… that you have but slumber‘d here. Das Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 20. Juni 2012. Mit Selbstbild. – S e t t e.

8.25 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Es regnet draußen, goß die ganze Nacht über; als Broßmann, zwei seiner Freunde und ich gestern spät noch unseren Absacker nahmen, über Prädikatenlogik vorm Beakers plaudernd unten im Haus, da nieselte es nur – so, daß man im Schutz der Markise dennoch so draußen sitzen konnte, um auch zu rauchen. Doch als ich gegen halb fünf aufwachte, rauschte der Regen wieder gewaltig – was mich noch etwas im Bett hielt; aber um zehn nach fünf saß ich am Schreibtisch und tauchte in die Argowelt.

Argo-TS 718neben & 718

Bis 724 oben kam ich, was, da zur 718 einiges hinzuzuschreiben war, ein guter Schnitt ist. Sah alles vor mir: die sich auflösende Zentralstadt, den verjauchten Rhein mit dem endlosen Hodnavorhang, der ihn teilt, die mülldurchsprenkelte Tundra des Ostens, die beiden Amazonen, die die Gefährtin bestatten, den harten Brem. Manches läuft nun wie aus dem Handgelenk.
Tief verschlafen die Löwin am Telefon; ich gab ihr noch eine halbe Stunde. Moment, sie ist rum –

– wieder da: 8.35 Uhr:
Noch ein Arzttermin steht an, plötzlich, für den Jungen, nicht für mich; muß aber heute noch in den Tag geschoben werden – ebenso wie, was gestern kam, ein neuer Textauftrag, der vorgestern bereits fertiggestellt sein muß. Was Χρόνος logischerweise nicht geht. Es wäre gut, bekäme ich bis nach der Reise Zeit; da ich den Laptop in Italien dabeihaben werde, werde ich mich abends, den Kopf voll ertauchten Fisch- und Algenwerks, über Sehnsucht dann schon auslassen können – so ist das Thema nämlich genannt. Dazu die Neue fröhliche Wissenschaft und immer parallel Argo; jetzt aber auch noch Giacomo Joyce. Morgen, beim Treffen mit dem Suhrkamp-Lektor, geb ich das mir geliehene Exemplar zurück, hab eben neu bestellt; sollte die Sendung vor der Abreise nicht rechtzeitig ankommen, nähme ich >>>> Schlinkerts Angebot wahr. >>>> Dessen Weblog jetzt übrigens angenehm professionell geworden ist. So schmökert‘s sich recht fein. Nur mal so nebenbei als Empfehlung. Gehen Sie ihr nach.
Seltsam, seit gestern ist mir nach Brittens A Midsummer Night‘s Dream nach Shakespeare, ein stets deutliches Zeichen, daß Titania sich wieder mal genähert hat oder eine ihrer losen, sittlich betrachtet, Elfen.

Die machen bekanntlich vor Eseln, also auch vor mir, nicht halt („halt“, liebe neue deutsche Rechtschreibung, ist ein Adverb, nicht etwa Nomen), sind aber baß erstaunt, wenn Ziegen in dem stecken, die wiederum Hybriden Pans sind. Ach, hätten sie es nur vorher gewußt! Und Oberon erst mal, wie der dann tobte! Ich aber lasse meine Füße in einer Schüssel der allerwärmsten Unschuld waschen, von Kundry („Dienen, dienen“) aber nicht, auch wenn mir die magdalensche Trocknung durchaus liegt.
Den hellen Anzug also muß ich wieder weghängen heute; wir gehen zu gedecktem Dunkel über, bevor die Briefe, die zu schreiben sind, geschrieben werden und mein Auge erneut, noch vor dem Cello, auf die Aphorismen und Gedichte fällt. Bei jenen darf ich Musik hören, bei diesen leider nicht.
Guten Morgen, tutti insieme! (Nach einem Encounter mit den Elfen, übrigens, sieht man morgens, wenn man ich ist, s o aus:

)

16.40 Uhr:
Ich muß mich unbedingt – nach allerlei Briefen, Celloüben, kleineren Arbeiten, neuem – wiedernächstem – Auftrag – bei all den Kondolenzen bedanken, die mich wegen meines heutigen Aussehens erreicht haben, etwa auch über Facebook, wo Peter Gogolin mich umgeschlechtlicht hat, doch immerhin mit Shakespeare ebenfalls: Also mein Gesicht ist wieder einigermaßen normal, und die Schattengestalten haben sich verflüchtigt. Vielleicht ist es ihnen an Regen zu viel.
Jetzt radle ich erst mal los, um zu schauen, ob meine Pavoni vielleicht endlich wieder fertig ist. Dann weitere Fröhliche Wissenschaft. Am Abend bestimmt >>>> Bar.

8 thoughts on “… that you have but slumber‘d here. Das Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 20. Juni 2012. Mit Selbstbild. – S e t t e.

    1. Liebe Frau Phyllis, wollen Sie mir unterstellen, ich spielte auf den Leserinnen? – denn dazu, alleine, sind Saiten da. Aber Sie haben sich sicher verschrieben und meinten, moralisch korrekte, weil „beseitete“ Leserinnen – solche nämlich, die über Bücher verfügen und sie wohl auch lesen. Die Dschungel freilich, Sie haben ganz recht, zieht sich aus der Entscheidungsaffäre, indem sie weder Saiten noch Seiten hat – oder so klug ist, sich nicht zu entscheiden, weshalb statt Saite oder Seite schlicht nur Site steht. Klugheit, nicht Feigheit. Wie ich von ihr hoffe.

  1. Es liegt bereit und ist, wie gesagt, in einem sogar guten Zustand, wiewohl gelesen. Heute habe ich übrigens etwas Feines geschrieben zum literarischen Weblog als eines Nachlasses zu Lebzeiten, ganz im Sinne Robert Musils.

    1. @Schlinkert. Ich komme sehr gern darauf zurück, wenn die Buchsendung nicht rechtzeitig hier ist. Was mir allerdings lieber wäre, weil ich die Neigung habe, in Bücher reinzuschreiben – eine Art der Einverleibung, Verstoffwechslung, zumal, wenn ich sie übersetzen möchte.

      Eine kluge Überlegung ist das, mit Roberts >>>> Weblog von Musil.

    2. Ich schreibe auch seit jeher in (fast) alle Bücher rein. Ich weise allerdings schon unter der Titelei darauf hin. In Jean Pauls Sämtliche Werke, Abt. I, Zweiter Band, Siebenkäs, Flegeljahre, schrieb ich: Lieber Nachfahre und / oder Antiquar bzw. Liebe Nachfahrin und / oder Antiquarin! Mit diesem Buch wurde (auch) gearbeitet, es ist nicht mehr textsauber, deswegen allerdings (doch) nicht schmutzig.
      Das mache ich oft so, dann wissen alle bescheid.

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