8.28 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Vergessen Sie bloß nicht, sich Karten reservieren zu lassen. Sofern es noch welche gibt.
Die Probe beginnt heute um zehn mit der Chorübernahmeprobe. Gestern abend trafen alle drei Chöre zum ersten Mal aufeinander, im Haus des Rundfunks am Rosenthal-Platz. Da hörte ich >>>> Ulrich Holbein zu, der zu den nicht vielen Dichtern der Gegenwart gehört, die von der E-Musik ähnlich berührt sind wie ich. Er las auf einer kleinen Bühne im Prenzlauer Berg, und Menschen kamen, um seinem leisen Humor, der Genie ist, zu lauschen.9.58 Uhr:
[Konzerthaus Berlin, Großer Saal.]
Soeben eilt Zagrosek auf die Bühne, erspringt sein Podium, legt die Partitur ab, Beratung mit seinem Assistenten zur Aufstellung der Chöre, deren Sämgerinnen und Sänger allmählich die Emporen füllen. Das Klavier wird hereingeschoben, da das Orchester erst ab mittags hiersein wird.
„Schscht!“ – „Ich wünsche Ihnen allen einen schönen guten Morgen und danke Ihnen“, sagt Zag, „daß Sie so viel Sonne mitgebracht haben. Wir beginnen mit dem Ende des Stückes und fangen an direkt vor Ziffer 91.“ Die Leiter der Chöre sind selbstverständlich da, durch die Reihen verstreut sitzen sie und folgen dem Gesang in den Partitute. „Kann ich bitte vom Tenor im sechsten Takt mehr Kraft haben…“ Jemand steht dabei, übersetzt ins Englische, Zagrosek selbst fällt ins Englische. „Einmal nur alle Damen, bitte…. gleiche Stelle. Und -:“ Bricht ab. „Geht da nicht mehr Crescendo? Bißchen mehr. Und beim Sopran: mehr Diminuendo. – Bitte mal nur die Männer.“ „Jetzt kommt das sehr schön, ja. Tutti, einen Takt davor -:“ – „Ich hätte gern an der Stelle, bei diesem Text, daß das sehr klar herauskommt, deswegen die anderen bitte: nehmen Sie sich da zurück.“ Ein Chorsänger ruft herunter: „Herr Zagrosekt, das Problem ist, daß wir Sie zwar gut verstehen, aber die Kollegen sprechen kein Deutsch.“ Sofort der Übersetzer: „Please, who’s singing this very special part: be strong there, but all the others are calm, calm, calm please.“ – „Die 101 here, onehundredone, ist fast, very fast, ich brauche da… letz’s start with two to 97… ‚farbenfroh“…“ Blick zum Übersetzer. „‚Farbenfroh‘.“ – „Yes, ‚farbenfroh‘ -:“ -„farbenfroh am Himmelssaum…“ – „Tenöre! A bit late, bit late there… Please again, same part, three bars for..“ – „For the ladies, the part after 101, Crescendo and Diminuendo… can we start in ‚Nacht“, four bars to 101. And think that we can hear you n o w, but not later, when the orchestra is playing. Again please -: – Stop, once more -:“ – „Okay that’s very could. I could think, ich könnte mir denken, that the tenors all could be a bit clearer there. Let’s do it again, ’sehet die Sonne‘, one bar before 91.“ – „That’s too late, too late!“ – „Gut jetzt. Wnderbar. Eine ganze Kleinigkeit am Anfang, bitte, at the very beginning of this part, I don’t understand it very goog, bitte nochmal von ‚Sonne‘ -:“ „Second bar on page 103…“ „Please, it’s a C in all voices.“ – „Laydies, thank you!! Er entläßt sie bereits. Besprechung mit dem Übersetzer, er wendet sich an die Partitur zurück. „Sò. PLease! Let’s start with ‚gegrüßt‘. Everybody ready? Two bars before 17.“ – „Stop. Can I have once a capella?“ – „Denken Sie dran, that is here a shock, that’s definitely important. And -:“ – „More! More crescendo. The last one is really a shouting, not da singing. Imagine, we are soldiers here… dead soldiers…“
mit hohlen Augen und Knochenhänden,
zu treffen des Hirsches Schattengebild,
daß Wiesentau aus der Wunde quillt.
