Arbeitsjournal. Donnerstag, der 18. Dezember 2008.

6.36 Uhr:
[Arbeitswohnung. Cornelius Cardew, Material für Gitarre (Cass.-„Projekt“ Nr. 101).]
Den Wecker um fünf Uhr ausgestellt, Licht angemacht, danach nochmal eingeschlummert, um sechs auf. Es wird ein hektischer Tag, jedenfalls sein Anfang: zwischen acht und zehn will der Vollstreckungsbeamte des Finanzamtes kommen, kurz vor acht muß ich aber schnell in der Schule meines Jungen gewesen sein, um sein Cello für den Musikunterricht abgegeben zu haben; er soll da was vorspielen; wenn ich’s zeitlich packe, rase ich nach dem Gerichtsvvollzieher sofort wieder in die Schule und spiele da zusammen mit dem Jungen die beiden Duos auf, die wir zwei Männer heute abend auf dem Weihnachtskonzert in Friedenau spielen werden; wir haben da jetzt gut geprobt. Nach der Schule wieder hierher, dann ist noch ein wichtiger Brief festzuformulieren, außerdem stehen zweidrei administrative Sachen an, und ich muß die Belege für die Steuererklärung durchsortieren. An Einnahmen war es ja kaum was; zum 28., wie bereits geschrieben, soll das fertig sein. Dann ist Kontakt mit den Nachmietern aufzunehmen, die Katanga für die alte Väter-WG gefunden hat; die wollen nämlich noch im Dezember in die Wohnung; ich möchte mit denen auch klären, ob ich bitte die vielen Sachen im Keller einstweilen noch dortlassen kann; es sind viele, vor allem Kinderspielzeug und -bücher, gut verpackt; der Keller ist riesig.
Danach wird mein Bub herkommen, vielleicht schaffen wir’s, noch einmal unsere zwei Stückerln durchzuproben, dann geht’s ab nach Friedenau: mit S und U, weil ich dem Jungen nicht zumuten will, die weite Strecke mit dem Rad zu fahren, schon gar nicht vor einem Auftritt. Ah ja, und ich hatte es übernommen, für das Konzert drei Flaschen Sekt zu besorgen; das muß ich auch noch tun. Wenn dann zwischen all dem Zeug auch noch etwas Platz ist, arbeite ich an >>>> dem Gedicht weiter. Einige Verianten hab ich gestern schon hinbekommen.
Guten Morgen in Eile.

[Hans Werner Henze, Mémoires aus dem Cimarron für Gitarre.]

8.10 Uhr:
Zur Schule hin- von der Schule zurückgehastet. Jetzt: Warten. (Ans Cello).

9.15 Uhr:
Der Vollstreckungsbeamte ist schon wieder fort. Wie nahezu jeder Gerichtsvollzieher, den ich kennengelernt habe – es waren viele -, war er nett, war er menschlich und auch ein bißchen neugierig. Ich habe >>>> Eigner zitiert: „Unser Beruf ist irre. Wir müssen an einem Tag den Gerichtsvollzieher empfangen und am nächsten lädt uns der Bundespräsident zu Essen ein. Wer sonst außer uns hält solche Spannen aus?“

Αναδυομένη in Skype.

