9 thoughts on “Auf SWR2. ANH im Gespräch mit Jörg Biesler. Die harte Ware Computer: Weicht sie die Dichtung auf?”
Kommunikation an der Grenze zwischen gesprochener Sprache und Schriftsprache …!? Dies sei typisch für die Kommunikation im Netz, vor allem auch auf literarischen Blogs. Sagten Sie nicht so in besagter Radiosendung? Und die Frage, ob daraus eine eigene Sprache entstünde, sei noch nicht zu beantworten. Ich denke, die knorrige Grundform neuer Sprachmuster können wir alle täglich im Netz bewundern, vor allem die diesen Sprachmustern zugrunde liegende Mißverständlichkeit von Sprache an sich, aus denen oft genug Aggressivität entsteht (polemisch, hysterisch oder zynisch rübergebracht), weil selten nur der Antwortende nachfragt, um eine Erklärung dessen bittet, was er oder sie womöglich falsch verstanden haben könnte. Die neue, sich entwickelnde Netz- und Blogsprache ist eine allein nach vorne gerichtete, eine rechthaberische, eine dualistische, eine hierarchische Sprache, ein zwischen kindischer Einfachheit und bösartigen Beschimpfungsorgien hin und her changierender Austausch von Ein- und Ausfällen auf einer Plattform, die eine Art technisch fundierte Neutralität vortäuscht. In Wirklichkeit ist das Internet der unterste Höllenkreis und damit wenigstens potentiell weit spannender als der Himmel (man lese Dante); wir, die hier Schreibenden, sollten diese Wirklichkeit nutzen. Nur wie und in welcher Form? Eben das wäre hier unten zu diskutieren.
(Und nun hinaus ins wirkliche Leben, denn morgen solls wieder regnen in Berlin, auch wirklich.)
@Schlinkert. Wichtig war mir in dem freilich nur kurzen Gespräch Hinweis aus die Regression: daß es, besonders in den Chats, eine Tendenz vor allem gab, aber immer noch gib, sich selbst wie ein Kleindkind zu objektivieren: „Mischa hat Hunger“, „Clara muß Pipi“; entsprechend: „lol“, „Mischa betritt den Raum“, „Clara lacht“.
Nun steht, mit Flusser gedacht, am Beginn einer ganz neuen Entwicklung auffällig oft ein hartes Regredieren; das „Alte“ hat seine Möglichkeiten erschöpft, es degeneriert. Das Neue aber beginnt, wo wir alle beginnen. Man kann so etwas auch bei Leuten entdecken, die sehr spät zu schreiben beginnen: der meisten Texte sind so pubertär wie die jüngerer Beginner.
Auf die Auffälligkeit bin ich unter anderem >>>> dort näher eingegangen.
Die Sprache des Netzes ist doch in Ihrer Vielfalt, die sowohl Barockes als auch Infantiles zulässt, wohl kaum hierarchisch zu nennen. Einige mögen sich im (meist irrtülichen) Gefühl von Hierarchie, Überlegenheit usw. befinden, aber es sollte doch an dieser Stelle getrennt werden zwischen Sprachgestus, den Intentionen und Gefühlen, die Autoren in die Sätze legen, und der Struktur, die nur aus einem Vergleich entstehen kann : der zahlreichen Tonfälle, Grammatiken und Orthographien, die nebeneinander existieren im Netz. Die Sprachen der Akademiker, der Juristen, der Philosophen oder Theologen usf. mögen hierarchisch sein, in dem jene nur einige zulassen und viele ausschließen, die Sprache des Netzes hingegen würde ich eher egalitär nennen als hierarchisch.
Meinen Sie nicht?
Schlinkert greift da eine Passage aus dem Gespräch heraus, die mir auch besonders aufgefallen ist: die tendezielle Regression. Was Sie, werter ANH, als Sprachregression markieren, trifft meines Erachtens dort zu, wo sich im „wirklichen“ Leben die piepsende Sprechstimme äußert. Kindchenschema, glaub ich, heißt das – vom Bestreben motiviert, als harmlos gelten zu wollen. In vielen beruflichen Arbeitsbeziehungen zu finden.
Was Schlinkert anspricht, trifft unabhängig davon auch zu und widerspricht, wie ich meine, der Vorstellung von Regression nicht. Vieles sprachliche Kampfgeschehen im Netz ist unbewusst dem ungelösten Thema „elementare Identitätsbildung“ gewidmet und insofern eine Repräsentation pubertären Entwicklungsbedürfnisses. Die Tragik der Verklausung innerer Denkströme äußert sich darin und residuale Geschwisterrivalität. „Da wird keine Meinung zugelassen als die, die für den anderen vorausgedacht worden war.“ schrieb Streeruwitz jüngst im >>>derStandard.at zum Umgangston, dessen familiären Ursprung und seine parlamentarischen Auswirkungen bedenkend.
