Die berühmten Sätze. Wir sollten sie auswendig lernen. Und niemals entsagen, niemals verzichten. Anti-Adorno (1).

Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen. Seine Arbeit entsagt nicht, sie ist ins Gelingen verliebt statt ins Scheitern. Hoffen, über dem Fürchten gelegen, ist weder passiv wie dieses, noch gar in ein Nichts gesperrt. Der Akt des Hoffens geht aus sich heraus, macht die Menschen weit, statt sie zu verengen, kann gar nicht genug von dem wissen, was sie inwendig gezielt macht, es ihnen auswenig verkündet sein mag. Die Arbeit dieses Affekts verlangt Menschen, die sich ins Werdende tätig hineinwerfen, zu dem sie selber gehören. Sie erträgt kein Hundeleben, das sich ins Seiende nur passiv geworfen fühlt, in undurchschautes, gar jämmerlich anerkanntes. Die Arbeit gegen die Lebensangst und die Umtriebe der Furcht ist die gegen ihre Urheber, ihre großenteils sehr aufzeigbaren, und sie sucht in der Welt selber, was der Welt hilft; es ist findbar.

Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Vorrede.

17 thoughts on “Die berühmten Sätze. Wir sollten sie auswendig lernen. Und niemals entsagen, niemals verzichten. Anti-Adorno (1).

  1. Danke! Darein möchte ich mich auch verlieben – ins „Gelingen“. Vielleicht suche ich „Das Prinzip Hoffnung“ auch einmal aus dem Bücherschrank. Ich glaube, ich habe es 20 Jahre nicht mehr in den Händen gehabt.

    1. nein, ich sehe keinen anlass zur hoffnung. wer hofft wird zum Mitmacher des Mitmachens.
      die hoffnung aber stirbt immer zuletzt und deshalb sehr qualvoll und einsam, weil nach der hoffnung niemand mehr da ist. hoffnung ist folter.

    2. @Scheiterich Untergang. Für Ihre Haltung gibt es nur eine, und sie ist ernstgemeint, Empfehlung: töten Sie sich. Dann ist Ihnen gutgetan und denen gutgetan, die leben möchten: nämlich allen Kindern dieser Welt.
      Sie haben doch die Freiheit zu gehen. Also nutzen Sie sie.

    3. Mon très cher! C’est ça! Très bien écrit. Le roi, c’est ANH, ici et à Berlin. Mon cher, visitez moi à Versailles.

  2. Interessante Perspektive, … … ich weiß bloß nicht, ob ich sie annehmen möchte oder kann. Bloch (der mir hier deutlich christlich geprägt vorkommt) verbindet lustigerweise ausgerechnet solche Eigenschaften mit der Hoffnung, die ich ihr oft absprach. Das Wesentliche der Hoffnung schien/scheint mir Sublimation, ein Verlagern von Erfüllung auf ein unbestimmtes Morgen (das spanische «esperar» vereint passenderweise warten und hoffen), ergo: gerade eine Verneinung der Gegenwart, eines bedingungslosen In-der-Welt-Seins (vielleicht Batailles Begreifen der Erotik als eine Bejahung des Lebens bis in den Tod, wenn man so will). Hoffnung scheint mir eher Ackerbau mit gebeugtem Nacken anstelle von Jagd. Zuflucht von Sklaven. Der Selbstbesitzer hingegen bedürfte keiner Hoffnung mehr. Allein: wer könnte von sich behaupten, tatsächlich Selbstbesitzer zu sein. Möglicherweise hoffe ich also schlichtweg auf: die Überwindung der Hoffnung. Morgen, morgen, morgen… (nebenbei: hätte mein Denken in diesem Augenblick einen Klang wäre es ein tanzender Bastard aus Johann Strauß II und dem späten Nono – und für Theodor W. Arschloch [bei solchen Freunden braucht man keine Feinde mehr, siehe Benjamins Weg nach Port Bou] gibt’s auch gerne noch ein paar Blue Notes dazu…)

