Fünfter Tag vor den Kalenden. Dies comitialis. Die Haedi (Ziegenböcklein – zwei Sterne im Sternbild des Fuhrmanns) gehen auf. Es weht der Favonius, selten der Auster mit Regen (Columella).
Ich mußte mir tatsächlich den Wecker stellen, weil es spät geworden war. Und ihn nicht wiedererkannt, den Letzten Tango in Paris. Mich selbst schon gar nicht in ihm. MM hatte mir nämlich ein paar DVDs mitgegeben, darunter diesen Film. Neulich ging’s mir auf dem Soratte so, wo ich doch auch mal gewesen in den achtziger Jahren. Aber auch dort nichts wiedererkannt. Kann heißen, ich seh’s mit neuen Augen. Zunächst noch etwas benommen vom Wein nach dem Aufstehen. Als die SMS mit dem „Der Zug fährt gerade ab“ kam, machte ich mich auch auf den Weg. Chia zunächst. Und war bald in der Gegenwart. Zwischen Verfall und „finemente ristrutturato“ (eine zum Verkauf stehende Behausung). Neben der Kirche eine Bar. Die Theke ganz hinten im großen leeren Saal. Draußen eine kleine Terrasse mit Spielplatz nebenan. „Sind denn heute alle tot?“ Der eine Zeitungsleser zum andern.
Den Weg zum Turm ließen wir uns beschreiben. Drei verschiedene Meinungen. Irgendwann an der Straße eine ganze Reihe von Autos und ein Schild „Torrente Castello“. Ein Schild wies hin auf einen Tag mit dem Namen „Wir machen die Welt sauber“. Tatsächlich gleich ein Sammelplatz für Müllsäcke. Ein Auto mit der Aufschrift „Regione Lazio“. Dem Rauschen des Wildbachs gefolgt. Und landeten gleich an der Stelle, an der Pasolini die Taufe Christi gedreht hat. Trübes Wasser. Aus einer der Nebenöffnungen des Deiches (es ist alles gemauert) lief es gelbbraun herunter. Abwasser. Den Bach weiter entlanggehend immer häufiger Leute, die Müll einsammelten. An einer Stelle ein verrosteter Renault 4 im Wasser. Ein Pferd tauchte auf. Müllsacktransport.
Bezaubernder Ort. Ansonsten. Ja, und zum Turm von Chia? Ließen es uns nochmals beschreiben. Wir mußten nur eine Stückchen weiter fahren. Und durch noch grünen Eichenwald gehen. Der Turm dann, aber die ganze restliche Struktur (ein „castello“) nicht zugänglich. Auf dem Schild neben der Klingel kein Name. Natürlich. Pasolini doesn’t live here anymore. Und das, was er anhatte am 2. November 1975, das sei nun im Museum für Kriminologie in Rom zu sehen. Sagte T.
Auf dem Rückweg ein Mensch mit Messer und Korb. „Wie sieht’s mit Pilzen aus?“ Wir erklärten ihm unser Hiersein. Und begleitete uns mit dem Messer fuchtelnd zurück. Wo man Pilze finde. Und wieviel er manchmal finde. Essen? Kein Problem. Er habe eine Tochter, die habe fünf Kinder. Eine andere, die habe auch welche. Und noch eine, die sei auch bald soweit. Manchmal würden sie sich beschweren: Schon wieder Pilze? Dann Bomarzo. Der Ort selbst menschenleer und sauber. Clean. Negativ gemeint. Überall an den Wänden: „Benvenuto Don Renzo“. Ein neuer Pfarrer wurde willkommen geheißen. Also zum Park der Monster. Neun Euro Eintritt! Neun Euro fürs Essen (Nudeln, ein Stück Brot, ein Stück Kuchen, eine Fläschchen Wasser). Familien, Familien, Familien. Cacus.
Orte, Stazione di Orte. Es blieb Zeit für ein Eis. Für Schmeicheleien. Für ein bißchen Rotwerden. G.L.: „Ho visto, ho visto.“ Sprach plötzlich italienisch, was ich sagen wollte. Auf dem Rückweg ein Regenbogen und Scheibenwischer im untersten Gang. Es ist dunkel. Ich sehe auch nicht S. Oreste mit seinen Lichtern. Als es noch hell war, war’s wie gestern.