Zwischen Schriftsprache und Verkehrssprache wüsste ich übrigens gerne unterschieden, das möchte ich ganz am Rande anmerken. Literarische Trolle zum Beispiel bedienen sich einer Sprache, die im schriftlichen Alltag (=verkehrssprachlich) nicht anzutreffen ist. An der meist mit Bedacht gewählten Form zeigt sich eben jenes pubertäre Identitätsbildungsbedürfnis, niemals jedoch: Geist – das offenbart stets die Abwesenheit des aus Eigenem geschöpften Inhalts. Diese Erkenntnis wirkte erlösend auf mich.
@Moritz Gause Eben dies von Ihnen Angesprochene meinte ich: „Einige mögen sich im (meist irrtümlichen) Gefühl von Hierarchie, Überlegenheit usw. befinden …“ So eine Art Pausenhofhierarchie, wer am lautesten brüllt hat am meisten recht. Und da ich nicht von dem Nebeneinander der „Sprachen“ ausging, sondern von dem Miteinander von Rede und Gegenrede, halte ich den Begriff des Hierarchischen in diesem engen Kontext für richtig, wenn denn das Niveau entsprechend niedrig ist, was ja oft vorkommt. Ansonsten pflichte ich Ihnen bei, denn das große Ganze ist natürlich egalitär ausgerichtet, weil es sich um ein Nebeneinander handelt oder auch im besten Falle um ein Miteinander im Sinne gepflegter Dialoge, bei denen es um Inhaltliches geht und eben nicht um Rangstreitigkeiten.
Das Streeruwitz-Zitat trifft’s wunderbar: „Da wird keine Meinung zugelassen als die, die für den anderen vorausgedacht worden war.“
Aber das sagt sich leicht als Außenstehender.
Als Podcast. SWR2, Biesler/ANH. Ich habe eben, für weitere Diskutenten, im Annoncement >>>> den Podcast des Gespräches verlinkt, den der SWR auf seine Site gestellt hat (oben unter Nachtrag.)
Kommunikation an der Grenze zwischen gesprochener Sprache und Schriftsprache …!? Dies sei typisch für die Kommunikation im Netz, vor allem auch auf literarischen Blogs. Sagten Sie nicht so in besagter Radiosendung? Und die Frage, ob daraus eine eigene Sprache entstünde, sei noch nicht zu beantworten. Ich denke, die knorrige Grundform neuer Sprachmuster können wir alle täglich im Netz bewundern, vor allem die diesen Sprachmustern zugrunde liegende Mißverständlichkeit von Sprache an sich, aus denen oft genug Aggressivität entsteht (polemisch, hysterisch oder zynisch rübergebracht), weil selten nur der Antwortende nachfragt, um eine Erklärung dessen bittet, was er oder sie womöglich falsch verstanden haben könnte. Die neue, sich entwickelnde Netz- und Blogsprache ist eine allein nach vorne gerichtete, eine rechthaberische, eine dualistische, eine hierarchische Sprache, ein zwischen kindischer Einfachheit und bösartigen Beschimpfungsorgien hin und her changierender Austausch von Ein- und Ausfällen auf einer Plattform, die eine Art technisch fundierte Neutralität vortäuscht. In Wirklichkeit ist das Internet der unterste Höllenkreis und damit wenigstens potentiell weit spannender als der Himmel (man lese Dante); wir, die hier Schreibenden, sollten diese Wirklichkeit nutzen. Nur wie und in welcher Form? Eben das wäre hier unten zu diskutieren.
(Und nun hinaus ins wirkliche Leben, denn morgen solls wieder regnen in Berlin, auch wirklich.)
@Schlinkert. Wichtig war mir in dem freilich nur kurzen Gespräch Hinweis aus die Regression: daß es, besonders in den Chats, eine Tendenz vor allem gab, aber immer noch gib, sich selbst wie ein Kleindkind zu objektivieren: „Mischa hat Hunger“, „Clara muß Pipi“; entsprechend: „lol“, „Mischa betritt den Raum“, „Clara lacht“.
Nun steht, mit Flusser gedacht, am Beginn einer ganz neuen Entwicklung auffällig oft ein hartes Regredieren; das „Alte“ hat seine Möglichkeiten erschöpft, es degeneriert. Das Neue aber beginnt, wo wir alle beginnen. Man kann so etwas auch bei Leuten entdecken, die sehr spät zu schreiben beginnen: der meisten Texte sind so pubertär wie die jüngerer Beginner.
