Vergil, Bucolica II 65 :
« Jeden treibt seine eigene Begierde »
Übers. Aikmaier: Jeden zieht seine eigene Begierde.
… Ihr glücklichen Menschen, die Ihr schon Eure Trophäen erbaut! Wenn ich das so ansehe, und hinter mich sehe – nichts als den Staub meiner Courierchaise gewahr werde, und mit aller Krafft – meine verdammten Postklepper noch nicht im Zaum halten kann – ia! Dann schäme ich mich und sage nicht ein Wort. – Boehlendorff, Jena, 14. Aug. 1799, an Johann Smidt
Jede Sprachkrise ist eine Existenzkrise, die letztlich nur durch Bilder, die sich der Sprache asymptotisch nähern überwunden werden kann. Es ist zum Verzweifeln, seit Tagen sitze ich an der Überarbeitung des 2. Kapitels der 3. Fassung meiner „Litauischen Krankheit“ und werde dauernd gestört. Seit Tagen meint hier immer nur die Abende, wo ich meist zu abgeschlafft bin, um genügend assoziative Freiheit zu gewinnen, die Worte in allen Sätteln reiten lässt. Und wenn dann noch Telefon und Klingel nörgeln, ist es ganz aus. Mir fehlt auch die Raumvorstellung. Ich muss hin zur „Kurischen Nehrung“. Gestern, die Urlaubsplanung für nächstes Jahr steht an, sprach ich von meinem Wunsch ab Usedom die Ostseeküste bis nahe Riga mit dem Fahrrad zu erobern. Die Reaktionen verrieten gelinde gesagt keine große Begeisterung. Das Land der Griechen nicht nur mit der Seele suchen, das wäre möglich. Der Süden wird in meinem Haus immer favorisiert. Nicht von mir, damit hier keine Missverständnisse entstehen. Nicht mehr lange bis Weihnachten. Ich habe, bis auf den Rilke-Zwetajewa- Band und der kennt nicht einmal seine Adresse, noch kein einziges Geschenk. Kommt Zeit , kommt Rat.
Bildquelle: >>>>Bernardí Roig
„Das Phantasma wird gewöhnlich als ein Ort verstanden, welches das Begehren des Subjekts realisiert – diese grundliegende Definition erscheint recht zutreffend, vorausgesetzt, wir nehmen sie wörtlich: was das Phantasma inszeniert, ist nicht ein Schauplatz, an dem unser Begehren erfüllt, vollkommen befriedigt werden könnte, sondern im Gegenteil ein Schauplatz, der als solcher das Begehren r e a l i s i e r t und inszeniert.
Der Kernpunkt der Psychoanalyse ist nämlich, dass das Begehren nicht etwas ist, das vorab existiert, sondern etwas, das konstruiert werden muss – und genau dies ist die Rolle des Phantasmas: dem Begehren des Subjekts Koordinaten zu setzen, dessen Objekt zu spezifizieren, die Position zu bestimmen, die das Subjekt in seiner Szenerie einnimmt etc.
Nur durch das Phantasma konstituiert sich das Subjekt als begehrendes: Durch das Phantasma lernen wir zu begehren.„
(Slavoj Zizek,’Mehr-Genießen‘, Wien 1992, S.9)
Sprache, Begehren….
„Um das Sprechen des Subjekts zu befreien, führen wir es in die Sprache seines Begehrens ein, das heißt in die erste Sprache , in der es schon jenseits dessen, was es von sich sagt, vor allem mit der Symbolik seiner Symptome ohne sein Wissen zu uns spricht.“ – schreibt Lacan. Ein Schauplatz des Phantasma, glaube ich, ist die Sprache.
was man so sein eigen nennt.