„Again… from ‚vom stranglosen’… -:“ – „Please not too late and always with accent…“ – „Yor are fare behind me! Please come w i t h me… one…two -:“ – „In 19, you lose time… don’t slow down there… two bars before 19…“ – „Stop. Again – :“ – „Okay, it’s better now, but I am not really convinced…“ – „Let’s do again.“ – „Give away your music, look only to me, only to me… we’re not together…“ – „Second choir… from 18…“ Der zweite Chor erhebt sich, singt. „Prima! Tutti! Bitte alle zusammen, von 18.“ – „Ja. Only basses from all three choirs… „
eine jede Nacht bis zum jüngsten Tag.
„Das geht schon ganz gut, wir brauchen jetzt nur mal die Tenöre. Eins – zwei -:“ – „Sehr gut. Bitte einmal nur zweiter und dritter Chor.“ „We start at page 120 at the last bar.“ – „Der Walzer! – Ist der Chorleiter da? – Do they understand what I want?“ Ich versteh hier unten die Antwort nicht, die Akustik ist zu zerflattert. „You’re behind me…“ Er singt vor, gestikuliert.Geht vom Pult herunter, schaut in die Partitur des Übersetzers, der mit den Einsätzen assistiert, die beiden diskutieren ihre Partituren. Wieder zu den Chören: „Okay! I think, we make a break now, twenty minutes… we have to clear here something…“
Das Problem ist, daß zwei der Chöre auf ein erheblich langsameres Tempo einstudiert sind, als die Partitur das vorsieht. Das ist insbesondere da problematisch, wo die Wilde Jagd herbeisaust, mit Schreien, Ungeheurem, der ganzen entfesselten Metapher wilder Natur.; der Rundfunkchor wiederum ist perfekt, aber, so mein Eindruck, noch zu weich, sozusagen da kultiviert, wo alle Kultur längst verloren hat und in der kalten Unendlichkeit irrt. Zagrosek will Kraft hier nicht allein durch die Masse, sondern durch Gestaltung haben, der Schauer soll wirklich durch den Saal gehen: er nur machte ja auch die Arie des Bauern, die Ausdruck seiner Angst ist, glaubhaft.
11.21 Uhr:
„Aber kräftig jetzt! Strong. Do not be afraid of ugly sounds…“ – „Sò. Into the next place, 66, ohne bar before.“
hat den Tag schon im Schnabel,
und von unsern Schwertern trieft
rostgerötet der Morgentau.
„HAT DEN TAG- HAT DEN TAG…“ „We seperate ‚hat-den’…“ „Sorry, sorry, sorry… again…“ „Der Hahn-erhebt-den Kopf-zu Tag„… Jetzt w i r d es. Schlägt aber ab. „Das war zuviel… Bitte -:“ – „Please: Absolut no crescendo! Only this voices ‚Mit-off-nem-Mund-ruft das-Grab’… Und -:“ – Bricht ab. „Let’s have a big big big choral, very very legato…“ Und er d r ü c k t die Töne geradezu mit seinen Händen und dem Taktstock aus den Sängern heraus. „Meine Herren, es gibt Verständigungsprobleme mit der Partitur, wir möchten das auf 4 haben, nicht auf 3. What we did yesterday, we have to relative…“ Denn das Problem ist, unter anderem, daß aus verschiedenen Partiturausgaben gesungen wird, die neue Ausgabe zählt um eine Ziffer versetzt…. „all diminuendo..! -:“ „Zur träumeschwangern Ruh‘…“ – „And now please, we just had Diminuendos and Crescendi, now, at this end, we need more importance…“ – „Okay, thank you für der Rundfunkchor. The others two choirs, we work sone more minutes with Mr. Fink..“ Fink: „You are ready for another rehearsal, we will have late in Mozartsaal upstairs. But now here, page … you have notived, there is a big problem with distance, you always are too far away from the score. What you need is, only to follow the bars… please only follow my hands, don’t look in your scores. Please -:“ – „Please be absolute sure, that you are with the beat of the conductor…“ – „Second choir, you are singing wunderfull, but there still is the problem of time, of beat… Please again, and you habe to f o r m your score -:“ – „Stop! You don’t habe any contact with my hands. Please again, stay apart from your scores…please make absolute sure, that you are in time…“ „No, that’s still wrong. If we are not on the beat, all the voices are indifferent here, and this ist absolutely wrong.“ – „Ah, I see, the only problem is the absolute beginning, if you are there in time, all will work, of not, nothing.“ – „Now the beginning was correct, but then you lost time. Once more: You have to watch the conductor, please o n l y the conductor… The conductor hat the choice to be sudenly slower or faster, it’s h i s choice, and we have to be flexible to follow. – Please watch me -:“ – „No, no, your’re too late.“ – Jetzt läßt er sie nur sprechen, nicht singen, auf den Schlag seiner Hände. Und immer noch das Problem, noch immer wird in die Noten gesehen und nicht auf den Schlag des Dirigenten. Abermals Sprechprobe. Imgrunde hätte d a s vorgeprobt sein müssen, ganz unbedingt, bei der Enge in der Zeit.
