch >>>> Frank Schirrmachers Beobachtung, daß sich Freiheitsrechte in ihr Gegenteil verkehrt haben, weil sich, kann man sagen (sagt indessen nicht er, der alle Schuld George Bush gibt), jede politisch-erotische Correctness in ein System seelischer Erstarrtheit begibt und, in jetzt meinen Worten, zur Verdinglichung führt. Über Schirrmachers Artikel insgesamt ist indes noch einiges andere zu sagen: er ist nicht minder ideologisch als das, was er beklagt.]

6 thoughts on “Stalking bei García Márquez. Mit einer Nachbemerkung zu Frank Schirrmacher.

  1. Zu Schirrmachers Artikel gäbe es in der Tat einiges zu sagen. Machen Sie hierzu einen separaten Artikel?

    (Warum sollte er in nervtötendes, obligatorisches Bush-Bashing verfallen? Seine Analyse ist, eben weil sie rhetorisch raffinierter ist, um so zutreffender.)

    1. @Keuschnig. Schirrmachers Bashing. Ich habe den Eindruck, F. S. hat das bashing längst losgetreten. Er fokussiert ja rein auf Bush, als wäre nicht lange vorher die rohstoff-imperialistische Politik der USA Grundlage des Welthandels gewesen, als hätten die USA nicht lange vorher diktatorische, vor allem feudale Eegimes gestützt usw. und hätten sich nicht die extremen Handelsdefizite vom Ausland finanzieren lassen. Schirrmacher betreibt hier eine ausgesprochen idealistische Politik-Betrachtung; und Sätze wie der folgende sind doch wohl mehr als verräterisch: >>>> Es gab viele, und viele kluge Leute, die ihm glaubten und eine ganze Weile folgten, als er mit dem Hinweis auf Massenvernichtungswaffen und der Assoziation zum Dritten Reich seine Politik gegenüber dem Irak begründete.<<<<Nein, einen gesonderten Beitrag mag ich n i c h t zu dem Artikel schreiben; eine Diskussion würde schon landschaftlich gut hierhin passen (Sie wissen doch, daß >>>> Lezama Lima von der „amerikanischen Ausdruckswelt“ sprach, weil er Südamerika meinte).

    2. Im Sinne der offenen und „undiplomatischen“ Politikentwürfe ist Bush jr. zweifellos eine Veränderung gewesen. Bei keinem Präsidenten der letzten 50 Jahre waren Tat und Wort derart deckungsgleich. Und somit auch präsent. Für Bush war Guantanámo im fast wörtlichen Sinn unproblematisch. Jeder andere hätte es vertuscht – Bush nicht. Er war sich der Ambivalenz dessen, was er tat (Freiheitsrechte einfordern und sie selber im eigenen Land ad absurdum führen) nicht bewusst, nein: er war sich dessen nicht einmal bewusst, dass er sich nicht bewusst war. Bush agierte wie ein Kind: Der böse Mann wird einfach eingesperrt, weil ich es so will.

      Der neokonservative Interventionalismus, der mit hehren Werten daherkam, hatte im Prinzip die Ziele grüner und/oder liberaler Menschenrechtspolitiker Europas. Nur der Weg dahin war (ist?) ein anderer gewesen. „Die Achse des Bösen“ – eine primitiv-kindliche Metapher. Bush hat im Inneren – soweit er konnte – alle Widersacher zum Schweigen gebracht. Er verkörperte die „gute Diktatur“, die sich Hausfrauen wünschen, wenn sie demokratieverdrossen daherreden: Mit den falschen Mitteln das Richtige machen – das ist dann das Richtige.

      Aussenhandelsbilanzdefizite, völkerrechtswidrige Kriege, lügende Präsidenten – das gab es alles schon (da urteilen Sie richtig). Aber es ist eine neue Qualität, dass jemand ohne Skrupel all dies fortgeführt hat, ohne dabei grossartig zu verschleiern oder dies zu vertuschen. Ich hätte darauf gewettet, dass man Massenvernichtswaffen im Irak „findet“ (weil man sie einfach finden wollte) – das ist nicht eingetreten. Warum weiss ich nicht.