„Ich hätte ja von der Begierde nichts gewusst, wenn nicht das Gesetz gesagt hätte: Du sollst nicht begehren.“ heisst es im römerbrief. hätte ich nicht. und jetzt soll gleich alles meins sein auf dem resteflohmarkt der liegengelassenen libidolaubfänger? meine begierde und meine sünde. sieht so objekt klein a aus? ist das der ganze mehrwert? ich dachte, man habe die produktion von schummelfiguren eingestellt, nein?
ich wollte es gar nicht. es ist viel zu groß fürs regal. und ausserdem ist es schon was welk. man soll den geweihfarn nur einmal die woche tauchen. hab ich gemacht. und die blätter nicht abwischen. hab ich nicht gemacht. es kann sein, dass es daran liegt, dass man ihn zu viel oder zu wenig gewässert hat. hab ich beides nicht. ich hab den immermann abgesagt, jetzt quält mich mein gewissen. komm, so schlecht wäre er nicht gewesen. wohl wahr.
objet petit.
Nein – das ist nicht der ganze Mehrwert. Das mögen Schummelfiguren glauben machen. Objet petit ist Meer -wert.
Wie kann man denn den Immermann absagen…? Wenigstens seinen ‚Münchhausen‚ sollte man gelesen haben 🙂
Auch seine Novelle „Der neue Pygmalion“ ist lesenswert. 🙂
abba de jedüchte. menno. der mann hat kein rhythmusgefühl, bei aller kritischen klasse und fantastischer gesellschaftskritik. aber 18 seiten bei DEM lektor. ich weiss, wie das ausgeht, das gibt wenigstens hundert anmerkungen und einen handapparat wie buch der akribik. wenn ich auch etwas zerknirscht bin über meine voreilige kapitulation. aber die vögel im wald machen es auch so, kapitulation, ohoho, und ein paar immitationen von bier trösten mich drüber hinweg, was hat mich bloß indoktriniert, seufz.
hätte ich doch? einen ganzen märz mit immermann in edenkoben? ich dachte, ich komm davon schlecht druff? ich wollte nämlich eigentlich in die steppe und mich dem viszeralen realismus widmen, wollte ich doch. jetzt hockt der zweifel wieder beim fehlerteufel im büro und ich höre genau, was sie sich über mich erzählen.
@ Paul Reichenbach; objet petit philologique: „trahit sua quemque voluptas.“
„Jeden ZIEHT seine eigene Begierde.“
Denn vom Zielpunkt her werden wir gezogen, auf es hin (so unerreichbar es auch sei…); nicht etwa von Rücken her getrieben wie von Eumeniden…
Also: Nicht zurückschauen! Das ist ja wohl auch Boehlendorffs Problem gewesen.
Der Signifikant beginnt zu steppen…
Ja – ZIEHT ist näher dran, zum Ziel hin, zieht doch das ewig Weibliche… , wie Göthe dichtete, der gemeinsam mit Schiller an Boehlendorff kein gutes Haar ließ. Aber auch die Romantiker haben ihn nicht mit Samthandschuhen behandelt, wenn ich mich richtig erinnere. Im Kirchenbuch von Angern/Markgrafen ist als Todesursache eingetragen B. hat sich unvorsichtigerweise erschossen.
Funkelnd folgt die Löwin dem Wolf; und der Ziege der Wolf selbst;
Blühendem Cytisus folgt naschhaft die wählige Ziege;
Korydon dir, o Alexis: dahin zieht jeden die Sehnsucht.
Dt. von Johann Heinrich Voß
Ein jedweder Schäffer lobet seine Keule. So Christian Weise im „Bäurischen Machiavellus“.
Ohlalà, parallalie, wer hätte schon eine „funkelnde löwin“ gesehen? und wer müßte es noch nach der lektüre?
besonders schön am verehrten voß ist aber die „wählige“ ziege, die „naschhaft“ folgt. hier werden nicht nur metren gefüllt, sondern zeigt sich voßens problem mit vergils „lasciva capella“. wo doch fräulein ziege bekanntlich die schwester oder frau (oder beides) des geilen bockes ist. jaja…
nebenbei: r.a. schröder wußte wohl, warum er sich um dieses tierchen herumdrückt:
Wütend folget der Leu den Wölfen, Wölfe den Zicklein,
Zicklein(!) folgen dem Duft der blühenden Cytisussträucher,
Corydon dir, Alexis: denn jeglichen zieht sein Gelüste.
wessen keule ist nun die schmackhaftere?