Uiuiui. Pause.
Nun ist es aber nicht selten so, daß solche unerwarteten Kleinkatastrophen zu einer Anspannung führen, die überhaupt erst, indem sie sich plötzlich löst, die erstaunlichsten, berückendsten, auch beklemmendsten, je nach Werk, Aufführungen möglich macht. Es wird alles zum Reißen gespannt, künstlerische Arbeit ist n i c h t harmonisch, so gut wie nie jedenfalls, wenn sehr viele Menschen daran beteiligt sind, Nervositäten gegeneinander bisweilen hartes Wort, auch ohne Aggression geht das nicht immer aus, aber um alles herum ist das Werk gebunden und zwingt letztlich zur Form. Dazukommt, ich plauderte in der Kantine mit zwei Musikern, daß dieses ja nicht das einzige Stück ist, das für die einzwei Wochen auf dem Programm steht, sondern quasi simultan wir Brahms I geprobt, Sibelius‘ Violinkonzert, Schostakowitschs 15. war gerade dran, und dann kommt noch Mahler IX – alles in dreieinhalb Wochen. Es ist wichtig, daß Sie sich auch dieses mit vergegenwärtigen, um einschätzen zu können, was eigentlich vorgeht, wo auch die Empfindlichkeiten liegen aller, je, Beteiligten.
Es ist zwölf vor eins, die ersten Orchestermusiker kommen aufs Podium, die Stimmerin, die an der Harfe saß, hat die letzten Töne gerichtet, in den Gängen draußen wird geräumt und gerückt, und ans Glas der hinteren Tür zum Glas – die Freitreppe draußen und die Eingänge sind dem Sommer geöffnet – drücken Touristen ihre Nasen platt. Ich selbst muß mich für eine kleine Moderation vorbereiten, die ich heute abend für die >>>> Bar am Lützowplatz ab 22 Uhr zu spielen habe; aber ich find gerade die Zeit nicht – schon gar heute, wo die Proben bis 19.30 Uhr durchgehen.
Zagrosek wirkte ruhig unten in der Kantine. „Mal sehn“, sag ich, „ob der Chor das noch hinkriegt.“ „Er m u ß“, sagte Zagrosek, „und w i r d.“ Fink tritt hinzu: ob er während der Probe, wenn es mit dem Chor noch mal Verständnisschwierigkeiten gebe, ruhigsein oder etwas sagen solle. „Unbedingt!“ ruft Zagrosek aus. „Unbedingt! Mischen Sie sich da mit ein, bitte.“ Und langsam schlendre ich die zwei Stockwerke zu meinem Laptop hinauf.