      Bush und Co. waren (und sind), damit ich nicht falsch verstanden werde, in meinen Augen Verbrecher. Aber weil sie dies so offen und so intelligenzbeleidigend vor der ganzen Weltöffentlichkeit vorgeführt haben, hat man das Gefühl, Clinton, Bush senior, Ford, Reagan, Carter – sie alle wären viel besser gewesen. Und dies strahlt auch nach vorne – auf eine Person wie Obama.

    3. „Warum, weiß ich nicht“: @Keuschnig. Ich fürchte, daß die Erklärung so banal wie furchtbar ist: Man hatte es nicht mehr nötig, Massenvernichtungsmittel zu finden, denn der Krieg war von sämtlichen West-Vasallen gedeckt – egal, was sie als Lippenbekenntnisse bei sich trugen. Es ist seit Vietnam und Satres/Russells folgelosem Tribunal im Prinzip alles gedeckt gewesen, was die USA taten; jedenfalls hat es niemals eine politische Sanktion anderer NATO-Staaten gegeben, allenfalls halblaute Proteste. George Bush ist sehr wahrscheinlich der erste US-Präsident, der das vollen Umfangs begriffen hat: Mit dem Fall des Ostblocks ist keinerlei Rechtfertigung mehr nötig. Genau deshalb muß auch nicht mehr oder nur kaum noch, höchstens fadenscheinig gelogen werden, so, wie man eine Etikette im Feindeshaus beachtet, solange man dort ißt.

    4. Versuch einer Präzisierung Gelogen werden muss vorher, um den Kriegsgrund zu rechtfertigen – nachher ist das offensichtlich nicht mehr notwendig.

      So ganz stimme ich mit Ihrer Analyse der Akzeptanz bzw. Deckung der Aussenpolitik der USA nicht zu. Es gab – auch auf politischer Ebene in den NATO-Staaten – durchaus Widerstände bspw. gegen den Vietnamkrieg, vor allem aber als Nixon/Kissinger diesen auf Laos und Kambodscha erweiterten. Diese wurden nur nicht so offen artikuliert wie das Schröder/Chirac gegen den Irakkrieg 2003 gemacht haben, was also insofern eine neue Qualität hatte.

      Die USA hat in der NATO immer schon die Rolle desjenigen übernommen, der im Zweifel die Drecksarbeit für die anderen gemacht hat, dafür jedoch bedingungslose Gefolgschaft erwartete. Das konnte man noch einmal 1999 bei Clinton sehen, als er den Europäern fast keine andere Wahl liess als den Angriffskrieg auf Jugoslawien abzunicken (die Verhandlungen vorher waren reine Fassade).

      Bei Bush änderte sich das, weil er vollkommen undiplomatisch vorging. Die „Fassade“, die er aufbaute, war derart lächerlich, dass ich mich frage, warum sich überhaupt jemand seriös damit beschäftigt hat (ich denke an den medialen Hype um Blix, der gewusst haben muss, dass er auf verlorenem Posten steht). In diesem Punkt, dem unbedingten Willen zum Krieg, hatte Bush Züge von Hitler (ich weiss, man darf sowas nicht sagen oder man sollte sowas nicht sagen, aber einmal losgelöst davon, dass alle bei „Hitler“ sofort aufschreien: Das sogenannte „Münchner Abkommen“, eigentlich ein diplomatischer ‚Erfolg‘ [freilich zu einem hohen Preis] des Regimes, hat Hitler nicht ausgereicht – er besetzte die ‚Rest-Tschechei‘ noch. Die -vielleicht gewagte- Parallele zu Bush: Selbst wenn Saddam Hussein damals alle „Bedingungen“ der USA erfüllt hätte und definitiv sicher hätte gesagt werden können, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen gehabt hätte – es wäre trotzdem zur Invasion der USA gekommen).

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