Hygiene als Instinkt. Das Krausserjournal des Freitags, dem 25. November 2011.

8.39 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Verschlafen, weil es >>>> gestern so arg spät wurde: nachdem Brossmann gegangen war, hatte ich, anstelle vernünftigerweise schlafenzugehen, noch in einen Film hineingeschaut; das ging dann bis drei Uhr nachts – vom Wein einmal ganz abgesehen, der dazu floß. So kam ich erst um kurz nach sieben hoch. Sofort an die Montage – und es flutschte nur so. Was jetzt noch zu tun ist, können Sie >>>> im Produktionsprotokoll lesen.

Vor allem muß hier mal geputzt, zumindest aber gesaugt werden; mir fiel gestern nacht noch ein Aschenbecher zu Boden, eine Mordsschweinerei, und sowieso macht der Ofen ja einigen Schmutz; andererseits mülle ich in Arbeitsphasen wie diesen fast immer zu. Schließe ich ab, ist‘s geradezu ein Genuß, sich und alles um mich her da herauszuschälen. Doch in jedem Fall brauche ich eine Putzfrau – oder einen Putzmann, wenn sich denn so etwas findet.
Prägungen: Wieso habe ich in eine männliche Putzkraft nicht so viel Vertrauen wie in eine weibliche, vor allem in Sachen Bad und Toilette? Da wirkt ein Geschlechtervorurteil. Oder wirkt da doch auch ein bißchen etwas Genetisches mit, insofern Frauen im Intimbereich, der ja direkt in ihrem Körper liegt, bakteriell gefährdeter sind als Männer, bei denen eine Krankheit dort immer außen an ihnen herunterhängt? Frauen hingegen tragen sie immer gleich in sich. Hm. Gewagtes weites Feld.

Erst mal wieder an die Arbeit.

20.20 Uhr:
[Monteverdi, Quinto Libro die Madrigali, Nr. 3: Ecco, Silvio, Colei.]
Fertig geworden, siehe >>>> dort um 20.11 Uhr. Hier deswegen erstmal nichts mehr dazu. Ich werde mir auch gleich was überziehen und nach langer, scheint‘s mir, Zeit >>>> in die Bar, wo ich endlich wieder den Profi treffen werde. Aber vor Mitternacht möchte ich gern zurücksein.

6 thoughts on “Hygiene als Instinkt. Das Krausserjournal des Freitags, dem 25. November 2011.