13.02 Uhr:
Zagrosek kommt, frisches, diesmal knallerotes Polo-Shirt, gleich hinter/unter ihm sitzt in der ersten Reihe der ausgezeichnete Chorleiter Fink, der heiße Kartoffeln anfaßte und hielt… „Scht!“ die erste Geigerin steht und schaut übers Orchester, setzt sich, das A wird. Zag den Kopf im Nacken, hebt die linke Hand, Ruhe. „So, ich wünsche Ihnen allen einen schönen Nachmittag. Ich begrüße sehr herzlich bei uns…“ stellt die Chöre vor. „Und wir nennen uns Konzerthausorchester Berlin.“ Applaus von den Chören. „Wir beginnen mit dem Ende des Stückes, und zwar in der Ziffer 19, six bars before 91 -:“ – der Walzer… und der Schlußchor. SONNE! „Scht! – Bitte!!! Piano! Piano! Lieber Pianissimo… auch im Orchester. – Es reicht wenn wir jetzt einsteigen one bar before 91 -:“ SONNE! – Er läßt durchspielen und – singen; ich denke: es ist zwischenzeitlicht immer noch zu flächig-laut, da muß nopch kalibriert werden wie gestern auch zwischen Orchester und Soli. „Sò, also. Paar Dinge. Wir sind im Orchester in der Pauke zu laut, und wir sind manchmal im Blech zu laut. Den CHoral in der 92 etwas zurücknehmen, damit der Chor wirklich zu hören ist. Das gilt auch für das Crescendo dort. Lieber nur andeuten, nicht ausspielen. Ebenso sechster nach 95, die hohe Stelle, da brauch ich einfach, daß Sie richtig einen Akzent auf die 3 setzen, daß0 man das auch richtig gut hört. – Jetzt ist nach 98 der achte Takt in den Trompeten ein bißchen zu viel, auch die zweite Stelle, bißchen weniger. Und dann bitte: im gesamten Orchester müssen wir an einer Stelle unbedingt leiser werden, warten Sie.. wo war das jetzt? Ah, find ich grad nicht, aber das können wir später machen, das kommt bestimmt wieder. Und die Streicher bei den Pizzicati, bitte mit dem Atem des Chors atmen, das ist an sich ganz leicht, Sie müssen nur darauf achtren.“ Fink kommt nach vorne. „Darf ich..?“ – Zag zum Orchester: „Das ist Her Fink, der Chorleiter… eine Stelle noch, drei vor 92, wenn wir das wirklich piano beginninen, es heißt ja auch fortepiano… sonst kriegen wir den Baß nicht mit. Da wirklich leise.“ Fink und er sprechen noch eine weitere Stelle ab, Fink klettert wieder vom Podium, setzt sich in die Sitzreihen. „Wir beginnen wieder 91, one bar before 91 -:“ Bricht ab. „Bitte nehmen Sie alle Platz. Nur das Orchester bitte. Fünf vor 92, und -:“ Bricht ab. „Also, das war jetzt glaube ich nicht zu laut. Also gemäßigt der vierte Takt mit Auftakt, diese Linie brauchen wir ein bißchen mehr. So. Tutti, eins vor -:“ Bricht ab. „Also, die Trompeten bitte wegnehmen, die ausgehaltenen Töne, 98, nur mezzoforte. Was ich mehr brauche, sind die Alttrompete und die Baßposaune in 98. Wir steigen ein, bitte, zwei vor 97, two bars before 97. So bitte -:“ „Meine Damen und Herren, das ist eine Stelle, die will die ganze Welt überwältigen… das heißt: dieses Crescendo muß überwältigend sein! Vier vor 100 -:“ „So. Die Damen sind jetzt fertig.“ Geschnatter & Aufbruch auf der Empore, die Blechbläser trompeten und posaunen vor sich hin, die zweite erste Geige probt. „Scht.“ – „Weiter bitte im dritten Akt, Ziffer 16: ‚Gegrüßt, gegrüßt, gegrüßt‘ – diese Stelle da. Wir beginnen drei Takte vor 16, Allegro -:“ „Stop! Wichtig ist Holzbläser dà-dà-dà-dà, nochmal, drei vor 16 -:“ NUN JAGEN WIR ÜBER DAS INSELLAND! „Jetzt schon à tempo, den nächsten Takt schon à tempo“, wobei er durchdirigiert. Da braust sie aber was dahin, die Wilde Jagd! Na, funktioniert doch… dank des Chorleiters Fink. „Gut, dankeschön. Wir machen jetzt ein paar Stellen im Orchester vorweg, und zwar steigen wir ein fünf vor 21, tempo primo nach 21. Die Triolen sind mir da noch etwas zu schwer. Bitte schön -:“ – „Stop. Bitte einmal nur das Blech. Was ein bißchen zu laut ist, sind die tiefen Posaunen.