Arbeitsjournal. Dienstag, der 1. Dezember 2009. Serengeti & Rökk.

8.27 Uhr:
[Serengeti. Arbeitstisch. Kaffee. Bach, Suiten für Cello solo.]
Die eleganten weinroten Pumps stehen am Boden, die Spitze der einen senkrecht von dem rechten Rist der anderen wegsehend; sie stehen auf angefangenen Tuchezeichnungen. Einen Meter von ihnen entfernt stehen meine bordeauxdunklen Anzugschuhe, sorgfältig nebeneinander; sie berühren einander. In der einen Atelierecke steht mein Laptop-Rucksack, Kram ist ausgeräumt. Auf dem anderen Arbeitstisch steht Schminkzeug, ein silberner Spiegel, eine Flasche Talisker, noch zweidrittelvoll. Aus den kleinen Computerboxen Bach. Die Löwin ließ mich um sechs Uhr nicht aufstehen. Um sieben machte ich Kaffee, fing schon an, die Kinderbuchentwürfe durchzusehen, die ich jetzt, da die Löwin weg ist bis mittags, verlagsfertig machen will. Gestern rief noch M. an, des Treffens wegen, und daß sie schon Bescheid habe, erzählte sie, wegen meiner Exposés. Die seien auf Interesse gestoßen; am 14./16. möchte ich mich mit dem Manager treffen, der mich kennenlernen und ein Vorgespräch mit mir führen wolle; es könne sein, daß ich bereits im Januar das erste Seminar moderieren solle. Also im Januar ist dann wieder Geld da, im Februar auch, wegen des Literaturseminars in Frankfurt und wegen der Lesung dort. Rechne ich jetzt das Geld für das Danz-Hörstück hinzu, dann bin ich bis in den März 2010 finanziell sicher. Sowas habe ich lange nicht mehr schreiben können, geschweige, daß es so gewesen wäre. Noch nicht mit eingerechnet hab ich da den Vorschuß für das Kinderbuch und für die Bamberger Elegien. Man muß einfach durchhalten, stur durchhalten, woran man glaubt. Man darf nach rechts und links gucken, das zweifellos, das muß man auch, um nicht wunderlich zu werden; aber man darf sich nicht beirren lassen.
Argentinisches Steak gab’s zum Abend, ich steuerte Maroni bei. Die Löwin hatte, sagte sie, Unmengen Sushi gekauft, aber die Tüte stehenlassen; teure Nervosität; zurück wollte sie aber nicht mehr, auch wenn ich das vorschlug. Es ist so, sagte sie. Merlan und Kabeljau stattdessen im kleinen Restaurant. Sie überraschte mich mit einer Hochsteckfrisur, wir sahen wie ein Glamour-Paar der Sechziger aus, als wir uns bei Lavazza trafen, da saß sie schon da. Dabei war das anders verabredet gewesen, i c h sollte schon dasitzen, schon weil mein Leiziger Zug ein paar Minuten früher ankam als ihr Münchener, der obendrein Verspätung hatte. Als ich per SMS davon erfuhr und weil wir bewußt ausgemacht hatten, uns nicht am Bahnhof zu treffen, war ich noch etwas über die Kaiserstraße geschlendert, altes Revier beschauen, dann war ich zu Fuß die Eschersheimer hoch bis zum Dornbusch. Hier in der Ecke hatten die geheimen Treffen von Joachim Veil, Harry Oberländer und mir stattgefunden; es war so eine Art Gruppe 47 für extrem Elitäre gewesen. Bis Veil zu Oberländer, nachdem der Sonette vorgetragen hatte, gesagt hatte, er solle mehr Fleisch essen. So etwas zu jemandem zu sagen, der kein Vegetarier ist, bedeutete das Ende. Veil wußte das. Wir alle wußten es. Danals bin ich zum ersten Mal in die Bildzeitung gekommen, zusammen mit Paulus Böhmer, er als Paulus Böhmer, ich als, glaube ich, „Arnim Birnbach”, der ein suchendes Poetenkind war. Dann fakten wir Marika Rökk: „Zum Eise strebt, vom Eise stebt doch alles”. Rieseninterview in der Frankfurter ZITTY; die hieß AUFTRITT: jedenfalls die Röck, Böhmer und ich. Wovon die Rökk selbstverständlich gar nichts wußte. Heute bekäme man für sowas einen Prozeß.

(Lange lange Gespräche über unsere Ambivalenzen. Nicht nur Menschen sind nicht eindeutig, das Leben selbst ist es nicht. Nicht einmal die Liebe ist es. Abends kam dann Traurigkeit, in die wir vorsichtig und ruhig hineinsprachen. Bis es uns wieder packte. ES. Ja, man kann das Es sublimieren, aber man entfernt sich dann. Entfernung ist ein Wort für Entfremdung. „Warum”, fragt die Löwin, „Sexualität?” „Weil wir in ihr den Lebenskräften, den Antriebskräften nahekommen, aus denen wir arbeiten.” Arbeit ist etwas anders, fällt mir ein, zumal künstlerische, als soziale Energie, die auf Bewahrung gerichtet ist. Der Prototyp für soziale Energie ist Mutterschaft, eingeschränkter auch Vaterschaft. Soziale Energie und Schöpferenergie stehen hart gegeneinander. Die Hindus haben dafür gute, treffende Bilder.)
So, ich arbeite.

11.19 Uhr:
Die ersten vier Kinderbuchkapitel sind lektoratsfähig, auch der Anfang des fünften. Zweidreimal durchkorrigiert. Und soeben an den Verlag hinausgemailt.

Jetzt mal mit Eigner telefonieren. Dann an das Danz-Hörstück. Zwischendurch wieder ein Telefonat wegen der noch immer nicht abgeschlossenen Erbschaftssache meiner Mutter. Kleinkram. Aber muß halt gemacht sein. Ah ja, auch die Danz-Texte an die Sprecherinnen hab ich eben rausgeschickt.

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