  1. Hm, zumüllen in Arbeitsphasen, das geht mir ähnlich. In meinem Haushalt bin ich nicht gerade die Schlampe, aber ich kenne jemanden, der von Berufswegen schon aufgeräumter sein muss als ich, wenngleich das auch nichts zu bedeuten hat, denn sein Vorgänger übte diesen Beruf weitestgehend unsortiert aus. So finden sich häufiger Sätze bei mir wie, lass das doch mal liegen, ich wohn hier auch;-) und wills nicht immer ordentlich. Trotzbehauptung, stellte ich mir ein Zusammenleben mit jemand vor, der wirklich alles liegen ließe, ich würd anfangen zu räumen. Mich springt auch nicht so schnell was an, das ich jetzt immer mit Sagrotan durch die Gegend wedeln muss, beim vielen Fliegen nehm ichs jetzt doch aber meist mit. Ich hab aber mal wo gelesen, das meiste reibt man sich über die Augen rein, man solle vermeiden im Gesicht rumzufummeln. Bad und Toilette sind nicht das Übel im Haushalt, das Spültuch und das Schneidbrett sei es. Ich glaube kaum, das Frauen Tampons benutzen würden, wenn sie so empfindlich wären, allerdings, nun ja, ich kann auch verstehen, wenn man keine benutzt, aber schaut man in die Regale, es gibt genug Frauen, die sie benutzen, der Markt ist weltweit ja nicht ausgestorben. Das man sich so leicht keinen Putzmann daheim vorstellen kann, obwohl es sicherlich genug Fensterputzer und Gebäudereiniger geben dürfte, liegt vielleicht auch daran, dass man Männern weniger gern Einblick in sein Privates gewährt, würde ich tippen. Meine Mutter hat lange als Putzfrau gearbeitet, zu schlechteren Bedingungen als unsere Putzfrau hier, die ihr aber doch in allem sehr ähnlich ist, organisiert und völlig selbständig, man spricht über einiges, aber nie über ihre Arbeit, weil es nichts zu bereden gibt, es läuft, dank ihrer, wie von selbst, dieser Frau könnte man weitaus mehr anvertrauen als putzen, sie schmeißt ja auch zuhaus den Laden mit 3 erwachsenen Söhnen und 2 Enkelkindern und sie weiß vor allem eins, sie kommt gern, nächstes Jahr geht sie in Rente, da ist sie 56, sie sagt, sollten wir dann noch hier sein, zu uns käme sie weiter, und wenn es ist, dass sie zu ihrer Familie mal Abstand braucht, sie ist eine moderne Frau, ohne Zweifel. Sie hat einen erstaunlichen Weg gemacht, wenn sie erzählt, wie ihr Vater in die Stadt musste, den Geburtstag eintragen lassen, und wie sie früher gelebt haben, mit Petroleumlampen und den ganzen Spinnen, die sie heute noch fürchtet. Es erinnert viel an die Jugend meine Mutter, und Brasilien nimmt den Weg derer, die es nach und nach zu bescheidenen Verhältnissen mit Eigentum bringen. Sicher eine Frau, die nie melancholisch ist, dazu fehlt ihr wohl die Zeit, aber Melancholie, so empfinde ich es, ist auch ein Geschenk, einmal schauen zu dürfen, einmal innehalten und nicht immer alles im Tun aufgehen lassen müssen, die Dosis macht das Gift auch hier, Kontemplation ist wohl auch eine nicht unwesentliche Bedingung Kunst zu erschaffen und ich halte sie für immens wichtig, denn, wo alles in Verwertungszusammenhängen aufgeht, was zählt da ein Menschenleben, das nichts mehr schafft? So viel wie die Alten in Englands Altenheimen (und nicht nur da)? Ich empfinde es auch als etwas, woran Menschen nicht selten leiden, dass sie unter ständigem Beeindruckungsdruck stehen, der sich auf alles ausweitet, auf Freundschaften, Lieben, Arbeit, darunter wächst doch der Wunsch, einmal um seiner Selbst willen gemeint zu sein, jenseits all dessen, was man darstellt, womit man seine Brötchen verdient, wodurch man für andere sichtbar wird. Eine der größten Enttäuschungen, die ich in der letzten Zeit erfahren habe, ist wohl die, dass man mir Freundschaft angeboten hat, wo letztlich nur Kollegialität gemeint war. Ich hätte es besser wissen müssen, denn alles begann ja nach einer Lesung von mir, also nach dem, was mich in meiner Profession gezeigt hat, mithin nach einer Leistung, die ich erbracht habe. Man lebt, man lernt. Und ich kann mich nicht von der Melancholie lösen ;-).

    1. Solang‘ Sie uns weiterhin ganz ohne Beindrucksen von Männern, Frauen und Putzfrauen (die sind ja anscheinend eine Spezies für sich
      ; ) erzählen, scheint mir die Melancholie mehr Kopfschmuck als Last zu sein…

    2. I m only happy when it rains… (stimmt nicht, wollte in die Berge, aber die Wolken hocken schon in den Ecken, und ich hab mir schon mal mit Brazilian Wandering Spiders zu Regenzeit das trockene Zimmer teilen müssen, darum bleib ich wohl im Beton hocken, grrr), ich sag ja, ich bin ein heiterer EMO. Wenn ich wirklich leide, krisch doch meist keinen Pieps raus, da muss das schlimmste Leid schon hinter mir liegen, dann gehts wieder. Übersprungspostings auf dem Weg zur Arbeit. Will keiner, bäh, ich weiß, ich kanns aber trotzdem nicht lassen.

    3. @“Will keiner, bäh“ – Wer behauptet das? (Geht mir übrigens auch so: bei wirklichem (!) Leid werd ich still. Aber dann, ist auch nur die erste Sprosse erklommen, der Leiter, die hinaus-, nämlich hinaufführt, dann, ja dann leg ich aber was los! Dann dreht sich das Leid in eine Energie, die ohne es nicht gegeben hätte. Darum machen Gegner, wenn sie ihre Feinde schwächen wollen, immer den Fehler, ihnen Leid zuzufügen; fügten sie ihnen Wohltaten zu, wären die Feinde in kürzest denkbarer, d.h. in strategisch bester Zeit ziemlich schnell am Boden und blieben da dann auch. Dies ist, übrigens, die Strategie des Kapitalismus.)

    4. Die Feldherren bleiben zu Hause und überlassen ihr Handwerk den Konditoren.
      Menschen ohne Eigentum können, solage die Geschäfte laufen, sozial abgefunden werden.
      Aber hinter den Kulissen des kleinbürgerlichen Theaters hockt wütend die Knappheit mit den Orden auf der Brust von vieltausend Kriegen und drei Revolutionen.

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