“ – „Danke schön, die Tuba ist noch ein bißchen zu laut. Noch mal, dann haben wir den richtigen Klang.“ – „Danke schön, danke schön. Bitte dieselbe Dynamik bei Ziffer 18, nur das Blech -:“ Fink will etwas sagen, Zag: „Später. Später bitte. Gleich.“ Zum Orchester: „Wir müssen hier eine Balance finden nur für den Chor.“ – „Ja, Trompeten, das ist eine totale gesunde Lage für Sie, aber bitte nur mezzoforte. Ja. Herr Fink?“ „Das war es eigentlich.“ „Okay.“ Zurückgedreht: „Und die Pauke. Auch das war zuviel. Wir steigen bitte nochmal ein drei vor 16. Und -:“ „Stop!“ Dreht sich um: „Herr Fink, wie war das? Ah, ja. Dachte ich mir.“ Zum Orchester: „Bitte nur mezzoforte, sonst hört man den Chor nicht. Bitte. Wir machen aber jetzt gleich zwei vor 17 -:“ „Meine Herren Chor: bitte mitkommen, die Stelle ist ein bißchen schneller.“ Fink ruft von unten hinauf dem Chor zu: „Be carefull, please follow: this part is più mosso!“ „Und -:“ „Das war jetzt sehr gut, aber noch etwas zurückdrehen, sonst deckt das alles zu. – 18 -:“ „Bitte. Ich glaube doch, daß Sie schon mal das Wort mezzoforte gehört haben… Wenn Sie da so zulangen, hat kein Chor eine Chance. Also bitte. Eins vor 20 mit Auftakt bitte: ‚Holla!‘ Bitte -:“ – „Danke schön, danke schön, es wird immer besser. Aber es ist im Schlagwerk immer noch zu schwer, keine Wucht hier, die Wucht macht der Chor. Bitteschön, 21 -:“ – „Drei nach 22, das ist alles zu laut, man hört nichts vom Chor… wir machen dann erst fünf nach fortissimo, aber die zwei Takte davor nur forte. Nach 21, vier bars after 21.“ – „Zwei Stellen. Kann ich bitte einmal nur die Streicher haben, 25? Und -:“ „Celli, Bässe, ba-damdam, aufpassen, daß wir da nicht zu schnell kommen. Drei vor 26 -:“ – „Einmal ohne Streicher bitte, sieben vor 35, nur begleiten -:“ – „Das müssen wir noch ein bißchen koordinieren, das schleppt manchmal noch ein bißchen.“ – „Alles bitte ohne Chor, sieben vor 25 -:“ – „Fein, prima. Bitte jetzt dieses alles mit allen zusammen. Eins vor 25. Und bitte: was wir eben gemacht haben, davon n o c h mal 10 % wegnehmen. Bitte -:“ Bricht ab, der Klang verbröckelt. „Undsoweiter. Ja. Nächste Stelle. 66, Ziffer 66. Einen Takt vor 66, one bar for 66. Schscht. -:
hat den Tag schon im Schnabel,
und von unsern Schwertern trieft
rostgerötet der Morgentau.
Sonnenaufgang. „Okay, dann ein Auftakt im Chor…“ – „Das war jetzt schön. Da haben Sie Ihre Pause verdient, finde ich, also die Streicher. Die anderen brauche ich noch hier, also alle Bläser und vor allem den Chor. Eins vor 66 -:“ – „Sehr schön ist das. Der Chor: Quasi s t i m m l o s da!“ „Er hat den Tag schon im Schnabel, darauf kommt dieses Kiek-rie-kie… das kann bei Ihnen ruhig ein bißchen übertriebenen Character haben…“ – „Sehr schön!“ Dirigiert weiter. Oh, das legiert aber jetzt schön bei dem Sonnaufgang, Bläser und Chor! „Genau, dieses letzte Crescendo ist sehr wichtig… Bißchen mehr, nich mehr… Sie dort auch, ja…“ – „Bässe crescendo!“ – „Ab jetzt die Zwei, ganz ruhige Zwei -:“ Das ist jetzt der Übergang zu dem Sprechermonolog, toll, wie das jetzt allein aus den Klängen zu merken ist. „Das habt ihr super gelöst! Das habt ihr ja ganz super gelöst. Also, Pause dann auch für euch.“ Schön, wie er, wenn er zufrieden ist, für kurze Momente ins Du fällt… sehr selten, sehr selten, aber es kommt vor.
Momentlang Unklarheit: haben jetzt a l l e Pause? Udo Samel kommt grad, Zag und er umarmen sich, jetzt plätschern die letzten Musiker hinaus… Und das Podium ist leer.
