Es ist nicht dasselbe, ob wir einen Vorgang in Wirklichkeit oder im Kino miterleben,sagte einmal der russ. Filmregisseur Andrej Tarkovskij. In meinen jungen Jahren hatte für mich Tarkovskijs Satz keine Geltung. Sind mir doch in jenen Tagen Realität und Kunst oft durcheinander gekommen. Heute, wo ich weiß, dass Kunst Kunst und Leben Leben ist, sehne ich mich manchmal nach meinen Verwechslungen, nach dieser naiven Zeit. Es ist herrliches Frühlingswetter, hoffentlich hält es bis über Ostern an. Ich mag dieses Fest, mit dem sich bei mir vor allem zwei Erlebnisse verbinden, die mir Ostern näher gebracht haben. Da ist zum Einem der Film von Andrej Tarkovskij „Andrej Rublëv“ in dem es eine aufregende Szene gibt, „Feiertag 1408“, die uns eine heidnische Frühlingsfeier zeigt, bei der Frauen und Männer nackt mit Fackeln durch Wiesen und Wälder tanzend laufen und rennen. Sacre du Printemps, Strawinskys heilige physische Feuerklänge, wenn ich mich recht erinnere, untermalen nicht nur die Sequenz, sondern verdichten Bilder des Festes auf sinnlich-pralle Weise erregend musikalisch. Ähnliches ist mir widerfahren als ich in Düsseldorf in der Ausstellung >>>„Diana und Acteon – Der verbotene Blick auf die Nacktheit“ Videosequenzen von >>>>Marina Abramovic gesehen habe. Ich war da ebenso, wie von der Heidenfeier in „Andrej Rublëv“, begeistert.
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Die zweite einprägsame ästh. Erfahrung meiner frühen Jahre, was Ostern betrifft, ist für mich die Entdeckung des Romans „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow gewesen. Die in ihm enthaltene Novelle über Jesus und Pilatus entführte mich, parallel zum eigentlichen Geschehen, in das alte Jerusalem und hin zu Jeschua Ha-Nozri‘ gefährlicher utopischer Feststellung, „dass von jeder Staatsmacht den Menschen Gewalt geschehe und dass eine Zeit kommen werde, in der kein Kaiser noch sonst jemand die Macht hat. Der Mensch wird eingehen in das Reich der Wahrheit und Gerechtigkeit, wo es keiner Macht mehr bedarf.“ Dies war 1968 für einen 21 –jährigen, der sich permanent staatlicher Bevormundung ausgesetzt sieht, stärkend. Es ist merkwürdig, montgelas erwähnte dies schon in einem anderen >>>>Zusammenhang, dass die Rezeptionsgeschichte von Kunst und Literatur in autoritären Systemen scheinbar vergessen wird. Denn vieles, was an Kunst ich las, sah und hörte, rezipierte ich unter einem einzigen Aspekt: Cui bono? Nützt es mir, werde ich dadurch stärker?
Bildquelle: >>>>Jesus und Pilatus
Danke, Bruno
für die Hilfe beim Einbinden des „Abramovic- Videos“.
Abramovic bisher war mir die frau eher unsympathisch…
http://mehrschichtig.twoday.net/stories/3547501/
http://mehrschichtig.twoday.net/stories/3576477/
das hat sich mit diesem video schlagartig geändert. 😉
danke für den interessanten zugang!
das wunder, es aus völlig blauen himmeln regnen zu lassen, begeistert mich auch immer wieder aufs neue. jaja. ansonsten, sorry, marina, sol war der bessere künstler. und bei mancher euphorie frage ich mich lieber nicht, was genau da begeisterung auslöst. die balkankitschkritik von frau abramovic ist mindestens ebenso grotesk wie ihr gegenstand selbst. in der zeit mit ulay war sie eindeutig besser in der performance. heut wirkt sie wie aus der zeit gefallen. geradezu petrifiziert. es muss seinen grund haben, warum ich immer schon mehr mit der minimal art anfangen konnte.
vielleicht passt das hier ganz gut, als skulpturaler Versuch stand das noch aus, aus diesem schönen Fund etwas zu machen.
totem
tabu erwecke das wort
gedanken
verhangener augen
formverloren
unter dem brennglas
meiner bilder
zersetzt
tabu erwecke den torso
rhythmische körper
ein
gefühl
tastend im takt
in der bewegung vorbei
tabu erwecke den tanz
nur ein
kaltblutkastagnettenschlag
zeit
totem meiner sinne
Dann bis dann, bis wir Sie wieder lesen können Herr Reichenbach, viel Spaß mit ihrem „Projekt“!
Brav mein Junge, siehst Du, es war doch gar nicht so schlimm