… das Frühlingsdunkel, bevölkert und vieltausendfältig, zwei und zwei niemals Einsamkeit suchend, sondern einfach das Fürsichsein, das Fürsichsein, das für sie angeordnet und geschaffen wurde von der Frühlings-Dunkelheit, dem Frühlingswetter, dem Frühling, den eine amerikanische Dichterin – eine große, eine Frau, und daher weiß sie es – Mädchenwetter und Burschenglück genannt hat. Was durchaus nicht der erste Tag war, durchaus nicht der Morgen im Garten Eden, denn Mädchenwetter und Burschenglück sind die Summe aller Tage, der Becher, die Schale, den Lippen einmal in der Jugend dargeboten und dann nicht mehr; dargeboten, um jene einsame Zeit zu löschen oder zu schlürfen oder auszutrinken, und selbst das manchmal verfrüht, zu bald. Denn die Tragik des Lebens ist, daß es frühreif sein muß, nie abschließbar und nie abgeschlossen, um Leben zu sein; es muß vor sich selbst sein, sich selbst voraus, um überhaupt gewesen zu sein.
Die Stadt, dtsch. von Elisabeth Schnack.
[Es sind diese – menschlich – wahren Ist-Sätze, die sich so wenige heute mehr zu schreiben trauen. Die Sätze mögen nur bedingt stimmen; es nimmt aber ihrer Wahrheit nichts. Bedingt zu stimmen, kann im Gegenteil eine Notwendigkeit für Wahrheit sein; genau deshalb dürfen solche Sätze in einem Roman nie relativiert werden. Es braucht die Unbedingtheit der Aussage. Oder der Satz, und damit der ganze Roman, wird müßig: also müßig, daß man ihn liest: beide.]
[Poetologie.]
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Na, dann sprechen wir den Autoren doch mal Mut zu (für die Unbedingtheit):
„‚Don’t never forget who you are. You ain’t rich and the rest of the world outside of Frenchman’s Bend never heard of you. But your blood is good as any blood anywhere, and don’t you never forget it.'“ (Faulkner, Two Soldiers)
@Bjoern Gast. Man muß schauen, wer spricht. Für die „Tragik des Lebens“ gilt außerdem das Formniveau: das Gleiche ist nicht dasselbe, weshalb in einem Roman von, wer fällt mir ein?: N.N. – die Tragik des Lebens peinlich wäre, hingegen in einem der Sprachkunstwerke Kiplings nicht. Fürs Formniveau scheint mir wiederum – auch und nicht immer – Alter eine Rolle zu spielen. Zum Dritten, muß man jemandem Mut zusprechen, ist es sinnlos, selbst in ironischer Hinsicht.
wie können Sätze nur bedingt stimmen und doch die Wahrheit sprechen?
Das ist wieder so was transzendet, metaphysisches was sich mir einfach nicht begreiflich machen will.
Mein Blick auf den Text ist der: Faulkner, der eine große Schwäche für knabenhafte Frauen und sehr junge Mädchen hatte schreibt diese Sätze in einer Art väterlicher Trauer um die vergangene Zeit der Jugend. Die Zeit in der es Ihm vergönnt war Mädchen die noch nicht voll zur Frau gerundet waren berühren zu dürfen oder, gerade wenn er es in diesem Moment seines Lebens nicht getan hat um so tragischer, denn das wäre der Zeitpunkt gewesen an dem er es gedurft hatte.
Man könnte
„Denn die Tragik des Lebens ist, daß es frühreif sein muß, nie abschließbar und nie abgeschlossen, um Leben zu sein; es muß vor sich selbst sein, sich selbst voraus, um überhaupt gewesen zu sein“
auch so interpretieren, dass Faulkner hier eine Art jugendlichen Leichtsinn einfordert.
Bedenkt man jedoch Faulkners eigene Biographie so empfinde ich diese Textpassage als tief tragisch.
Ja, ich weiß – an anderer Stelle hatte ich gesagt,
dass ich mich hier nicht mehr äußern mag.
Aber zuweilen zuckt es einfach zu sehr,
als dass ich dem Reiz widerstehen wollte.
😉
Sie haben Recht – dieses Thema ist wirklich tragisch.
Wäre es das nicht, gäbe es kein externes Lächerlichmachen,
wie es sich auch in diesem Blog niederschlägt.
Kindfrauen sind ihren Verehrern grundsätzlich voraus.
Weil sie am Anfang stehen, derweil jene diesen Anfang
als eigenes Ende beschließen.
Nichts würden sich Kindfrauen sehnlicher wünschen,
als dass ihre Verehrer mit ihnen wachsen.
Doch genau das ist diesen zumeist unmöglich.
Weil sie schon zu sehr darauf geeicht sind,
die überlegene, reifere, fertigere Rolle innezuhaben.
Und demzufolge die Subjekte ihrer Verehrung zu dem verdammen,
was ihnen ihrer Meinung nach unbedingt zugehört.
Darüber sind sie eher bereit, Leben zu opfern,
als von ihrer Vorstellung abzuweichen.
Und bemerken nicht, dass eben dieses Selbstbewusstsein
Ende entwicklungsfähiger Fahnenstange bedeutet.
Sie sind fixiert auf ein Stadium,
welches sich trotz seiner Eigenart weiterentwickelt.
Was sie zu bedauernswerten Geschöpfen macht,
deren Suche niemals aufhört,
weil sie eine nach Fixum, statt nach Entwicklung ist.
Beschauen wir mal die andere Seite der Medaille:
Was tun eigentlich Kindfrauen,
die aus jenem Stadium, welches sie interessant macht,
herauswachsen? Die stehen genauso im Regen.
Zurück können sie nicht mehr,
Zuneigungen, die doch nur speziellem Stadium galten,
bleiben auf der Strecke.
So sie intelligent und halbwegs selbstbewusst sind,
erkennen sie die Zusammenhänge.
Und hegen Mitgefühl für jene,
die sie auf deren ewiger Suche nach dem Ideal
unfreiwillig zurücklassen.
So sie weniger klug sind, zerschellen sie.
Ich selbst schätze mich heute glücklich,
als Kindfrau keinem solchen ‚Wohltäter‘
in die Hände geraten zu sein.
Denn ich bin mir nicht sicher,
ob ich das Maß an innerer Reife aufgebracht hätte,
ihn, vielmehr seine Fixierung zu verkraften.
Eben darum bin ich in der Lage,
nicht pauschal zu verteufeln,
was vielen unverständlich ist.
Damals hätte ich mir solchen ‚Wohltäter‘ gewünscht –
aus dem schlichten Bedürfnis heraus,
in meiner Seinsweise erkannt zu werden.
Heute danke ich dem Himmel,
dass solcher Kelch an mir vorüberging
und ich stattdessen wesentlich kleineren nippen durfte.
Der war immer noch deftig genug.
Aber längst nicht mit solchem Preis verknüpft,
wie jener, der eindeutig zu groß gewesen wäre,
um ihn schadlos zu bewältigen.