Arbeitsjournal. Sonnabend, der 17. Januar 2009.

9.39 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Erst um halb neun hoch. Ich überlege an einem poetologischen Text herum, der diesmal den Arbeitsbegriff ins Zentrum nimmt – in einer Bewegung, die einen persönlichen Vorwurf nennt und von dort aus ins Weite abstrahiert, letztlich eine Kritik der Entfremdung formuliert und bereits historische, aber nach wie vor gültige Überlegungen zu den Produktionsbedingungen im Kapitalismus mit ihrer psychologischen Wirkung, ja geschnittenen Einschreibung ins Ganglion verbindet. Mir fehlen aber noch die Wörter für den Übergang, ich sprech so vor mich hin in Gedanken (a u c h so ein Unterschied: der Gedanke als ein nurgedachter und der Gedanke als ein innengesprochener, der einem Selbstgespräch gleicht). „Wie ist das mit den Einfällen?“ wurde ich gestern abend gefragt, „wie machen Sie das, wenn Sie schreiben?“ Es ist gar nicht leicht, allein sich selber darauf eine gültige Antwort zu geben. Das strahlt in die Überlegung, von der ich gerade schrieb, durchaus hinein.
Es kam noch ein feiner Brief vom Dramaturgen der Deutschen Oper; wir werden uns im Februar zu einem Gespräch zusammensetzen. Dann noch ein Telefonat mit >>>> marebuch: Es geht um die Überklebungen der MEERE-Originalausgabe, die ich selber vornehmen werde. Das ist praktikabel, weil die für die Leipziger Buchmesse projektierte Sonderausgabe im Schuber ja nur aus 50 Exemplaren besteht. Ich werde für die Klebeaktion nach Hamburg fahren, da ich noch zweidrei Ideen „anbringen“ möchte.

Es erweist sich jetzt als Nachteil, daß >>>> DER ENGEL ORDNUNGEN noch das Jahr 2008 im Eindruck trägt, und zwar als Nachteil für Rezensionen: Was bis zur Leipziger Messe nicht besprochen worden ist, wird es danach schwerlich mehr werden, weil sich das Feuilleton fast ausschließlich je auf die laufende Saison konzentriert. Andererseits werden es 2009, sofern alles klappt, ohnedies wieder genügend Publikationen sein: die Schuber-Meere, die Bamberger Elegien und der Essayband, und nähme ich das Angebot eines Schweizer Verlegers an, käme auch noch die >>>> Kleine Theorie des Literarischen Bloggens als Buch hinzu. Ich zögere da aber immer noch, weil ich das Projekt noch nicht für abgeschlossen halte; wiederum stellt sich die Frage, ob es abschließbar überhaupt i s t. Dagegen Jean Paul (aus der Erinnerung zitiert): Nähme man einem Autor das Buch nicht weg, indem man’s publiziert, er korrigierte bis an sein Lebensende dran rum.

(Mein Junge ist heute bis morgen bei mir, da seine Mama für zwei Tage verreist ist; so wird die Arbeit wieder etwas eingeschränkt sein. Ich werd mal mit ihm zusammen drüben den Weihnachtsbaum abschmücken und auf die Straße hinaustun; ich tu das entschieden lieber in einer leeren Wohnung. Außerdem kann ich mir so den Waschsalon sparen. Die Zwillingskindlein, deren Papa ich nun nicht mehr bin, sind für diese zwei Tage bei ihrem genetischen Vater untergebracht worden; auch das nimmt Schmerz von mir; doch ob auch den beiden dabei, darf i c h nicht mehr fragen.)

12.45 Uhr.
[Am Terrarium. Allein. Strauss, Die Ägyptische Helena.]
Dies folgende Abschmücken des Weihnachtsbaumes jetzt hat etwas s e h r Symbolisches: eine langjährige Liebespartnerschaft abschmücken, Lebensgeschichte abschmücken, den Entwurf einer Familie abschmücken. Es ist nicht falsch, daß mein Junge jetzt doch lieber bei seiner Freundin bleiben möchte. Ich dafür schwelge im Klang und bin dennoch sehr nüchtern und klar. Unterm Strich geht es mir gut damit, wie es jetzt ist. Es ist eine solche Klarheit in mir.

13 Uhr:
Aber vielleicht, dachte ich eben, hat die so veränderte Situation auch ein sehr Gutes für die Zwillingskindlein: vielleicht kann der leibliche Vater jetzt, da ich fort bin, wirklich Vater für seine Kinder werden, und vielleicht ergreift er diese Möglichkeit: es wäre den Kleinen so sehr zu wünschen!

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