    1. @brsma. Der Ackerbau braucht den gebeugten Nacken nicht, weil einer unstolz wäre, sondern weil es sinnvoll ist, zur Erde zu schauen, während man sät. Insofern ist Ihr Vergleich kein sehr kluger: er assoniert Bilder, ist also pur suggestiv. Außerdem geht der Ackerbau dem Jagen und dem Sammeln n a c h: er ist entwickelter, feingliedriger, kultureller (Sie wissen schon: cultura), in gewissem symbolischen Sinn auch weiblicher. Womit „Ursprung“ und Entwicklung sich übereinanderlegen.
      Nicht unwitzigerweise gilt bei Ihrer Überwindung der Hoffnung als einer Befreiung eben Theodor W. – ich habe über Ihre Benennung ziemlich gelacht – Arschloch: erst einer befreiten Gesellschaft stürbe Kunst ab.
      Bloch meint gerade n i c h t Hoffnung als Flucht; das genau ist das interessante an seinem Ansatz – dasjenige Lebendige, das Adorno, dessen Philosophie immer das Verstummen will, letzten Endes fehlt. Anders als Bloch kennt Adorno keine Güte.

    2. Hoffnung.. …ist das Werkzeug in der Hand der Folterers, der Gefängnisaufseher, der Zinseintrieber, der Despoten. Hoffnung ist die größte Ressource im Kampf um die besten Plätze beim Untergang. Hoffnung ist der Zins der Schmerzen. Hoffnung ist der Bodensatz jeder dummen Theorie: Adornos Denken selbst will eigentlich hoffen.
      Nicht hoffen. Nicht verzweifeln – das wäre die wahre Formel.
      Lieber tausendmal zu Grunde gehen, als einmal hoffen.
      Nieder mit dem Prinzip Hoffnung!

    3. @selma scheiterich untergang ohne hoffnung wäre ich in zeiten meiner kindertage niemals auf die idee gekommen, über eine oben auf der mauerkante mit glasscherben und stacheldraht bewehrte mauer zu klettern, um mir die kirschen zu holen. kirschen, die hoffnungslos eingezäunt waren, auf einem grundstück, das sowieso keiner haben wollte. dieses grundstück war uns kindern ein paradies.

    4. Was für ein tolles Argument, da kann man ja als totes Kind aus Tschernobyl froh sein dass sie zu ihre Kirschen gekommen sind

    5. @Trost Bist du ein totes kind aus tschernobyl oder kennst du solche kinder? Oder bist du nicht eigentlich ein verwöhntes laues mittelstandskind, das es sich vor lauter langeweile in der negativität bequem macht und dazu johlend mit selma scheiterich herumravt? Euch kann man nur mal raten, ein bisschen zu leben. Danach seid ihr mit euren bemerkungen bestimmt zurückhaltender.
      Danke, cellini, das sie immer auf die erde zurücksehen.

    6. @trost ihren letzten kommentar habe ich gelöscht, weil er mehr als despektierlich klang.
      was hat ein totes kind aus tschernobyl damit zu tun, daß ich auf diese art und weise zu meinen kirschen gekommen bin. wenn jemand weiß, wie sich das anfühlt, ein kind, ein eigenes kind zu beerdigen, dann bin ich das. und ich sag’s metaphorisch… jederzeit würde ich heute genau aus diesem grunde gerade immer wieder über diese mauer klettern. egal was passiert, sich den eigenen mut der eigenen hoffnung nicht nehmen lassen, denn hoffnung setzt mut voraus, auf das leben eben, trotz der dinge, die überall auf der welt noch geschehen. oder verzichten sie auf ihre scheibe brot, weil in afrika die kinder hungern.

      nachtrag, weil mir das gerade einfällt:
      vor vielen jahren stand eine freundin meiner schwester mit ihrer kleinen tochter am strand. die wellen hatten über nacht viele seesterne angespült. die kleine tochter nahm einen nach dem anderen, brachte ihn zurück ins meer. die mutter schaute sich das an, sagte dann: „was du da tust ist völlig sinnlos… morgen früh wird das wieder so aussehen, du änderst damit nichts.“ „doch“, sagte die tochter, hob den nächsten seestern auf, „für diesen hier wird sich was ändern.“

    7. @ANH Ach, der Ackerbau… Sie haben nicht ganz unrecht, mir hat da ein in der Tat gänzlich metaphorisch aufzufassendes (Res-)sentiment in den eigentlichen Gedanken hineingespielt. Das hat zwar Gründe, aber hiermit eigentlich nichts zu tun. Gestrichen.