14.33 Uhr:
So, nun tröpfeln wir also alle wieder ein, auch die Solisten, Samel steht eh schon bereit, er hat die Pause für den Soudcheck genutzt. „Meine Damen und Herren“, beginnt Zag, „ganz wichtig: MOrgen um 10.30 Uhr“ statt der vorgesehenen 10 Uhr „Generalprobe, einmal durch, Sie wissen schon. – Wir beginnen 78 -:“ Ensatz. „Herr Gänsekraut, Frau Gänsekrau…“ bricht lachend ab. Zag: „Kohlkopf.“ Samel: „Aber der Einsatz hat gestimmt.“ Und der Sprecher ist nun wirklich gut zu verstehen. Zum Orchester: „Viel zu leise… Achtung… erst wieder, wenn der Sprecher…“ dirigiert weiter. Samel: „Also diese Pause, da hänge ich immer noch.“ „Drei vor 85 bitte…“
„‚Wonne‘: da war ich zu kurz, nicht wahr?“ „Drei vor 85 -:“ Abermals wird unterbrochen, Zagrosek steigt vom Pult, beugt sich mit Samel über dessen Partitur, sie flüstern, ich höre: „Da muß ich auf Punkt…“ Zag klettert aufs Pult zurück. „Bitte, drei vor 95 -:“ – „Ah, jetzt war ich zu schnell. Da schon tanzen…“ „Schau einfach auf mich, nur auf mich da, ich gebe dir den Einsatz.“ Zum Orchester: „Bitte ein letztes Mal -:“ Samel: „Ich bin zu spät. Zu früh. Jaja, bin zu spät.“ Lacht. „Das kriege ich hin.“ „Aber jetzt erstmal Danke, Udo.“ Bogenapplaus des Orchesters, Daniel Kirch klettert aufs Podium, legère, rote Hose, Hemd loser drübergeworfen, Sneakers… Dräuen im Orchester, die Geste einer Drohung, aufgelöst übersanglichstes Moll. Steigert sich, Posaunen, rapider Streichersatz, aufstampfend, darüber Blumengeigen, aber nur kurz, der Wind ist fast schon Sturm, Naturlyrik. Und Waldemars Klage, die ihm die Verdammnis bringen wird:
als klein Tove mir verstarb?
Triebst mich aus der letzten Freistatt,
die ich meinem Glück erwarb!
Tove, Tove,
Waldemar sehnt sich nach dir!
„Für alle: großes Diminuendo, vier nach 34… nur an einer Stelle die Geige bitte etwas mehr: vor 34…“ Kirch: „Also ich verstehe hier noch nicht…“ zeigt in die Partitur, Zag singt ihm vor: „Tooooo-vè…. da aber nicht breiten, eher etwas schneller… gleichzeitig will ich Ihnen da ein bißchen Zeit lassen. Da sollten wir jetzt auch einsteigen.“ Zum Orchester: „Vor 33, vier Takte… vier vor 33 -:“ – „Und jetzt glasklar!“ – „Nein, die Triolen sind ein bißchen zu schwer. Lockerer. Bitte nochmal -:“ – „Gut, okay, dankeschön.“ Unterdessen haben sich die Ränge mit Lauschern gefüllt. „61. Vier vor 61, bitteschön -:“„Du strenger Richter droben…“
du lachst meiner Schmerzen,
doch dereinst,
beim Auferstehn des Gebeins Toben, verzweifeltes, des Orchesters und der lange Klagehauch, getragen da von den Flöten momentlang: blitzende Klage, Blicker nannten, schreibt Thomas Pynchon, die Germanen den Tod… „Wir machen jetzt eine Pause. Dank Ihnen.“
H A U P T P R O B E
doch ohne die Chöre
16.32 Uhr:
Gespräche in der Pause, auch mit meiner Freundin JW, die morgens zugehört hatte: Noch ist alles deutlich zu laut, es müssen die Wogen noch ausgefeilt werden, Gespräche mit den Orcherstermusikern: man höre auch die Sänger kaum, verstehe den Chor nicht… Da sind noch Fallen, immer noch Fallen.
Daniel Kirch kommt, ich hörte ihn in der Pause aus seinem Zimmer singen.
Zag am Pult. Leute, jetzt seid bitte da, alle da.