21.59 Uhr:
[Wieder Arbeitswohnung. Respighi, Dornröschen.]Ein ereignisreicher Tag für meinen Jungen. Erst morgens Vorspiel in der Schule, dazu die „Generalprobe“ mit mir, dann abends das Weihnachtskonzert in Friedenau, wo wir ebenfalls unsere beiden Weihnachts-Duos spielten (und i c h beim zweiten gehörig danebengriff, nicht etwa er). Da er sein Rad und die Schulsachen hier unten auf dem Hof gelassen hatte, sind wir erst hierher gefahren; kurz vor der Tür sagt er: „Papa, kann ich heute bei dir schlafen?“ „Hm, ist aber eng. Doch wenn du möchtest, wir kriegen das schon hin. Aber erst mußt du die Mama fragen.“
Er wollte dann unbedingt auf dem Boden sein Lager haben: mit der sich selbst aufblasenden Iso-Matratze, die schon einige Male auf unseren kleinen Vulkantouren Anwendung gefunden hat; nur der Schlafsack ist drüben Am Terrarium. Ich hatte aber vorgestern, da ja gewissermaßen rausgeworfen worden, meine dicke Doppeldecke wieder hierhergeholt, die breitete ich auf der Isomatte so aus, daß man gut hineinschlüpfen kann. Und so schläft mein Junge nun hier; er hat sich gewünscht, daß ich Musik mache, leise, zum Einschlafen. „Kann ich nochmal die Kinderoper von neulich hören?“ Mein Mitschnitt läuft jetzt, sehr leise, aber der Junge schläft bereits. Eine eigene Zahnbürste für ihn war auch da. „Hast Du ein Kuscheltier für mich?“ Gut, das hatte ich nun nicht. „Einen Schal vielleicht, diesen roten, ganz langen hier?“ „Ja, d e n!“ Zweieinhalb Meter Samtschal, der sich gut eignet, um einen Riesenturban zu binden, den hält er nun im Arm und kuschelt sich dran.
Es ist eine Art Generalprobe. Es geht auch hier; auch die Strukturierung läuft hier gut: „Weißt du, wenn man so eng lebt, wie ich es hier tue, dann ist das wie auf einem Segelboot: alles muß genau an seinen Platz, sonst kann man sich nicht mehr bewegen und findet hinterher auch gar nichts mehr wieder. Also leg deine Anziehsachen dort sorgfältig über den Stuhl. Und guck mal, ich hab sogar Kakao für dich, wie drüben immer, für morgen früh.“ Es ist ein schönes Gefühl, ihn hierzuhaben. Morgen abend werden wir voraussichtlich ebenfalls beisammensein; *** will ausgehen, sofern der leibliche Vater die Zwillinge nimmt. Ich: „Kein Problem; entweder der Junge schläft, wie er vorhat, bei seinem Freund oder noch einmal hier, oder wir schlafen beide drüben; ich lege mich dann bei ihm unten ins Doppelbett.“
So ist es, auf seine Weise, gut. Sehr gut sogar. Und die Konzerte haben Freude gemacht. Ich bin fast extrem ruhig. Auch >>>> das berührt mich eigentlich nicht; das ist neu. Neben mir liegen übrigens DER ENGEL ORDNUNGEN; vier Bände vorab kamen heute an, aber ohne den Schutzumschlag, der getrennt gedruckt und dann eben auch getrennt versendet worden sei. Deshalb mag ich das Buch noch nicht herausgeben und auch noch nicht annoncieren. Außerdem habe ich mich geärgert: ich finde den Druck zu fett; die Gedichte sollten zurückhaltend gedruckt sein, auf matte Schrift habe ich immer Wert gelegt. Kurz bei >>>> dielmann angerufen, Dielmann auch erreicht und meinen leisen Ärger – es ist mehr eine Art von Enttäuschung – zum Ausdruck gebracht. Er konnte ihn und sie, schien’s mir, nicht nachvollziehen. Dabei möchte ich verdammtnochmal nur Bescheidenheit in der Erscheinung; die Gedichte klotzen inhaltlich genug, sie müssen klassisch daherkommen im Aussehen. Nun schimmern die Gedichte je auf den Rückseiten auf je die Vorseiten durch, was ich auch schon nicht mag. Und ohne den Schutzumschlag (der himmlisch ist, ich sah ja in Frankfurtmain den Andruck) wirkt der grauweiße Kiefer-Aufdruck auf den Außenseiten wie eine billige Kunstbroschüre; ich hätte es, wie bei MEERE, da lieber rein weiß, ohne irgend einen Aufdruck gehabt. Es ist mir nicht erklärlich, weshalb man das mit mir nicht vorher besprochen hat. Doch immerhin, das Buch ist da, und vielleicht bin ich nur des ewigen Wartens wegen überempfindlich.
Als lieferbar in Der Dschungel einstellen werde ich es aber erst, wenn auch die Umschläge hiersind.

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