      Und: exakt – eben genau diese Umwertung ins Aktive, Lebenszugewandte seitens Bloch gefällt mir.

      Nebenbei, zu Onkel Theos Vorstellung, in einer paradiesischen Gesellschaft würde die Kunst absterben: als hätte nie einer aus Freude gesungen, geschrieben, gebildet, … Die Art Freiheit, die in etwa einem buddhistischen Nirvana entspräche (auch DAS ein Verstummen nach den letzten Fragen), empfinde ich dagegen nicht als wünschenswert. Für die solches Begehrenden gibt’s ansonsten zur weitestmöglichen Annäherung schon seit geraumer Zeit Opiate (jaja, selbstverständlich existieren dann noch spezifische Bedürfnisse etc.).

      Hinsichtlich der Güte, und nicht nur hinsichtlich dieser, ist mit cellinis wunderschöner Seesternanekdote eigentlich alles Wesentliche gesagt. (Ich werde vermutlich auch im Schlaf noch nicht aufhören, deswegen freudig zu lächeln.)

    8. Der Traum nach vorwärts. „Erwartung, Hoffnung, Intention auf noch ungewordene Möglichkeit: das ist nicht nur ein Grundzg des menschlichen Bewußtseins, sondern, konkret berichtigt und erfaßt, eine Grundbestimmung innerhalb der objektiven Wirklichkeit insgesamt. (…) Das Antizipierende wirkt derart im Feld der Hoffnung; diese also wird nicht nur als Affekt genommen, als Gegensatz zur Furcht (…), sondern wesentlicher als Richtungsakt kognitiver Art (…). Die Vorstellung und Gedanken der so bezeichneten Zukunftsintention sind utopisch, das aber wieder nicht in einem engen, gar nur aufs Schlechte hin bestimmten Sinn dieses Worts (affekthaft unbesonnene Ausmalerei, Spielform abstrakter Art), sondern eben im neu vertretbaren Sinn des Traums nach vorwärts, der Antizipation überhaupt. (…) Erst mit der Verabschiedung des geschlossen-statischen Seinsbegriffs geht die wirkliche Dimension der Hoffnung auf.“
      Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Vorrede ff.

  3. wunderbar! Allein dass es diesen Eintrag hier gibt lässt hoffen! Es wird, was wir sowohl mit unserer Vernunft als auch unserem Gefühl zu schaffen in der Lage sind. Niemand hat jemals behauptet es sei einfach, aber wer behauptet es sei unmöglich ist nur zu feige zum Leben.

  4. und was.. ..den Hoffnungsbegriff angeht, so liegt darin historisch wie Selma auch erkennt bereits eine Unerfüllbarkeit begraben. Hoffnung hat man nur, wenn nichts anderes mehr bleibt, wenn um den nachbarlichen Garten keine zwar hohe aber übersteigbare Mauer, sondern ein 5m hoher Stacheldrahtzaun gelegt mit Voltspannung und Wachposten mit Maschinenpistolen drumherum. Wenn die Seesterne innerhalb von Sekunden in der Hand des kleinen Mädchens zu giftiger Schlacke zerfallen. DANN ist es nötig zu hoffen, und dann winken viele ab und sagen: tu das nicht, es macht dir nur traurig; es ist besser, ohne Kirschen zu leben und seinen Geist für dem massenhaften Sterben der Seesterne zu verschließen.
    Aber die Hoffnung, von der Bloch spricht und die WIR versuchen wollen zu denken, ist eine andere. Es ist die Hoffnung, die das Loch im Zaun findet und einen strategischen Plan entwirft, wie die Wachposten zu überwältigen sind. Die in langen Stunden im Labor ein Gegengift für das Sterben der Seesterne findet. So.

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