„Wir fangen mit der Stelle an, wo wir aufgehört haben… aber jetzt sieben Takte vor 67, dritte Trompete: bitte mezzoforte, fünf Takte vor 67: Altposaune, mezzoforte, und alle, die dann einsetzen, mezzoforte mit einem gewaltigen Crescendo. Wir machen jetzt Waldemars Lied noch einmal, vier vor 61. Pscht! Und -:“ – „Pauke alleine, einen ganzen Takt. Bitte -:“ – „und sprenge mit meiner wilden Jagd/ ins Himmelreich ein -“ – „Gut. Erster Akt. Bitte Ziffer 9.“ – „So ein schöner Effekt, daß wir hier auf der 3 subito pianissimo… Bitte? – Jaja, das war die Stelle, wo wir gerade… – Machen wir bitte nach 10? -:“ –
die luftigen Pforten zu
„Machen wir bitte nochmal eins vor 12… -:“
in der eignen Träume Schoß
„Hier jetzt z a r t einsteigen, bitte…“ – „Ah, da! Bitte nicht zu langsam.“ – „Sehr schön, sehr schön. Das ist jetzt sehr viel besser. Bitte 29, vierter Takt, das ist einfach noch viel zu laut. Dann bitte diese Crescendi in Trompeten und Posaunen in dem dritten Takt, das ist jetzt auch zu viel. Ja, es ist dann auch sechs vor 32 dasselbe: auch das ist zu viel, bitte nicht so viel Gas geben. Auch am Anfang, der dritte Takt nach 28, wird nicht wirklich pianissimo. Sie spielen das mit viel Wärme, das ist toll, trotzdem: zurücknehmen. Machen wir bitte nochmal eins vor 28 -:“ – „Bitte, da ist das ganze Schlagzeug zu laut, ich höre überhaupt nicht, was die Hauptsache ist… dabei spielen da immerhin die ganzen Posaunen. Noch einmal -:“ – „Bitte, Celli! Das klingt schön, aber es ist zu laut. Dasselbe gilt für die Hörner…“
vor Gottes Thron nicht,
wie die Welt nun tanzt vor mir
„Gut, das machen wir nachher mit der Tove. Zwei vor 54 jetzt, Nachspiel, zwei vor 54 -:“ Schööööne Ruhe da in den Celli, Tschinellen darüber… „Es ist Mitternachtszeit, und unsel’ge Geschlechter stehn auf…“ – „Ich versteh das da nicht. Diese düstere Stimmung muß da eigentlich fortgesetzt werden. Drei vor 56, versuchen wir das einmal… -:“ – „Eins vor 57 Holzbläser bitte alle Pianissimo. – Bitte? Vierter nach 57? Die erste ist eine Triole, aber nur die erste, dann sind das alles Vorschläge. Bitte schön, sechs nach 56. Sò, bitte -:“ – „Sehr schön, sehr schön so!“ „Unsre Zeit ist um.“ „Ganz verklingen…“ – „Bitte l e u c h t e n lassen da….“ Ich hab mich mal eben für ein paar Minuten vom Laptop, der ganz vorn vor dem Podium in der Ecke steht, fort- und nach hinten in den Saal gesetzt, einfach, um einmal zu hören, auf Durchhörbarkeit zu hören, auch auf Textverständlichkeit; bisweilen gibt es schon jetzt ganz enorme Tonwelten, aber die Tendenz, zu laut zu sein, ist immer noch spürbar. „Fünf vor 71, der letzte Ton, ist wirklich mezzoforte… Können wir zweidrei Takte mehr machen, dann haben wir den Übergang… sieben vor 71 -:“ –
Er läßt, während er den reinen Orchesterpart immer weiter ausformend dirigiert, Kirch gehen, und sofort betritt Claudia Mahnke den Raum, klettert aufs Podium, setzt sich. Ich saß derweil wieder hinten, um einfach zuzhören… Ah, und jetzt dieses Englischhorn, Rundung über die Bläser, wie Perlen, die um die Waldtaube, die am Boden hockte, aufsteigen…
vom Weg über die Insel her!
Kommet! Lauschet!
