Tag vor den Iden. Dies comitialis.
Ich wanke ein bißchen hin und her. Zwischen hier und dort. Dem Lyrischen Intermezzo. Ein wenig fehlt der lange Atem. Das Kurze liegt mir eher. S. geht’s da auch nicht viel anders. Sie komme nicht aus der Fläche der Bucheinbände heraus, die sie als Ausdruck ihrer Kunst hervorbringt. Vier Strophen grenzen schon wieder an ein Erzählen. Aber Geschichten liegen mir nicht. Und so kam’s zunächst, daß ich erst dem Tagebuch auswich und mich auf die Reime konzentrierte und dann den Reimen in Richtung Tagebuch auswich. Also das Tagebuch als eine Art „na ja, also, Sie wissen schon“, dem die Taschen mit Zeit zu füllen, der nicht ihrer bedarf, sondern der Taschen außerhalb der Zeit, um die Hände erst hinterher hineinzustecken. Unausweichlich bleiben die Reime. Der strikte Vorsatz. Arbeit. Ohne jedoch der Versuchung nachzugeben, einfach nur einen Klingklang herzustellen. Oder dem Urtext auf den Leim zu gehen. Daß ich das hier schreibe, ist mir völlig gleichgültig. Meine Word-Dateien vereinen die verschiedenen Stränge sowieso. Und das jeweils Eine ergibt sich aus dem jeweils Anderen. – Ich führe tatsächlich das Leben eines Arbeitslosen (freilich ohne entsprechende Unterstützung). Einen Satz durfte ich heute übersetzen. Ansonsten habe ich in diesem Jahr schon 80 Euro verdient! Und was ich mir als lohnend vorstelle, braucht seine Zeit. Etwa, wenn ich wieder an das alte Projekt denke, Gaddas „Eros e Priapo“ zu übersetzen, ein Buch über den „kuce“, wie er darin konsequent den „Duce“ nennt, und den italienischen Faschismus. Das Einzige, was an Umpfang und Qualität in einer Zeit machbar wäre, die als absehbar bezeichnet werden könnte. Lassen wir das: Ideen sind keine Taten. Das Streeruwitz-Projekt wurde bereits von Eis umpfangen (ich will’s heute mit pf!): T.’s Verlag, für den es gedacht war, habe bis 2010 bereits ein volles Programm. Gut, woanders könnte ich es noch mit der einst angefangenen „Grünverschlossenen Botschaft“ von Artmann versuchen. Aber der Gedanke, mich verkaufen zu müssen, mischt sich als Trübendes ein. Und dann im 23. Jahr meines Hierseins keine wirkliche Zugehörigkeit weder zur einen noch zur anderen Seite. Das einzige, was bleibt, ist mein eigener Jargon. Hier wie dort. – Im Supermarkt nach langer Zeit eine Frau wiedergesehen, deren blaue Augen mich immer überraschen. Die einen SUV fährt, die ich hasse, und eine komisch hakende Nase mitten im Gesicht trägt. Mich überraschen hier blaue Augen immer. An meine habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Bzw. das Überraschende ist das Gewöhnliche, das ich an mir kenne, da ich aber das Ungewöhnliche bin, errichtet das Wiedererkennen eine Barriere, die alle Blicke zurückprallen läßt und auf die Suche nach sich selbst schicken, wobei man plötzlich verwirrt hinter sich blickt, ohne zu wissen, warum. Irgendwie so…