Diskursbuden und, auf dem Pfefferberg Berlins, digitale Urheberwelten. Das Argo- und Tagungsjournal des Montags, dem 7. Mai 2012. Mit ein paar Bemerkungen zum gestrigen Sonntag.

6.55 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Seit halb fünf auf, kurz vor fünf am Schreibtisch, knappe zwei Stunden Argo, bis TS 504 Mitte gekommen; wie gestern unter Schnitt, aber aus anderem Grund. Vorgestern nacht mit meinem Jungen, der hier schlief, lange lange aufgewesen, so erst gegen acht Uhr morgens aufgestanden, einzwei Seiten Argo bearbeitet, dann den Jungen geweckt, gefrühstückt mit ihm, am Cello gewesen und frühnachmittags bereits in die Komische Oper geradelt, wo >>>> das Homoki-Buch vorgestellt wurde, in dem es auch von mir einen Aufsatz, eine Art poetisches Manifest, zur Oper der Gegenwart gibt.

Wunderbar das Wort des Moderators, Jürgen Ottos, „Diskursbude“ – s o auch, nur „Bude“ ist mir zu lässig, mein eigenes Verständnis dieser umgreifendsten, nach wie vor, aller Kunstformen – mit sämtlichen Risiken, die in ihr liegen, etwa dem puren Repräsentierens; dem entspricht das größte Risiko des Pops durchaus, oder dieses ihm: nämlich pures Entertainment, aufgebürgerlichter Broadway.
Kurz mit Homoki geplaudert, den ich persönlich noch nicht kannte.

Komische Oper Berlin, oberes Foyer.
Au dem Podium Flierl, Otto, Homoki.

Dann mit Broßmann, der mitgekommen war, in die Arbeitswohnung zurückgeradelt und einmal >>>> das Hörstück, wie es bislang klingt, durchgehört und besprochen. Er wird mir zweidrei O-Töne zu bearbeiten helfen. Die Idee mit dem Cello und dem Akkordeon habe ich endgültig fallen lassen; auch Broßmann fände das Experiment nach Stand der Dinge zu ablenkend. „das Ding ist schon dicht genug“, sprich: es würde Hörer dekonzentrieren. Allerdings ist mir der Gedanke gekommen, das Stück um noch ein paar Stimmen anzureichern, nämlich um diejenigen alter Stimmen, zum einen, um den Bereich auszuweiten, zum anderen, weil mir auffiel, daß auch ich in meinen Stücken ausgesprochen selten alte Menschen integriere, was der gesellschaftlichen Tendenz entspricht, sie abzuschieben. Wenn man das mal merkt, muß man gegensteuern, zumal, wenn sich das so anbietet wie hier.

Jedenfalls verstrich der Sonntag, an dem ich mich dann noch >>>> für nachher /?p=3122 etwas vorbereitet, die bisherigen Statements gelesen, aber davon Abstand genommen habe, meinen eigenen Kurzbeitrag zu der Tagung schriftlich zu formulieren. Ich mag mich nicht festlegen, Stichpunkte reichen. Ich werde entweder heute abend oder morgen berichten. Jedenfalls hatte ich gestern schlichtweg keine Lust, ein Arbeitsjournal zu führen. Wenn mich diese Unlust, denn das ist es, überkommt, hab ich zwar immer ein kleines schlechtes Gewissen; andererseits will ich mich nicht nötigen lassen, auch von mir selbst nicht. Es hätte auch rein gar nichts gebracht, tat mir viel besser, nachdem mein Junge nicht fürs Cellospiel kam, sondern bei seinem Freund E. blieb, daß ich mir selbst den dritten Teil von Vivaldi 399, Erster Satz, erarbeitete, was gar nicht so schwer war, wie ich es befürchtet hatte. Viel schwerer fallen mir lange Bindungen und Rhythmusänderungen mitten im Strich. Das krieg ich einfach (noch?) nicht hin. Außerdem bewegt sich mein Handgelenk nicht frei, vielleicht bin ich zu alt, kann sein; jedenfalls geht immer der ganze Unterarm mit; ebenfalls schwierig ist es für mich, den Daumen gegenüber dem zweiten Finger zu halten – was man braucht, um lässig durch die verschiedenen Lagen zu rutschen. Für meinen Jungen kein Problem, aber bei mir schnalzt er, der Daumen, immer wieder unter den Zeigefinger, was ganz falsch ist. Ich habe schon überlegt, ob ich ihn mir, damit sich die richtige Stellung automatisiert, für alle nicht-Cello-Zeiten irgendwie unterm zweiten Finger fixiere, vielleicht mit einem Gummiband, keine Ahnung, so daß er sich dran gewöhnt, dieser Daumen, gegenständig zum zweiten Finger, dem Mittelfinger also, sich auszurichten.
Bevor ich aufbreche um zehn, werde ich jedenfalls noch eine Stunde üben. Mit dem nächsten Schnitt des Hörstücks will ich warten, bis die „alten Stimmen“ da sind, bis auch der Stick mit den An- und Absagen der Redakteuerin da ist, und vielleicht, weil mir noch vier Minuten Zeit fehlen, schreibe ich mir für weitere „Zufalls“stimmen noch ein paar Stellen aus Galouyes Büchern heraus. Die Arbeit ist diesmal, da ich so früh angefangen habe, ein wenig inkonsistent; ich bin es sonst gewöhnt, des Abgabedrucks wegen, wie im Rausch durchzuarbeiten; jetzt unterbreche ich immer wieder. Vielleicht ist das nicht schlimm, das Ergebnis protestiert ja offenbar nicht; dennoch hat‘s was von einem dauernden c.i. – Sie dürfen raten, was ich meine.

Jetzt will ich mir noch einen Stichpunktzettel schreiben, nachdem ich Argo für heute wieder beiseitegelegt habe. Dann wecke ich die Löwin, die am Mittwoch aus ihrem Wien mal wieder nach Berlin kommen wird. In den dann folgenden fünf Tagen werde ich ohnedies nicht am Hörstück wirklich arbeiten können, noch wollen, auch wenn ich ganz sicher auch mit ihr einmal anhören werde, was bis dahin fertig ist. Ich hab das ja gerne, Arbeiten, während sie entstehen, durchzusprechen. Übrigens ist das nie anders gewesen; Künstler, die ihre Werke bis zur Vollendung unter Verschluß halten, sind mir ziemlich fremd: ich schaffe gern aus dem Prozeß heraus, habe weder Probleme, über Fehler, Irrtümer usw. zu sprechen und sie vorzuzeigen, noch, wenn mir jemand „von draußen“ hineinspricht; meine Arbeit reagiert aufs Draußen sowieso und immer.

Guten Morgen.

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