Dies ist bislang insgesamt eine der intensivsten Stellen… gerade der Übergang vom Spiel des Englischhorns über die aufsteigenden Tonblasen bis zur Klage… „Bitte etwas leiser, das ist zuviel, zuviel… So, Claudia, wunderbar. – Machen wir 98 bitte -:“ Melanie Diener sitzt jetzt hinten im Saal. – Bricht weg. „97, drei Takte… 99, tschldigung, ich weiß, es ist für uns alle heiß, aber es geht nicht anders… mit Auftakt in der Klarinette bitte: vier-fünf-sechs…“
Weit flog ich, Klage sucht‘ ich,
fand gar viel! „Bitte zusammen, total zusammen… auf meinen Blick… – Ja, sehr schön so…“ Tempowechsel, Erzählung… „Die Stelle müssen wir nochmal reduzieren. Machen wir auf der 104 ein subitopiano, und das bleibt dann so bis – bitte eins vor 104 mit Auftakt -:“ – „Ah, da war das einen Schlag zuviel… das kommt mit den Celli zusammen. Bitte vier vor 106 -:“ – „Vier vor 108, bitte, da ein schneller Diminuendo… tutti -:“ – „Sehr vorsichtig steigern, vorsichtig steigern!“ – „Hier halten! Und verlöschen…“
18.15 Uhr:
„Achtzehn mit Auftakt -:“ „Bitte Ruhe, man hört das bis hier vorne.“ „Oh, wenn des Mondes Strahlen…“ Melanie Diener steht nun vorne, im Publikum sitzt immer noch Mahnke, sitzen Lukas und Ohlmann, auf ihre Partien wartend… „Stop, da ist eine richtige Zäsur. 23 bitte -:“ – „Danke schön, fein gemacht. Dann bitte jetzt eins vor 49 -:“
–
„Eins vor fünfzig bitte, und ganz ganz zart…“ „Was für eine geile Musik!“ rief draußen einer der Orchestermusiker aus, während der Pause, und mit etwas anderen Worten plauderten so Mahnke und Kirch ganz genauso. – „Viel zu laut, viel zu laut!“ Man müßte an die Wesendonck-Lieder denken lassen, an diese Treibhaus-Intimität, alle… alle… – Kurz, in der Pause, zum Orchestermanager hinüber, ich brauchte ein paar Daten… „druck ich dir gleich aus“, gefalzt und wieder hier herüber: Bei ihm, im Nachbargebäude, steht ein Fernseh-Screen, der die Geschehen aus dem Großen Saal in sein Zimmr überträgt. Zag verschränkte gerade die Arme, sah ins Orchester. „Ich muß los, bis später.“ Da stand Frau Diener dann schon da in Toves Gewand… „Nach 65, vierter Takt… jetzt gibt’s wieder Tausende Crescendi… vier nach 66 bitte -:“ – „So, dummerweise ist diese wichtige Sangstelle mitten in dem Crescendo… wir müssen da sehr vorsichtig sein. Bitte, vier nach 68 -:“ – „Da nehmen wir das Crescendo weg bei den Celli, auch bei den Fagotten, einfach espressivo, das genügt. Nach 69, zweiter Takt -:“ Bricht ab. „Danke Ihnen, Frau Diener.“ In den Saal: „Wer will zuerst, Narr oder Diener?“ Lukas spurtet nach vorne, nimmt seinen Platz am Notenständer ein.“ „Zwei Takte vor Ziffer 5. Sò, bitte -:“ kleines Vorspiel, nicht nur von ungefähr an Beckmanns Knochenxylophon gemahnend. Der Bauer: „Deckel des Sarges/klappert und klappt“ Zagrosek bricht ab. „Die Holzbläser sind da ein bißchen laut. Bitte noch mal: ‚Deckel des Sarges‘ -:“ – „tschldigung, das Glissando in der Posaune: könnte das mehr sein? Wie? Piano? Hab i c h das gesagt? Geben Sie es mir einfach mal, das hat so viel Character, ich will das mal hören. Bitte, vier vor 10 -:“ – „Ich schlage drei heilige Kreuze geschwind…“: Hier wittert enorm deutlich der Umschlag der alten Religion in die neue mit, die Angst, die diese neue verbreitete, aber auch ein Altes Recht, das an der alten noch haftete, um das etwa Ortrud kämpft… „Und jetzt bitte der Narr… und zwar steigen wir ein drei vor 37.“ Ohlmann schlendert vor, der Satyr, in Bermudashorts, was wirklich hier paßt… „Drei vor 37, bitte nochmal -:“ Ich geh nochmal nach hinten in den Saal, um etwas zuzuhören…. ich bin ja nicht der einzige… „… bitte keine Crescendi“, hör ich noch… Und dann sagt Zagrosek: „Es war ein harter Tag. So bin ich denn für heute fertig.“
Applaus.
>>>> Gurre 12 (Generalprobe)
Gurre 10 (Die sechste Probe) <<<<
Das Wort Probe bekommt so einen Beigeschmack von Langeweile.
@Henze: Es ist, wie immer, der Ihre. Aber s c h o n spannend, wie es Sie immer wieder hertreibt. Könnte es sein, daß Sie eine Suchttherapie in den Blick nehmen sollten? Ich hätte da Adressen.