6.03 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Seit Viertel nach fünf auf; mein Junge schläft vor dem Schreibtisch auf seinem Vulkanlager. Wir waren gestern abend >>>> dort; ich hielt es für sinnvoll (und für schön), den Buben einer anderen Art von Filmvorführung begegnen zu lassen, als es die immer völlig durchorganisierten Filme der Gegenwart sind, worin imgrunde kein Platz für Eigenes mehr gelassen, sondern alles perfekt auf pure Rezeption, also Konsum, zugerichtet ist. Das war dann auch gut so, obwohl ich die Leerräume schon spürte, die ihm ein eigenes Eingreifen durch Fantasie abverlangten. Nachher aber – so unruhig er dann zwischendurch war, so müde auch offenbar – war er vollkommen glücklich, daß wir hingegangen waren. So zogen wir dann um 22 Uhr noch vom Konzerthaus zu McDonalds, weil der Junge Hunger hatte. Ich vermeide McDonalds an sich, jetzt aber saßen Sohn und Vater einfach in der Nacht beisammen und kauten und erzählten. Der geradelte Rückweg, den Prenzlauer Berg hinauf, ließ ihn freilich klagen, und hier, das Lager gerichtet, legte er sich hin und schlief binnen Sekunden ein. Ich meinerseits hatte den Impuls gehabt, mir noch ein Video zu holen, bereits auf dem Rad, und unterdrückte ihn, weil er für genau das Gleiche stand und steht, was ich für den Jungen gegenläufig besetzen will: für pure Unterhaltung, Ablenkung, Entertainment. „Holst du dir noch einen Film, Papa?“ „Nein, ich werde lesen, wenn du schläfst.“ „Was liest du denn?“ „Das >>>> tolle Buch über Asien und den Orient.“ Umarmung am Lager, dann setzte ich mich an den Schreibtisch, das Buch vom zweiten Arbeitstisch genommen, schlug es auf, erhob mich vom Stuhl, um über Schreibtisch und ersten Arbeitstisch hinüber hinab zum Vulkanlager zu spähen – da schlief der Bursche schon.
Heute früh feile ich den Gesprächskomplex wegen >>>> Orpheus & Eurydike zurecht und sende ihn dann ans >>>> Konzerthaus.
Begegnung mit *** beim >>>> Tag der Offenen Tür des Schliemann-Gymnasiums. Die Zwillingskindlein: „Papa! Papa!“ Als sie auf mich zulaufen, immer wieder meine Beine umärmchen, sagt ***: „Seid ihr jetzt wieder glücklich?“ Ich fühle mich ja auch wie ihr Papa, aber keine lebbare Basis entspricht dem mehr. Bin dann, als das Zwillingsbuberl mal wieder einen seiner Wutanfälle bekam, mit den beiden, sie im Wagen schiebend, eine Stunde spazierengegangen, während *** mit unserm Jungen und seiner Freundin im Gymnasium verblieben. Zur Arbeit kam ich gestern kaum, allerdings ans Cello. Dringend ist ein Brief ans Finanzamt zu schreiben und um Aufschub zu bitten; der muß morgen dort im Briefkasten liegen; ich werde mit der Belastung durch die Trennung argumentieren.
So. Ach ja, bei Stellungnahmen >>>> dieser Art zögere ich, sie von der Hauptsite wieder herunterzunehmen, wie ich das bei Kritiken nach dreivier Tagen sonst immer tu (sie bleiben zwar in Der Dschungel stehen, aber eben „nur“ noch in den zugehörigen Rubriken); das Thema ist zu gegenwärtig und eben nicht nur durch e i n Konzert, eine Aufführung usw. „erschöpft“. Sowieso nicht. Erschöpft: welch ein Wort.