9 Uhr:
[Arbeitswohnung. Stockhausen, Mittwoch aus Licht.]Verschlafen, und wie: Zwar hörte ich den Wecker um halb fünf, aber dann wollte ich noch zehn Minuten draufgeben, und die Träume fingen an – Träume, in die sich, ich erinnere mich deutlich, das Mobilchenklingeln integrierte. Das wurde mir bewußt aber erst, als es noch und noch an der Wohnungstür schellte und ich dann blitzartig begriff, daß das mein Junge ist, der auf seine Schultasche wartet und darauf, daß ich ihm seinen Proviant für den Schultag hineinlege… Im Nu war ich auf. Eiskalt die Wohnung, weil ich ja wieder den Ehrgeiz habe, auch diesen Winter nicht zu heizen oder nur, wenn mal Frauenbesuch kommt. Dazu: ich schlafe ja nur bei geöffnetem Fenster. Draußen ist’s vereist. Aber Adrenalin wärmt auf. Hose übern Schwanz, Pullover, Mantel, fix den Eierpfannkuchen, der gestern übriggeblieben war, mit Zucker bestreut und gerollt, umwickelt, nochmals umwickelt und mit dem isotonischen Getränk in die Tasche getan, den Schlüssel geschnappt, noch eben in die Sneakers geschlüpft und hinunter.
Darauf die Löwin angerufen zum Morgen, dann gleich das Finanzamt angegangen: zweidrei Wochen Verlängerung bitte… nur daß man mir eine neue Steuernummer zugeteilt hat, weil nach nunmehr fünfzehn Jahren herausgekommen ist, daß ich eigentlich Ribbentrop und nicht Herbst heiße. Lustig. Leider verliere ich dadurch meine freundliche Steuerbearbeiterin. Gut, ich werde in der ersten Januarwoche dann mit meinem Zeug dort anrollen. Jedenfalls gibt das jetzt Luft. Dennoch, ich fange heute mit den Belegen schon mal an. Kann aber nur bis in den späten Mittag sortieren, wenn mein Bub aus der Schule herkommt; wir wollen danach mit लक in den Musikkindergarten, wo heute nachmittag Weihnachtsfeier für die Zwillingskindlein ist, mit denen wir gestern abend auf der Weihnachtsfeier des Gymnasiums meines Jungen waren. Das ging bis nach acht, dann Spaziergang Ans Terrarium; ich verabschiedete mich allerdings gleich wieder, weil ich Freund M. treffen wollte, der aber erst gegen 22 Uhr hier erschien; auch der Profi hatte mitgewollt, nun war ihm das zu spät geworden. Punkt 24 Uhr lag ich im Bett.
Nachmittags war dann das Telefonat mit meiner Redakteurin wegen des >>>> Danz-Hörstücks gewesen; es „sieht” jetzt anders aus, nachdem sie n o c h zweimal gehört hat; jetzt geht es nur noch um Kleinigkeiten: sie hätte gern die Ansage nüchtern, n i c h t mit eininszeniert, wie es jetzt ist; dann hätte sie gern einen Danz-O-Ton mehr, die Stimme der Dichterin selbst einmal mehr, bis ungefähr in die Mitte des Stücks, danach solle ich es gerne so lassen, wie es jetzt ist. Außerdem findet sie eine der mitgeschnittenen und mit in das Stück kopierten Regieanweisungen zu, sagen wir, „hart” im Ton, aber das sei eine persönliche Empfindung, sie wisse das selbst. Da ich wiederum noch einen Musikeinsatz gerne etwas modifizieren möchte – ich glaube, es ist da ein Übergang aus einer der Vor-Montagen stehengeblieben -, ist es mir gar nicht so unlieb, das Stück noch einmal neu abzumischen, und die Kritikpunkte jetzt sind sehr einfach zu behandeln; der Ästhetik des Stückes selbst tut das gar nichts. Also, ich bin jetzt eigentlich sehr zufrieden und werde das angehen, sowie ich die Steuer aus dem Genick hab. Überhaupt bin ich zufrieden jetzt, weil ich mich auch ohne Druck dem Weihnachten widmen kann, das sich jetzt auch finanziell nicht im Schwitzkasten fühlen muß.
Dann. Langes Gespräch mit Eva Demski wegen >>>> Werner Söllner. Was da im Augenblick „abgeht”, sehen wir, wie so häufig vieles, ziemlich gleich: Es geht eben nicht nur darum, daß hier jemand „enttarnt” worden sei, sondern darum, daß der Umstand schon lange lange bekannt war und erst jetzt öffentlich gemacht wurde, weil der Zeitpunkt, gerade nach Herta Müllers Nobelpreis, extrem gut dazu geeignet ist, die banatdeutschen Interessen im deutschen Literaturbetrieb zu zementieren. Das Ganze geht um Macht, vorwiegend um Macht; imgrunde ist es bigott. Bis widerlich. Wer das aber „laut schreibt”, wird sofort in den Verdacht mit einbezogen und auf diese Weise weggedrängt. Soll mich nicht scheren, ich taktiere nicht und lasse mir auch die Sprache nicht dämpfen. Selbstverständlich wird man mich nicht hören, aber einige werden es vielleicht d o c h, die nachdenken, und zwar auch mit dem Herzen, weil es ihnen, wie mir, nicht um Betriebspolitik, sondern um Menschlichkeit geht.
10.07 Uhr:
Ach ja, die U1 des neuen Erzählbandes wird jetzt s o aussehen:Und >>>> hier das Frühjahrsprogramm des Verlages. (Zweiter Latte macchiato). Und eben ruft Αναδυομένη an; das wird jetzt eine schöne Freundschaft, merke ich. So, an die Belege.