[Arbeitswohnung. Magdalena Kožená, >>>> >>>> Lettere amorose.]
Erster Latte macchiato, erste Morgenpfeife. Schnell auch bereits die >>>> DTs‘e nachgetragen, für vorgestern hatte ich es zugunsten der Argo-Arbeit verabsäumt. Wenn ich, wie >>>> von dort, eine Textpassage in Die Dschungel eingestellt habe, kann ich sie meist als überarbeitete Version direkt in die überarbeitete Datei kopieren, denn in aller Regel ist ihre Fassung dann „weiter“ als mein handkorrigiertes Typoskript:
Zum Film werde ich gleich nach diesem ersten Eintrag ins Arbeitsjournal schreiben, getrennt, nicht >>>> wie bei Scotts „Prometheus“ darin integriert. Das immerhin ist der Streifen mir wert, das immerhin kann er verlangen, auch wenn ich Kiehls Enthusiasmus nicht völlig teilen kann.
Was außer Argo und der Übersetzung von Nummer 24 des >>>> Giacomo Joyce n o c h ansteht? Ich habe eine ziemlich blöde Frist zu wahren, wegen eines Stundungsdingens, die dringend einzuhalten ist. Also Buchhaltung mit Brief und Kopien usw. Das wird mich heute Stunden kosten. Häßlich, echt, wenn man eigentlich nur arbeiten will. Und nachmittags wird Broßmann herkommen, weil wir über eine zeitgemäße Darstellung und Formatierung der Neuen Fröhlichen Wissenschaft sprechen wollen, die seit einigen Wochen aber liegengeblieben ist, weil ich sonst mit der übrigen Arbeit nicht nachkomme. Argo geht einfach vor, ebenso der Fahnenapparat des Essaybandes, der sogar, des nahenden Erscheinungstermins wegen, ganz besonders. Und wenn Argo nicht bis Anfang November lektoratsfähig vorliegt, wird das Mammut kaum im Herbst nächsten Jahres herauskommen können. Außerdem – das ist unverzüglich aufzunehmen – muß ich an das nächste Hörstück, für das diesmal die Vorbereitung auch juristisch kompliziert ist.
Jetzt aber an die Filmkritik.
(„Ich kann deine Dschungel nicht lesen“, sagte in Wiesbaden meine mütterliche Freundin Lydia B., „allein schon, wenn ich ‚Latte macchiato‘ lese, bin ich genervt.“ „Mußt du ja auch nicht lesen, davon abgesehen, daß es auch andere, viele, Rubriken in Der Dschungel gibt.“ Wenn solch eine Skepsis gegenüber Netz-Publikationen besteht, vor allem auch Abwehr gegen die Vermischung mit Privatheit, sind Argumentationen sinnlos. Hier hinein spielt, auch, ein Generationen-, nämlich Konflikt der Lese-Sozialisation. Selbst लक्ष्मी sang gestern abend ein Hohelied des Buches, in diesem Fall der Bibliotheken, weil eine Lehrerin meines Jungen „allergisch“ darauf reagiere, wenn die Kinder zuerst und alleine bei Wikipedia nachschauten; sie sollen Bücher nehmen. „In zehn Jahren“, sagte ich, „wird das Netz als Lexikon alle Bücher abgelöst haben. Wir müssen aufpassen, unsere Kinder nicht den Führerschein auf der Postkutsche machen zu lassen, da sie doch mit dem Düsenflieger fliegen werden.“ Das Buch hat den Kampf gegen das Netz schon längst verloren, nur daß ökonomischen Nutznießer es noch nicht merken – oder zugeben wollen, d a ß sie es merken. Auch, übrigens, über Sexualität wäre in diesem Zusammenhang zu sprechen. Über die gewonnene Freiheit ihrer Formen. Warten Sie nur >>>> die Essays, besonders aber die Neue Fröhliche Wissenschaft ab. Ein Schrei wird durch die Lande gehen, auch wenn man ihn erstmal, durch Verschweigung, stopft. Die Hand, die es tut, wird schneller, als daß sie verdorrt, abgebissen werden. Womit ich schon mal bei Carax wäre.)
10.10 Uhr:
[Immer noch Koženás Liebesbriefe.]
Bis eben >>>> dran gearbeitet und vor einer Minute eingestellt.
Jetzt sofort an den Joyce. Eigentlich müßte ich auch mal duschen.
12.44 Uhr:
[Was wohl? Koženás >>>> Lettere amorose.]
Nun steht auch >>>> die Nummer 24 des Giacomo Joyce drin. Jetzt wird geschlafen, danach geht‘s an die leidige Buchführung. Das krieg ich hoffentlich innert zweier Stunden vom Tisch, damit es mit Argo weitergehen kann. Viel wichtiger als ein „bedingungsloses Grundeinkommen“, dessen Begriff immer wieder fatal an „bedingungslose Kapitulation“ erinnert, wäre eine bedingungslose Sekretärin, also eine bedingungslos ergebene. Aber damit komme ich in diesem Leben nicht mehr durch. Das weiß ich selbst. Also schimpfen Sie nicht.
18.55 Uhr:
Fertig geworden mit dem Stundungsantrag. Ewige Suche- und Rechnerei. Dazu einen langen Brief ans Bundesverwaltungsamt, unsachlich mit Künstlerpathos: Einforderung der Position.
Dann kam eine, man kann nur sagen: beschissene Nachricht wegen einer Veranstaltung zur Frankfurter Buchmesse. Irgend jemand hat geschlafen, hat Zeit verstreichen lassen, jetzt stehn sie da, die Kulturmaschinen und ihre Autor:innen, quasi buchmessennackt. Da hinein ein neues Buch. Für Gogolin, der einen neuen Roman hat, ist‘s noch viel schlimmer als für mich. Das einzige, was hier hilft, ist – Stoik. Einfach weitermachen, stur weitermachen, nicht nach links und rechts schauen, sondern allein seiner Arbeit verpflichtet bleiben.
Aber meine Laune steht nicht zum besten jetzt.
Die Kritik zu Carax‘ „Holy Motors“.