Auf die Auffälligkeit bin ich unter anderem >>>> dort näher eingegangen.
Hierarchisch, Herr Schlinkert?
Die Sprache des Netzes ist doch in Ihrer Vielfalt, die sowohl Barockes als auch Infantiles zulässt, wohl kaum hierarchisch zu nennen. Einige mögen sich im (meist irrtülichen) Gefühl von Hierarchie, Überlegenheit usw. befinden, aber es sollte doch an dieser Stelle getrennt werden zwischen Sprachgestus, den Intentionen und Gefühlen, die Autoren in die Sätze legen, und der Struktur, die nur aus einem Vergleich entstehen kann : der zahlreichen Tonfälle, Grammatiken und Orthographien, die nebeneinander existieren im Netz. Die Sprachen der Akademiker, der Juristen, der Philosophen oder Theologen usf. mögen hierarchisch sein, in dem jene nur einige zulassen und viele ausschließen, die Sprache des Netzes hingegen würde ich eher egalitär nennen als hierarchisch.
Meinen Sie nicht?
Schlinkert greift da eine Passage aus dem Gespräch heraus, die mir auch besonders aufgefallen ist: die tendezielle Regression. Was Sie, werter ANH, als Sprachregression markieren, trifft meines Erachtens dort zu, wo sich im „wirklichen“ Leben die piepsende Sprechstimme äußert. Kindchenschema, glaub ich, heißt das – vom Bestreben motiviert, als harmlos gelten zu wollen. In vielen beruflichen Arbeitsbeziehungen zu finden.
Was Schlinkert anspricht, trifft unabhängig davon auch zu und widerspricht, wie ich meine, der Vorstellung von Regression nicht. Vieles sprachliche Kampfgeschehen im Netz ist unbewusst dem ungelösten Thema „elementare Identitätsbildung“ gewidmet und insofern eine Repräsentation pubertären Entwicklungsbedürfnisses. Die Tragik der Verklausung innerer Denkströme äußert sich darin und residuale Geschwisterrivalität. „Da wird keine Meinung zugelassen als die, die für den anderen vorausgedacht worden war.“ schrieb Streeruwitz jüngst im >>>derStandard.at zum Umgangston, dessen familiären Ursprung und seine parlamentarischen Auswirkungen bedenkend.
Zwischen Schriftsprache und Verkehrssprache wüsste ich übrigens gerne unterschieden, das möchte ich ganz am Rande anmerken. Literarische Trolle zum Beispiel bedienen sich einer Sprache, die im schriftlichen Alltag (=verkehrssprachlich) nicht anzutreffen ist. An der meist mit Bedacht gewählten Form zeigt sich eben jenes pubertäre Identitätsbildungsbedürfnis, niemals jedoch: Geist – das offenbart stets die Abwesenheit des aus Eigenem geschöpften Inhalts. Diese Erkenntnis wirkte erlösend auf mich.
@Moritz Gause Eben dies von Ihnen Angesprochene meinte ich: „Einige mögen sich im (meist irrtümlichen) Gefühl von Hierarchie, Überlegenheit usw. befinden …“ So eine Art Pausenhofhierarchie, wer am lautesten brüllt hat am meisten recht. Und da ich nicht von dem Nebeneinander der „Sprachen“ ausging, sondern von dem Miteinander von Rede und Gegenrede, halte ich den Begriff des Hierarchischen in diesem engen Kontext für richtig, wenn denn das Niveau entsprechend niedrig ist, was ja oft vorkommt. Ansonsten pflichte ich Ihnen bei, denn das große Ganze ist natürlich egalitär ausgerichtet, weil es sich um ein Nebeneinander handelt oder auch im besten Falle um ein Miteinander im Sinne gepflegter Dialoge, bei denen es um Inhaltliches geht und eben nicht um Rangstreitigkeiten.
Eine Schöpfkelle Wasser. Auf den heißen Stein.
Das Streeruwitz-Zitat trifft’s wunderbar: „Da wird keine Meinung zugelassen als die, die für den anderen vorausgedacht worden war.“
Aber das sagt sich leicht als Außenstehender.
@Edith88: Machen Sie einen Aufguß ( http://rutube.ru/tracks/4437265.html?v=fe8e47c3023b51288ee80b3bda79d018 )? Haben Sie denn auch die Birkenzweige dabei?
Als Podcast. SWR2, Biesler/ANH. Ich habe eben, für weitere Diskutenten, im Annoncement >>>> den Podcast des Gespräches verlinkt, den der SWR auf seine Site gestellt hat (oben unter Nachtrag.)